Die Freude steht der Owener Bürgermeisterin ins Gesicht geschrieben: „Endlich mal wieder eine Autorenlesung“, so Verena Grötzinger und macht den vielen Besuchern schon mal Appetit: „Wolfgang Schorlaus Bücher sind bezeichnend, spannende Politkrimis, die gut recherchiert sind.“
Doch der ursprünglich aus Idar-Oberstein stammende Schriftsteller kam nicht allein. Es war kein Geringerer als der Ausnahme-Gitarrist Werner Dannemann, der den rundweg außergewöhnlichen Abend mit seinem selbst komponierten Stück „Blue Hour“ eröffnete.
Dann war Krimitime, na ja, fast. Erst mal wollte Wolfgang Schorlau etwas Wichtiges loswerden. „Ah, du gehst dahin … du darfst auf keinen Fall … den Ortsna…“, noch bevor der 71-Jährige seinen Satz beenden konnte, ertönt schallendes Gelächter. Konnte sich doch sein konzentriert zuhörendes Publikum denken, das man dem bekannten Krimautor, der mittlerweile in Stuttgart lebt, geraten hatte, Owens Ortsnamen richtig auszusprechen – denn Schreibweise und Aussprache seines Auftrittsortes haben nichts gemein. Das Eis war gebrochen. „Für mich ist es immer eine besonders große Freude, mit Werner Dannemann aufzutreten, denn wir sind schon ein bisschen wie ein altes Ehepaar. Haben gemeinsam bestimmt schon an die 80 bis 100 Auftritte gehabt“, verrät Wolfgang Schorlau an seinem Jahresabschlussabend. Anschließend gibt er einen Einblick von den Figuren rund um seinen Hauptprotagonisten Georg Dengler. Ein ehemaliger BKA-Zielfahnder, der jetzt als Privatermittler unterwegs ist und mit raffinierten Methoden mittlerweile an seinem zehnten Fall – Kreuzberg-Blues – arbeitet, beschreibt dessen Freundin Olga, eine hervorragende Hacker-Aktivistin ohne Berufsunfallversicherung, aber dafür mit einer anatomischen Besonderheit. „Ihr Zeigefinger ist so lang wie ihr Mittelfinger, was ihr einen strategischen Vorteil als Taschendiebin beschert“, erzählt Wolfgang Schorlau mit seiner in sich ruhenden Stimme.
Nichts bei ihm wirkt übertrieben, Gestik und Mimik setzt er während des Erzählens und späteren kurzen Lesens recht reduziert ein. Humorig berichtet er von der „Bitte“ des kahlköpfigen jungen Kellners in Denglers Stammlokal „Basta“ im Stuttgarter Bohnenviertel. „Er möchte so gerne nur einen Satz sagen. Wenn Ihnen was einfällt, dann sagen Sie es“, fordert er sein Gegenüber zum Mitwirken auf. Unter anderem berichtet der Krimautor von Mario Ohno, ein Freund Denglers, bei dem man sich an seinem Wohnzimmertisch einmieten und von ihm bekochen lassen kann.
Letztendlich sind es aber Ratten und Heuschrecken, die in Denglers neuem Fall eine Rolle spielen. Die einen sind echte, eklige und krankheitsbringende Nagetiere, die ganz bewusst von den Schergen eines großen Immobilienkonzerns in einem Mietshaus ausgesetzt werden, um so die Bewohner zum Auszug zu bewegen. Danach schlägt die Stunde der schlimmeren „Tiere“. Geldgierige Zweibeiner, in Person kaltherzige und aggressive Großinvestoren, die ohne Wenn und Aber die frei gewordenen Wohnungen mindestens doppelt so teuer weitervermieten.
Es ist einfach nur spannend, wie viel Wissen Wolfgang Schorlau von diesen Oligarchen weitergibt und an den einstigen OB-Slogan, „Berlin sei arm, aber sexy“, erinnert. Gut organisiert und prima zum Runterkommen.
Werner Dannemanns Zwischenmusik, wie unter anderem „Call me the breeze“ von J. J. Cale sowie des Schriftstellers zweite, kürzere Lesung aus dem Buch „Der Tintenfischer“, in dem Commissario Morello in Venedig ermittelt. Das absolute Sahnehäubchen lieferte das Duo am Schluss, als Wolfgang Schorlau Werner Dannemanns erstklassiges Gitarrenspiel nicht minder virtuos auf seiner Mundharmonika begleitete. Blues vom Feinsten mit alten Stücken wie „Spoonful“ und „Little Red Rooster“ von Willie Dixon sowie „Key to the Highway“ von Little Walter – was für ein Hörgenuss in Owen.