Eine bunte Pille wandert den Hals hinunter, ein Schluck Wasser hinterher, und die Nacht kann losgehen: Insbesondere unter jungen Clubgängern wird gerne zu illegalen Partydrogen gegriffen, um die Nacht zum Tag zu machen. Im weiteren Sinne zählt auch Alkohol zu den Partydrogen. Meist beschreibt der Begriff jedoch psychoaktiv wirkende, illegale Substanzen wie Ecstasy, Kokain oder Speed.
„Partydrogen sind Substanzen, die euphorisierend und aufputschend wirken“, erklärt Renate Mahle von der Beratungsstelle Sucht und Prävention des Landkreises Esslingen. „Man erlebt ein kurzzeitiges Hochgefühl, kann länger tanzen, intensiver erleben, und das Selbstwertgefühl ist im Höhenflug.“
Würde ich feststellen, dass ich ohne die Substanz nicht mehr klarkomme, würde ich sofort aufhören.
Simon, Partydrogen-Konsument
An den vier Standorten der Beratungsstelle in Kirchheim, Nürtingen, Esslingen und Leinfelden-Echterdingen werden regelmäßig Konsumenten von Partydrogen beraten. Der erste Kontakt zu den Wirkstoffen entsteht dabei häufig über den Freundeskreis oder das soziale Umfeld.
Drogen zur Gefühlsregulierung
Auch Simon (Name geändert), der seit einigen Jahren im Kreis Esslingen wohnt, macht seine erste Erfahrung mit Partydrogen durch einen Freund, der dem damals Zwanzigjährigen Speed anbietet. In den vier Jahren, die seitdem vergangenen sind, experimentiert er mit zahlreichen Substanzen, darunter Ecstasy, Kokain, Ketamin, LSD, Pilze und Gras. Aktuell greife er mindestens zweimal im Monat zu Partydrogen, erzählt Simon. „Meistens ist das, wenn ich mit meinen Freunden im Techno-Club feiern gehe.“
Noch immer sein liebster Wachmacher auf der Tanzfläche: Speed, auch Pep genannt, das zu der Gruppe der Amphetamine zählt und in Pulverform meist durch die Nase gezogen wird. „Man verliert die Hemmungen und ist ziemlich empfindlich für äußere Einflüsse wie Töne oder Berührungen“, beschreibt Simon. „Anfangs ist man fokussiert und extrem wach. Je mehr man konsumiert, desto blöder wird man. Man merkt, wie das Gehirn ausschaltet.“
Renate Mahle betont, dass Suchtmittel in jedem Fall zur Gefühlsregulierung genutzt werden. Durch die Drogen können sowohl positive Emotionen herbeigeführt und verstärkt als auch negative Emotionen betäubt und unterdrückt werden. Risikofrei ist das allerdings nicht: Es können diverse psychische und körperliche, zum Teil sogar lebensgefährliche Probleme auftreten.
Eine ganz wesentliche Gefahr der Drogen liege auch in deren hohem Abhängigkeitspotential, ergänzt die Suchttherapeutin. Dabei werde von einer Entwicklung in mehren Stufen ausgegangen. „Die Entstehung einer substanzbezogenen Störung ist meist ein schleichender Prozess, der sehr individuell ist“, so Mahle.
Man weiß nie, was man nimmt
Unter Langzeitfolgen des Konsums von Speed, MDMA & Co. hat Simon nach eigener Aussage bis dato nicht zu kämpfen. „Wenn ich am Wochenende viel schmeiße, bin ich am Montag ein bisschen schlapp, aber das legt sich am Dienstag eigentlich wieder“, erzählt der 24-Jährige. Als Problem sieht er die Partydrogen nicht. Anders als Gras seien die chemischen Substanzen nichts, auf das er nicht verzichten könne. Am Wochenende freue er sich in erster Linie auf besondere Veranstaltungen und DJs; die Drogen seien dabei zweitrangig.
Simon räumt jedoch ein, dass der Konsum in der Technoszene zum Teil extreme Ausmaße annehme: „Vor allem auf Afterpartys sieht man oft ein Konsumverhalten, bei dem man sich denkt: Was geht hier denn ab? Dir werden auch Sachen angeboten, die du einfach nicht nehmen willst.“ Von härteren Drogen wie Heroin oder Fentanyl halte er sich grundsätzlich fern; wobei es gar nicht so leicht sei, diese Grenzen einzuhalten, so Simon. In Deutschland gäbe es schließlich kaum Möglichkeiten, seine Drogen testen zu lassen. „Man weiß nie, was man eigentlich nimmt“, kritisiert er. „Ein Kollege hat sich einmal Pep gekauft und wurde hinterher positiv auf Crystal Meth getestet. Bei diesen chemischen Sachen kann man sehr schnell abrutschen.“
Renate Mahle erklärt, dass die Drogensucht oft mit einer Verharmlosung des Konsums einhergeht. Abhängige belügen oft nicht nur ihr Umfeld, sondern auch sich selbst. „In der Regel braucht es einen guten Grund, einen Anstoß von außen, um zu erkennen, dass der Konsum Probleme schafft“, berichtet die Suchtberaterin. Dieser Anstoß könne zum Beispiel in Form von rechtlichen Konsequenzen sowie Problemen am Arbeitsplatz oder in der Beziehung kommen.
Für Simon wäre der Verlust der Kontrolle ein triftiger Grund, um seinem Partydrogenkonsum ein Ende zu setzen. „Würde ich feststellen, dass ich ohne die Substanz nicht mehr klarkomme oder merken, dass sie mich mehr einnimmt, als sie sollte, würde ich sofort aufhören“, beteuert er. Bisher sehe er da allerdings noch keinen Handlungsdrang.
Hilfe für Abhängige
Für Menschen, die sich nicht sicher sind, ob ihr Konsum bereits einen Suchtcharakter angenommen hat, empfiehlt Renate Mahle als Messinstrument die sogenannten „ICD 10 Kriterien“, mithilfe derer eine Diagnose gestellt werden kann. Auch gebe es im Internet eine Vielzahl von Selbsttests, die bei einer Einschätzung helfen können.
Sind Freunde oder Angehörige betroffen, sei es in erster Linie wichtig, nicht wegzusehen. „Es braucht für den Konsumenten die Rückmeldung von anderen, um eine Motivation zur Veränderung zu entwickeln“, so Mahle. Fingerspitzengefühl sei bei einer solchen Konversation essenziell. „Man muss sich darauf einstellen, dass erstmal alles abgestritten oder verharmlost wird. Am besten bereitet man sich gut darauf vor.“
Das Angebot der Beratungsstelle für Sucht und Prävention richtet sich nicht nur an Abhängige, sondern auch an Menschen, die diesen nahestehen. Die Gespräche sind immer kostenfrei und fallen unter die Schweigepflicht. Wer ganz anonym bleiben möchte, hat die Möglichkeit, sich über die „DigiSucht“-Webseite an die Beratungsstelle zu wenden.
Ein Termin kann telefonisch unter 0 7 11/39 02 48 48 0 vereinbart werden.
Wissenswertes zu Partydrogen
Unter den Begriff fallen Substanzen, die überwiegend im Kontext von Feiern konsumiert werden. Dazu zählen Wirkstoffe wie Ecstasy, Kokain, Amphetamine, Ketamin, LSD und GHB.
Eingenommen werden die Drogen in der Regel entweder oral in Pillenform (Beispiel: Ecstasy), nasal als Pulver (Beispiel: Speed) oder als Tab, der auf die Zunge gelegt wird (Beispiel: LSD).
Körperlich können Nebenwirkungen wie Herzrasen, Kreislaufprobleme, Krampfanfälle, Schweißausbrüche und Atemnot auftreten. Im schlimmsten Fall können lebensgefährliche Probleme wie ein Herzinfarkt, Organ- oder Hirnschäden ausgelöst werden.
Psychisch können die Drogen unter anderem Depressionen, Wahnvorstellungen und Angstzustände hervorrufen.
Unbekannte Inhaltsstoffe sowie eine unklare Dosierung von Partydrogen erschweren die kontrollierte Einnahme.