Lenninger Tal
„Paradiesvögel“ aus dem Lenninger Tal

Landwirtschaft Der Oberlenninger Benjamin Gökeler hält auf seiner Streuobstwiese Puten. Das außergewöhnliche Geflügel in Bioqualität begeistert Kinder und Kunden gleichermaßen. Von Katharina Daiss

Komm, komm, komm“, ruft Benjamin Gökeler immer wieder. Freudestrahlend läuft der energiegeladene Oberlenninger über seine Streuobstwiese – und über 100 Puten traben brav hinterher. Nathan, der jüngste Sohn der Gökelers, läuft den großen Vögeln fröhlich entgegen. Fast gelingt es ihm, eine der schneeweißen Puten zu streicheln, doch ganz so zutraulich sind die Vögel, die Benjamin Gökeler auf seiner Wiese hält, nicht. Trotzdem: Die vier Geschwister Martha, Käthe, Joseph und Nathan begleiten ihren Vater nur allzu gern auf die Streuobstwiese zu den Tieren.

„Wir alle haben Putenschuhe“, erklärt Martha stolz und hält ein kleines Paar Gummistiefel hoch. Das Extra-Paar Schuhe soll nicht nur die guten Klamotten vor Dreck schützen, sondern vor allem Keime und Bakterien, die unter den Sohlen der Alltagsschuhe lauern könnten, von den Puten fernhalten. Zusätzlich werden die Putenschuhe mit einem nassen Fußabstreifer gereinigt. Erst dann dürfen die vier Kinder auf die eingezäunte Streuobstwiese.

Eingebettet im Lenninger Tal liegt die Wiese von Benjamin Gökeler. Die Äpfel, aus denen herrlicher Saft hergestellt wird, sind noch ganz klein und grün. Die Sonne wärmt die Haut und das Zirpen der Grillen wird immer wieder übertönt durch das Gubbeln der Puten.

Joseph, Nathan, Käthe und Martha (von links) begleiten ihren Vater zu den Puten.  Fotos: Markus Brändli

Zum zweiten Mal zieht Benjamin Gökeler die großen Vögel auf seiner Streuobstwiese groß. Er weiß: Geflügel ist ein begehrtes Fleisch in Deutschland – und hochwertige Lebensmittel herzustellen, ist die Leidenschaft des Oberlenningers. In Sachen Streuobst ist er bereits Profi, auch mit dem Anbau von Kartoffeln und Kürbissen kennt sich Benjamin Gökeler bestens aus. Nach eigener Aussage lernt er bei der Putenzucht noch dazu, aber er kann auf Erfahrungen aus der Hühnerhaltung zurückgreifen. Dennoch hat er sich richtig reingefuchst in die Arbeit. Reihenweise Bücher hat der Lehrer des Agrarwissenschaftlichen Gymnasiums der Fritz-Ruoff-Schule verschlungen. In erster Linie ging es ihm um die idealen Haltungsbedingungen der Tiere. Das Ergebnis seiner Recherche kann sich sehen lassen: Ein mobiles Zelt schützt die Puten vor Regen und Feuchtigkeit und ein Elektrozaun hält Fuchs und Marder fern.

Ansonsten genießen die Puten jede Freiheit, die das Vogelherz begehrt. Auf der Streuobstwiese finden die Vögel lichte und schattige Plätzchen, sie können sich nach Lust und Laune bewegen oder ein reinigendes Sandbad nehmen. „Man sieht den Puten an, dass es ihnen gut geht. Das Gefieder ist sauber und Verhaltensstörungen, wie Kannibalismus, gibt es nicht. Der Verlust durch Krankheit ist deutlich geringer, als das in der industriellen Zucht der Fall wäre“, sagt Benjamin Gökeler stolz.

Außerdem achtet der Oberlenninger penibel darauf, dass die Puten nur bestes Biofutter in den Schnabel kriegen. „Zu den Pellets und Körnern kommen noch Steine. Die brauchen die Vögel bei der Verdauung“, erklärt Theresa Gökeler und ihr Mann betont: „Sie bekommen weder Hormone noch Antibiotika noch andere Futterzusätze.“

Ein weiterer Pluspunkt der großzügigen Freilandhaltung: Der Lebensrhythmus der Tiere wird von der Sonne bestimmt – und nicht durch eine künstliche Lichtquelle gesteuert.

Mit seiner Haltung verfolgt der Oberlenninger einen sehr ursprünglichen Ansatz: Das Truthuhn stammt aus Amerika, wo es sich am Waldrand und in lichten Wäldern am wohlsten fühlt. „Eine Streuobstwiese ist diesem Gelände eigentlich recht ähnlich“, dachte sich Benjamin Gökeler. Gereizt hat ihn an dem großen Vogel außerdem, dass er „laut Literatur das Tier in der Geflügelbranche ist, das noch am ehesten wild ist und das man am leichtesten verwildern kann“.

Die biologische Haltung in der Natur ist bekanntermaßen teurer und aufwändiger als die billige Massentierhaltung. Dass sich Benjamin Gökeler für die natürliche Haltung entschieden hat, sieht man den Puten nicht nur an, man schmeckt es auch, verspricht er: „Das Fleisch ist fester, hat ein intensives Aroma und eine schöne Marmorierung“, schwärmt der Lehrer. Er weiß, dass die Kundschaft die Qualität und die Haltung seiner Puten zu schätzen weiß: „Immer mehr Verbraucher haben einen höheren Anspruch. Sie fordern eine artgerechte Haltung und gesunde Tiere.“

 

Info: Ende Juni und Anfang Juli stehen die nächsten Schlachttermine an. Benjamin Gökeler vermarktet dabei nicht nur die berühmte Putenbrust, sondern das gesamte Tier. Darum verkauft er Pakete, die eine halbe Pute küchenfertig zerlegt enthalten. Interessierte finden weitere Infos ­unter www.paradiesle.com.