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Opfer der Messerattacke sagen aus

Justiz Am vierten Verhandlungstag kommen die drei Männer, die bei dem Angriff verletzt wurden, selbst zu Wort.

Nürtingen. Der junge Mann im Zeugenstand steht vor seiner Dolmetscherin und hält ihr einen Stift an den Hals. Er soll so tun, als habe er ein Messer in der Hand. „Du kommst mit raus“, sagt er. Ungefähr so soll sich die Situation in der Nacht vom 4. auf den 5. November in der Küche des Wohnheims im Schelmenwasen zugetragen haben. Als es seinem Freund an den Hals gehalten wurde, habe er das Messer zum ersten Mal gesehen, sagt der 19-Jährige vor dem Stuttgarter Landgericht aus. Kurz darauf habe ihm der Angreifer mit der Waffe in die Lunge gestochen.

Eine Notoperation rettete dem Gaststudenten der HfWU das Leben. Zwei weitere Eingriffe seien danach noch notwendig gewesen. bZum ersten Mal in dem Prozess um den Messerangriff auf drei HfWU-Studenten kamen die Opfer vor dem Stuttgarter Landgericht selbst zu Wort. Die Schilderungen der jungen Leute deckten sich weitestgehend mit den bisher gehörten Aussagen anderer Zeugen: Die zwei Angeklagten seien plötzlich in der Küche des Wohnheims im dritten Stock aufgetaucht und hätten Ärger gesucht. „Sie hatten eine sehr aggressive Art und Weise. Streit lag in der Luft“, sagte der 26-Jährige, der leicht verletzt wurde. Nachdem einer der Fremden ein Messer gezogen hatte, sei es zu einem Handgemenge gekommen. Er hätte sich zwischen seine Kommilitonen und die Angreifer gestellt, so der 26-Jährige. „Dann habe ich gemerkt, dass ich an der Brust blute.“ Die Verletzung war nicht lebensgefährlich, der 26-Jährige habe das Krankenhaus wenig später verlassen können.

Schlimmer hatte es den 19-Jährigen erwischt. Um einen Freund zu schützen, habe er mit der Faust nach dem Messerangreifer geschlagen. Unmittelbar danach habe dieser zugestochen. Die Klinge verletzte seine Lunge. „Ich habe die Hand auf die Wunde gelegt und bin sofort weggegangen“, so der 19-Jährige vor Gericht. Nach seiner Notoperation sei er eine Woche im Krankenhaus gewesen, drei Tage davon auf der Intensivstation. Nachdem er sich erholt hatte und in das Wohnheim zurückgekehrt war, sei eine Rückkehr zum Alltag nicht einfach gewesen. „Ich habe versucht, so viel wie möglich zu vergessen. Aber es war nicht mehr das gleiche Gefühl wie vorher. Immer wenn eine Tür geknallt hat, habe ich mich erschrocken. Die Angreifer sind ja einfach so ins Haus gekommen.“

Laute Musik als Provokation

Bereits am zweiten Verhandlungstag hatte der mutmaßliche Messerstecher die Tat eingeräumt. Er und sein Begleiter seien alkoholisiert gewesen und hätten sich von der lauten Musik im Wohnheim gestört gefühlt. Bei seinen drei Opfern entschuldigte sich der 20-Jährige. Dem 19-Jährigen, den er fast umgebracht hätte, bot er zudem 500 Euro an, die seine Verteidigerin in einem Briefumschlag dabei hatte. „Das ist alles, was er derzeit hat“, so die Verteidigerin über ihren Mandanten. Doch der 19-Jährige nahm weder die Entschuldigung noch das Geld an.

Zum ersten Mal ließ auch der zweite Angeklagte, dem vorgeworfen wird, mit den Fäusten auf die Studenten eingeschlagen zu haben, von seinem Verteidiger eine Erklärung zu der Tat verlesen. Er habe nicht gewusst, dass sein Begleiter ein Messer dabei hatte. „Mir ist bewusst, dass wir die Schlägerei provoziert haben, aber ich hätte niemals gedacht, dass jemand so schwer verletzt wird“, so der 23-Jährige laut Erklärung.

Die Verteidigung wollte weiter aufzeigen, dass von den Studenten eine Provokation durch zu laute Musik ausging. Es sind noch vier weitere Verhandlungstage angesetzt, das Urteil wird am 26. Mai erwartet. Matthäus Klemke