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Owener Tante-Emma-Laden:„Wir sind eine aussterbende Art“

Einzelhandel Karlheinz Wunderlich betreibt in Owen einen der letzten Tante-Emma-Läden. Er erzählt, warum er von Corona profitiert hat und wie er sich gegen die Konkurrenz behauptet. Von Antje Dörr

Die Auslage vor dem Geschäft von Karlheinz Wunderlich leuchtet mit dem Herbst um die Wette. Gelbe Astern, orangefarbene Hokkaido-Kürbisse, lila Blumenkohl – farbenfroher geht’s fast nicht. Im rund 160 Quadratmeter großen Innenraum gibt es kaum etwas, das es nicht gibt: Brot und Wurst aus Unterlenningen, noch mehr Obst und Gemüse, Zeitschriften, Drogerieartikel, Getränke, Lebensmittel und sogar Kurzwaren und Haarnetze, die schon ein wenig Staub ansetzen. Auch weiße Mäuse und andere Leckereien zu zehn Cent das Stück dürfen natürlich nicht fehlen. „Wir sind zwar kein Vollsortimenter, aber man kann schon allerhand bekommen, ohne dass man sich aus dem Ort rausbewegen muss“, sagt Elke Wunderlich, die gemeinsam mit ihrem Mann den Laden schmeißt.

Im Laden aufgewachsen

Das Geschäft am Fuße der Teck gibt es in diesem Oktober seit 64 Jahren. Karlheinz Wunderlich ist ein freundlicher Mann mit dunkelblondem Haar und Schaffer-Händen, dem man nicht wirklich ansieht, dass er in diesem Jahr ebenfalls seinen 64. Geburtstag gefeiert hat. „Ich bin sogar hier im Haus geboren“, sagt er schmunzelnd. Die Eltern hatten 1959 zunächst die Garage, in der heute Obst, Brot und anderes Gebäck verkauft werden, in ein Geschäft verwandelt und den Verkaufsraum später Stück für Stück erweitert. Er sei im Grunde im Laden aufgewachsen, sagt Wunderlich. Mithelfen war für ihn und seinen jüngeren Bruder selbstverständlich. „Nach dem Unterricht haben wir Regale aufgefüllt und Waren ausgezeichnet.“ Raus auf die Gass’ durfte er aber natürlich trotzdem.

Läden wie die von Karlheinz Wunderlich sucht man in vielen kleineren Gemeinden mittlerweile vergeblich. Vor allem, wenn es vor Ort einen größeren Supermarkt gibt. Als die Eltern noch lebten, betrieb die Familie Wunderlich zwei weitere Geschäfte: in Lenningen und Grabenstetten. 1986 und 2000 wurden sie geschlossen. „Wir sind eine aussterbende Art“, sagt Karlheinz Wunderlich mit einem kurzen Lachen. Auf die Frage, wie er es geschafft hat, so lange zu überleben, hat der Owener eine knappe Antwort parat: „Meine Eigenleistung.“ Seine Frau und er dürften halt die Stunden nicht zählen, die sie in ihren Laden stecken. Drei Mal die Woche, auch samstags, klingelt der Wecker um 3.15 Uhr. Dann fährt Wunderlich zum Großmarkt nach Stuttgart, um von regionalen Erzeugern Obst und Gemüse zu kaufen, donnerstags auch Fisch. Drei Restaurants werden von ihm mit frischen Produkten beliefert. „Abends dauert es auch immer eine Weile, bis wir aufgeräumt haben“, sagt er. Und im Laden müsse halt immer jemand sein, auch wenn mal nichts los ist. So kommen pro Woche mindestens 60 Stunden zusammen. Wunderlich weiß, dass die „Work-Life-Balance“ in seinem Job für die jüngere Generation nicht stimmt. Einen Nachfolger für das Geschäft gibt es bislang nicht. Die Söhne des Ehepaars haben sich für andere Berufe entschieden.

Nachfrage „ein bisschen mau“

Während sich die allermeisten Menschen mit Grausen an die Corona-Pandemie zurückerinnern, hat Karlheinz Wunderlich auch Positives aus dieser Zeit zu berichten. „Wir haben davon sehr profitiert“, sagt der Einzelhändler. „Alle waren zu Hause, es wurde mehr gekocht als sonst.“ Im Moment sei die Nachfrage „ein bisschen mau“. Auf dem Land hätten viele ihre eigenen Gärten und müssten nicht viel Obst und Gemüse einkaufen. Wer bei Wunderlichs durch die Regale läuft, ist in der Regel Stammkunde. Man kennt sich, hält ein Schwätzchen oder tauscht Neuigkeiten aus dem Ort aus. Die Menschen kämen aus ganz Owen, sogar Dettinger würden bei ihm einkaufen. Allerdings merkt Wunderlich, dass ihm allmählich die ältere Generation wegstirbt. „Die Jüngeren sind mobil“, sagt er. Die Lotto- und Hermes-Annahmestelle hat Wunderlich mit hineingenommen, weil sie andere Kunden bringen. „Manch einer nimmt dann doch noch etwas mit“, sagt er.

Obwohl er nach 48 Arbeitsjahren in Rente gehen könnte, machen Karlheinz und Elke Wunderlich noch eine Weile weiter. Trotz der vielen Arbeit gibt es für die beiden auch positive Seiten. „Die Freiheit ist schön. Ich habe keinen Chef, der hinter mir steht“, sagt Karlheinz Wunderlich. Elke Wunderlich, die eigentlich von der Nordsee stammt, jedoch seit 43 Jahren im süddeutschen Raum lebt, liebt die Fahrten zum Großmarkt. „Das hat schon sein eigenes Flair, besonders die riesigen Blumenflächen“, sagt sie mit ihrem norddeutschen Akzent.