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Ortsumfahrung: Für Owen gibt es eine neue Perspektive

Gemeindeentwicklung Beim Thema Verkehr drückt die Bevölkerung in der Teckstadt am meisten der Schuh. In die leidige Debatte um eine Ortsumfahrung soll nun endlich mehr Bewegung kommen. Von Bernd Köble

Wohnen, wo andere Urlaub machen. Ein Satz, der auf das 3400-Einwohner-Städtchen Owen zutreffen könnte. Eingebettet zwischen blühenden Streuobstwiesen direkt am Albtrauf, überragt von der Burg Teck, gesegnet mit einer langen Geschichte. Wer hier wohnt, der tut es in der Regel gerne. 80 Prozent derer, die sich an einer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt haben, sind mit der Wohnqualität in ihrer Stadt zufrieden. 

 

Owen ist die Stadt, zerschnitten von einer Bundesstraße, an der es beidseitig Obst zu kaufen gibt. 
Ein anonymer Wortmelder

 

Doch auch das ist Owen: ein Ort, der täglich im Verkehrschaos erstickt, dessen Bewohner sich nach einem sozialen Treffpunkt und lebendiger Gastronomie sehnen, nach altersgerechten Wohnangeboten oder auch nach einer Apotheke, die es hier seit 2015 nicht mehr gibt. Von dem, was vor zwölf Jahren im Zuge einer Gemeindeentwicklungsplanung an Wünschen beschrieben wurde, ist einiges umgesetzt, vor allem in der Innenentwicklung beim Wohnungsbau. Anderes blieb Stückwerk. Jetzt will die Stadt nachschärfen und spannt den Bogen weiter – perspektivisch bis ins Jahr 2035. „Wo haben sich die Rahmenbedingungen geändert, wo muss nachjustiert werden, was bewegt die Bevölkerung?“, beschreibt Bürgermeisterin Verena Grötzinger die Fragen, auf die es Antworten zu finden gilt. Ende Januar hat die Verwaltung eine Online-Befragung in der Bevölkerung zu gemeinsamen Entwicklungszielen gestartet. Die Ergebnisse, die jetzt erstmals in einer Bürgerversammlung der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, sind vieles, nur eines nicht: überraschend.

Ganz oben steht das Thema Verkehr. Mehr als 20 000 Fahrzeuge, darunter eine Menge Schwerlastverkehr, rollen täglich durch den Ort. Eine Dauerbelastung für die Bewohner und gleichzeitig das größte Entwicklungshindernis. Timo Buff, der die Umfrage ausgewertet und moderiert hat, fällt dazu der Satz eines anonymen Zitatgebers ein: „Owen ist die Stadt, zerschnitten von einer Bundesstraße, an der es beidseitig Obst zu kaufen gibt.“ Seit mehr als einem halben Jahrhundert geistert die Lösung durch den Raum: Pläne für eine 3,4 Kilometer lange Ortsumfahrung, die im Bundesverkehrswegeplan als vordringlicher Bedarf eingestuft wird. Dass die Trasse eines Tages kommt, glaubt freilich niemand mehr, weil davon sensible Schutzgebiete betroffen wären und die politischen Zeiten andere sind.

Mit den Plänen für eine Stadt­erweiterung nach Westen gibt es dennoch neue Hoffnung. Eine breit ausgebaute Ortsrandstraße in kommunaler Regie, die das geplante Wohn- und Gewerbegebiet „Pflaumenäcker“ im Westen begrenzen soll und ausreichend Abstand zum Streuobstgürtel hätte, könnte die Lage – zumindest was den Verkehr in Richtung Beuren betrifft – entschärfen. Das Problem dabei: Die Alternative darf einer großen Lösung nicht im Wege stehen, auch wenn die für immer ein Phantom bleiben dürfte.

Möglicher Baustart 2026

Für Planer Manfred Mezger vom Boller Büro „mQuadrat“ wäre der Einstieg in einen ersten Bauabschnitt trotz der schwierigen Rahmenbedingungen bereits 2026 vorstellbar. Das Verfahren zur Erweiterung des Flächennutzungsplanes befindet sich auf halbem Weg. Noch vor der Sommerpause soll der Gemeinderat einen Entwurfsbeschluss fassen. Danach sind die Fachbehörden am Zug. Was im Moment noch fehlt, ist ein Bebauungsplan, weil sich Stadt und Gemeinderat noch nicht entschieden haben, mit welchem Bauabschnitt begonnen werden soll. Ganz am Anfang stehen auch die Verhandlungen über den nötigen Flächenerwerb mit Grundstücksbesitzern. Allein im südlichen Teil Richtung Beurener Straße, der sich als erster Bauabschnitt aufdrängt, sind 15 Eigentümer betei­ligt. Dort ist auch ein Einkaufsmarkt mit einer Verkaufsfläche von bis zu 1400 Quadratmetern vorgesehen. Auch dies ein sensibles Thema für die Stadt, weil die Zeit drängt. Der bestehende Markt an der Bundesstraße ist baulich in die Jahre gekommen, die privaten Betreiber sind im fortgeschrittenen Alter. Käme kein nahtloser Übergang zustande, stünde Owen zum ersten Mal seit Jahrzehnten ohne größeren Nahversorger da. Ein Delta, das Owens Bürgermeisterin Verena Grötzinger derzeit allerdings nicht fürchtet. „Wir sind mit allen Akteuren im Gespräch“, versichert sie. „Auch über eine mögliche Übergangslösung.“

Eine solche drängt sich auch an anderer Stelle auf. Der Stillstand im geplanten Lauter-Quartier – dort wo das alte Gasthaus „Adler“ steht – blockiert auch die Umgestaltung des Verkehrsknotens mit dem Abzweig nach Beuren. Zwar ließe sich die dringend benötigte Linksabbiegespur, die allmorgendlichen Stau entschärfen soll, auch vor einer Bebauung des Areals verwirklichen. Die dafür benötigten Randflächen sind längst im Besitz der Stadt. Doch dafür müsste der „Adler“ erst einmal abgerissen werden. Die Entscheidung liegt beim Investor, der Russ Estate, die seit Oktober grünes Licht von den Baubehörden hat. Seitdem läuft eine neunmonatige Frist, nach der die Stadt ihren vorhabenbezogenen Bebauungsplan zurückziehen oder das Ultimatum verlängern könnte. Bei einem Rückzug stünde man wieder bei null. Die wahrscheinlichere Variante: Das Warten geht weiter.

Bürger-Dialog und Perspektiv-Werkstatt

Die Bürgerbeteiligung unter dem Titel „Owen 2035 – Perspektiven gestalten“ ist eine Weiterführung des vor 13 Jahren entstandenen Gemeindeentwicklungskonzepts „Owen 2025.“ An einer als Ideenbörse angelegten Online-Befragung nahmen seit Januar 457 Personen teil. Das entspricht 17 Prozent der über 16-jährigen Bewohner Owens. Nach Meinung von Timo Buff vom Stuttgarter Netzwerk für Planung und Kommunikation kein repräsentratives, aber ein durchaus belastbares Ergebnis.
Themenschwerpunkte, die bei der Auftaktveranstaltung am Mittwoch im Herzog-Konrad-Saal der Teckhalle vorgestellt wurden, waren die Verkehrsbelastung innerorts, Verkehrssicherheit für Radfahrer und Fußgänger, Versorgung mit Einzelhandel – insbesondere eine fehlende Apotheke – sowie Defizite in Gastronomie, Hotellerie und bei altersgerechten Wohnangeboten.
Nächster Schritt ist eine Perspektiv-Werkstatt am 10. Mai, die mit einer gemeinsamen Ortserkundung beginnt und an der alle interessierten Bürgerinnen und Bürger teilnehmen können. Die Ergebnisse fließen in eine Klausursitzung des Gemeinderats ein. bk