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Pasta a la Insecta im Kochtopf

Ernährung Pünktlich zum 25-jährigen Firmenjubiläum steigt das Zeller Unternehmen Bull und Bear in den Handel mit Nudeln aus Insektenmehl ein und will damit auch Gutes tun. Von Daniela Haußmann

Wer sich etwas traut, der kann auch etwas erreichen“ - ein Sprichwort, wie für Rolf Rilling gemacht. Der Inhaber des Zeller Unternehmens Bull und Bear ist dafür bekannt ungewöhnliche Wege zu gehen. Mit dieser Eigenschaft prägt er seit 1993 die Geschichte der auf Geschenkartikel spezialisierten Aktiengesellschaft. Als Rilling den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, war sein Unternehmen bundesweit das erste, das sich in diesem Segment auf die Finanz- und Versicherungswirtschaft als Kunden konzentrierte. Jetzt verlässt der Geschäftsmann wieder ausgetretene Pfade: Ab März ergänzen Nudeln, die zu zehn Prozent aus Insektenmehl bestehen, das Sortiment.

Eine Entscheidung, die Rolf Rilling ganz bewusst getroffen hat, wie er in der Zeller Gemeindehalle am Samstag betonte. Dort feierte er mit seinen Beschäftigten und rund 360 Gästen seinen 60. Geburtstag und das 25-jährige Bestehen von Bull und Bear. In den letzten Monaten hat sich Rilling eingehend mit Entomophagie beschäftigt. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich die wissenschaftliche Bezeichnung für den Verzehr von Insekten. Rilling ist überzeugt, dass die Nachfrage nach derartigen Produkten künftig steigen wird - schon allein aus ökologischer Notwendigkeit. „Die Mengen an Düngemittel, Wasser und Energie, die für die Insektenzucht erforderlich sind, fallen weitaus geringer aus, als bei der Viehzucht“, gab Rolf Rilling zu bedenken.

Zehn Mal weniger Futter

Um ein Kilogramm Körpermasse zu produzieren, benötigen die Krabbeltiere im Vergleich zu Rindern zehn Mal weniger Futter und 2 500 Mal weniger Wasser. Außerdem haben die Züchter einen 100 Mal geringeren Zeitaufwand bei der Aufzucht, wie der Experte berichtete. Gleichzeitig sind Insekten längst nicht so landabhängig wie Schweine oder Rinder. „Im Vergleich zur traditionellen Viehproduktion kommen sie mit einer rund 200 Mal kleineren Fläche aus. Obendrein wird der Treibhausgasanteil pro Kilogramm Wachstum bei der Insektenzucht um 100 Prozent gesenkt“, erzählte Rilling beim Firmenjubiläum. Insgesamt lasse sich so ein wertvoller Beitrag zum Ressourcen-, Umwelt-, Klima- und Naturschutz leisten.

Rolf Rilling kann sich bei der Einführung des Produkts auf höchste Stellen berufen. Bis 2030 wird nach Schätzung der Welternährungsorganisation FAO die Weltbevölkerung von aktuell über 7,6 Milliarden Menschen auf neun Milliarden anwachsen. Der globale Bedarf an Lebensmitteln, insbesondere an tierischen Proteinquellen, kann deshalb nicht ohne Entomophagie abgedeckt werden, ist die FAO überzeugt. Aber auch Naturgüter, wie Boden, Luft, Wasser, Rohstoffe oder die genetische Vielfalt, lassen sich durch Insektenverzehr schonen. Rolf Rilling versicherte, dass die Tiere einen gesundheitlichen Nutzen mitbringen. Nicht nur weil sie viele essenzielle Aminosäuren, Vitamine und Mineralien enthalten, sondern bei der Aufzucht weder Hormone, noch Antibiotika oder Chemikalien zum Einsatz kommen.

Wenn die kleinen Krabbler aber irgendwann einmal in Massen für den menschlichen Verzehr auf engem Raum produziert werden sollten, dürfte sich das ändern. Rolf Rilling räumte ein, dass der Einsatz von Medikamenten wahrscheinlich ist, wenn Abermillionen Insekten auf Farmen gezüchtet werden. Schließlich gelte es bei solchen Mengen, Krankheiten zu vermeiden. „Momentan werden sie aber in überschaubaren Manufakturen gezüchtet“, so der Unternehmer. „Außerdem gibt es keine grausame Tötungsprozedur, denn durch Kühlung werden die Tiere in den ewigen Winterschlaf versetzt.“ Bundesweit gibt es nur zwei Firmen, die die aus Insektenprotein bestehenden Nudeln anbieten. Das sind Bull und Bear und der Pforzheimer Hersteller Plumento Foods. Rolf Rilling war bei der Jubiläumsfeier deshalb überzeugt, dass sich sein Unternehmen so von Start-ups abgrenzen kann, die derzeit mit günstigen Preisen auf den Geschenkartikelmarkt drängen.