Bio-Lebensmittel sind heute in aller Munde. In den siebziger Jahren war das völlig anders: Die konventionelle Landwirtschaft boomte. Kaum jemand fragte sich, ob Kunstdünger oder Pflanzenschutzmittel der Umwelt und den Menschen schaden. Nur ein kleines Häuflein Bauern stellte sich gegen den Mainstream. Einer von ihnen war Heinrich Gruel, der in Owen 1971 einen der ersten Bioland-Höfe Baden-Württembergs begründet hat.
Wie sich die Bio-Landwirtschaft seitdem entwickelt hat, kann Heinrich Gruel nicht mehr selbst erzählen. 2023 ist er gestorben. Sohn Andreas hat im Jahr 2000 den Hof von ihm übernommen. 2016 stieg Enkelsohn Jonathan mit ein. Die beiden haben zum Gespräch nach Owen eingeladen. „Mein Vater hätte eigentlich Elektriker werden sollen. Er hatte aber nur Landwirtschaft im Kopf“, erzählt Andreas Gruel lächelnd. Ein paar Kühe, etwas Ackerbau, Streuobst und Grünland: So sah der Betrieb bei der Gründung aus. Biologisch wollte Gruel wirtschaften, was natürlich hieß, auf „einfache Lösungen“ wie Kunstdünger und konventionellen Pflanzenschutz zu verzichten. Stattdessen setzte er darauf, seine Böden auf natürliche Weise zu „füttern“ und damit fruchtbar zu machen.
Mein Vater hatte nur Landwirtschaft im Kopf.
Andreas Gruel, Bio-Landwirt
1975 wurde der Hof zum Bioland-Betrieb. Wenn Andreas Gruel von den Anfangsjahren erzählt, wird klar, dass Bauern wie sein Vater damals noch idealistischer sein mussten als heute. Viele Jahre lang wurden die Lebensmittel konventionell verkauft, weil es keinen Markt für sie gab. Das Getreide wurde in der Mühle Ensinger gemahlen, das Fleisch entsprechend ausgezeichnet bei „Scheu und Weber“ verkauft. „Die Milch ist bis 1991 an ‘Südmilch’ gegangen“, nennt Andreas Gruel ein Beispiel.
Das bedeutete: Der höhere Aufwand, den Bio-Bauern eben betreiben müssen, wurde nicht mit höheren Preisen belohnt. Heinrich Gruels Ehefrau Irma, heute fast 86 Jahre alt, war es, die nach besseren Vermarktungslösungen suchte. „Sie hat 1978 begonnen mit der Direktvermarktung in unserem eigenen Hofladen in der Kirchheimer Straße“, sagt Jonathan Gruel. Der ist seither mehrmals umgebaut und erweitert worden, aber das Prinzip ist geblieben. Teile des Bio-Getreides gingen an eine Einkaufsinitiative aus Göppingen. „Mein Vater hat immer 2,5 Tonnen Getreidesäcke dorthin gebracht, und die haben es untereinander verteilt“, sagt Andreas Gruel.

1991 wendete sich das Blatt. Damals, erinnerte sich Andreas Gruel, sei Bernd Sigel, der Inhaber von „Scholderbeck“ bei ihm vorbeigekommen und habe nach einem Säckchen Bio-Getreide gefragt. Seine Frau Eve litt unter Neurodermitis, und er wollte ausprobieren, ob das Getreide einen Unterschied machen würde. Offenbar überzeugte das Ergebnis, denn Scholderbeck stellte 1994 auf Bioland-Erzeugung um. „Seither geht der Großteil unseres Getreides dorthin“, sagt der Bio-Landwirt.
Das Profil des Hofes hat sich seitdem stark verändert. Enkelsohn Jonathan hat sein Steckenpferd, den Gemüseanbau, in den Betrieb gebracht. Auf zwölf Hektar Fläche wachsen jetzt Tomaten, Gurken, Paprika, Melonen, Zuccini, Salat, Kartoffeln, Kürbisse und vieles mehr. Die Vielfalt hat Gruel mittlerweile schon wieder etwas reduziert. „Man kommt bei der Wirtschaftlichkeit an die Grenzen, wenn man zu viele Kulturen produzieren will“, sagt er. „Deshalb versuchen wir, uns auf die Dinge zu konzentrieren, bei denen Frische am wichtigsten ist“. Dazu kommen immer wieder „besondere“ Obst- und Gemüsesorten wie Zuckerschoten, Honigmelonen oder Physalis. Die Kühe haben die Gruels abgeschafft, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Die Nährstoffe für den Boden liefern Leguminosen, die den Stickstoff aus der Luft holen. Oder Klee und Heu werden direkt auf die Äcker ausgebracht. „Wir lassen die Kuh einfach aus“, sagt Andreas Gruel.

Die Direktvermarktung über den Hofladen bleibt eine wichtige Einnahmequelle, hinzugekommen sind die Biokiste, der Verkauf auf dem Kirchheimer Wochenmarkt und die Belieferung des Naturkost-Fachhandels. Von der Konkurrenz will Jonathan Gruel sich über die Frische abheben. „Wir ernten heute, was morgen in die Biokiste gepackt wird“, sagt er.
Zu schaffen macht dem Betrieb der Klimawandel, der immer extremeres Wetter mit sich bringt und von den Bauern Kreativität fordert. Seit einiger Zeit mulcht Jonathan Gruel Teile seines Gemüses mit Heu, um den Boden vor starker Erwärmung und Austrocknen zu schützen. „Das Heu puffert außerdem den Starkregen ab und nimmt in den Folientunneln Feuchtigkeit auf, sodass keine Pilzkrankheiten entstehen", sagt Gruel.
Angesichts der andauernden Trockenheit würden sich die Gruels jedoch über ein bisschen mehr Feuchtigkeit freuen. Wenn auch vielleicht nicht unbedingt am 1. Juni zwischen 10 und 17 Uhr. An diesem Sonntag findet auf dem Hof in den Spitzwiesen ein großes Fest anlässlich des 50-jährigen Bestehens statt, mit Gottesdienst, Felder-Rundfahrten, einer Heu-Hüpfburg, Musik, Essen und Ständen regionaler Partner.