Schnipp, schnipp, schnipp – unablässig zwicken Rebscheren Ästchen für Ästchen ab. Zusehends schrumpft der riesige Haufen Buchs, der aus Oberlenninger Gärten zusammengetragen worden war. Beim Binden der Osterkrone herrscht auf dem Hof der Bauschlosserei Rau geschäftiges Treiben. Während die einen für das Zerkleinern des Grüns sorgen, tragen die anderen kistenweise Zweige in die Werkstatt. Die nächsten gruppieren sie dort zu Sträußchen und reichen sie den Frauen, die die Büschel Schicht für Schicht mit Draht um die ausladenden Arme des Metallgestells binden. Am „Bauch“ bringt es das stattliche, zwei Meter hohe Gestell auf einen Durchmesser von 3,10 Metern.
Vier Stunden dauert es, bis der Obst- und Gartenbauverein (OGV) Oberlenningen die Osterkrone für ihren großen Auftritt in der Ortsmitte vorbereitet hat. Die Montage auf den Brunnen übernimmt der Bauhof. Einen besonderen Hingucker bilden die wie an einer Perlenschnur aufgereihten Eier in Blau und Gelb – die Farben der Gemeinde. 360 sind es allein an den sechs Armen. „Wie die Eier angeordnet werden, ist jedes Jahr ein bisschen anders“, erklärt Schriftführer Erwin Gökeler.
Schnittkurse, Rundgänge durch die Streuobstwiesen während der Blüte und der Ernte – Kern des 183 Mitglieder zählenden OGV ist ein naturnahes Programm. Das Projekt „Osterkrone“ hat Ausschussmitglied Jörg Schmid unter seinen Fittichen. Zu seinem Wirbeln hinter den Kulissen gehört, alljährlich für ausreichend Buchs zu sorgen. Der ist glücklicherweise nicht überall dem Zünsler zum Opfer gefallen.
Um den österlichen Blickfang für den Oberlenninger Marktbrunnen zu gestalten, sind heute 25 Frauen und Männer gekommen. Darunter gemischt haben sich ein paar Lenninger Hexa, die aus einer Laune heraus inzwischen auch dem OGV angehören. Aber das wäre eine andere Geschichte. „Wir helfen zurück“, erklärt die erste Zunftmeisterin Martina Votek lapidar. Schließlich hatten ein paar OGVler nach dem Faschingsumzug der Hexa dafür gesorgt, dass der Müll wie von Geisterhand verschwand.
Auch Wahl-Lenninger packen mit an
Seit 2019 soll die Osterkrone erstmals wieder den Brunnen auf dem Oberlenninger Marktplatz schmücken. Seitdem hatte die Pandemie das Gemeinschaftserlebnis vereitelt. Und ein Gemeinschaftserlebnis ist nicht nur die feierliche, öffentliche Übergabe, sondern auch die Arbeit eine Woche davor. Themen finden sich beim Werkeln auf den Bierbänken unter der wärmenden Frühlingssonne ganz von selbst, und sei es der überhitzte Holzverkauf, der in diesem Jahr nicht nur in Lenningen seltsame Blüten treibt. Hier sind alle per du, es herrscht eine lockere Stimmung. Die meisten sind alteingesessene Oberlenninger, aber auch Zugezogene gehören zu den Helferinnen und Helfern. „Es ist doch schön, wenn es ein bisschen Tradition gibt“, sagt Monika Aichele, die mit ihrem Mann Berndt seit 2017 in Lenningen wohnt. Die Logos auf Poloshirt und Jacke zeigen, wie sehr das Ehepaar bereits mit dem Obst- und Gartenbauverein verwachsen ist.
Vor acht Jahren hatte der OGV den Osterkronen-Brauch von den Landfrauen aus Unterlenningen und Brucken übernommen. Dazu gehört, der Krone ein Kränzchen aufzusetzen. Ähnlich einem Adventskranz ummantelt Gisela Schmid den handlichen Ring mit Buchs. Seit einer Verletzung kann sie nicht mehr über Kopf arbeiten. Unermüdlich schleppen die beiden Enkelkinder Emma und Theo für ihre Oma Nachschub an Grün herbei. Vom Dreikäsehoch bis zur 86-Jährigen ist hier jedes Alter vertreten.
Sehen, wo’s fehlt, dafür haben die Helferinnen in der Werkstatt im „Oberen Sand“ ein waches Auge. An das eigentliche Binden der Osterkrone trauen sich eher die erfahreneren „älteren Häsinnen“ ran. „Man muss sich dabei auch ziemlich verwinden“, so beschreibt Doris Gökeler eine der Hürden. Kleine „Schönheitsfehler“ werden indes locker verziehen. „No goht mr halt zom Frisör“, sagt eine Frau und zwickt mit der Rebschere flugs ein paar vorwitzig herausstehende Blättchen ab.
Die feierliche Übergabe der Osterkrone findet am Samstag, 25. März, von 14 Uhr an auf dem Oberlenninger Marktplatz statt. Der Obst- und Gartenbauverein bewirtet die Gäste mit Kaffee und Kuchen und Bätschern vom Backhaus.