Zwischen Neckar und Alb
Pendlerströme schwellen an

Verkehr Im zweiten Quartal meldet der Verkehrsverbund Stuttgart einen Zuwachs der Fahrgastzahlen von 2,8 Prozent. Landrat Eininger möchte Kapazitäten weiter ausbauen. Von Roland Kurz

Esslingen Die Zahl der Fahrgäste im Stuttgarter Verkehrs- und Tarifverbund VVS hat dank der Tarifreform deutlich zugenommen. Je nach Rechenart kommt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler im zweiten Quartal auf ein Plus von 2,6 Prozent oder - wenn man nur die von der Reform betroffenen Tickets betrachtet - sogar auf plus 4,8 Prozent. Der Esslinger Landrat Heinz Eininger, der gemeinsam mit Stammler die erste Bilanz präsentierte, drückte sich vorsichtig aus: „Die Zuwächse erreichen unsere Erwartungen.“ Dabei sah er aber mehr als zufrieden aus, zumal er von Stammler als „Motor der Tarifreform“ gelobt wurde.

Die Bürger im Kreis Esslingen haben vermutlich am meisten von der Tarifreform für Bus- und Bahntickets am 1. April profitiert, denn hier war das Gefüge am unübersichtlichsten und teuer. Statt 15 Tarifzonen gibt es im Landkreis nur noch vier Zonen. In die nächstgelegene Kreisstadt kommt der Fahrgast in der Regel mit einem Ticket für eine Zone. Für den Esslinger kostet die Fahrt nach Stuttgart statt 4,20 nur noch 2,90 Euro, sogar nach Ludwigsburg kommt er zu diesem Preis. Ein Jahresticket von Nürtingen nach Stuttgart belastet den Geldbeutel noch mit 119 Euro monatlich, bisher waren es 163 Euro.

Was der VVS weniger einnimmt, müssen die Landkreise und die Landeshauptstadt mehr drauflegen. Der Kreis Esslingen ist dieses Jahr mit 3,7 Millionen Euro mehr dabei. Der Betrag steigt bis 2025 auf 6,5 Millionen Euro, weil das Land schrittweise aus der Bezuschussung der Tarifreform aussteigt. Eininger dankte der Landesregierung dennoch dafür, dass sie die Reform unterstützt.

Stehen erst am Anfang

Die besten Zahlen meldet der VVS beim Tagesticket, das mit der Reform besonders günstig wurde. 14 Prozent mehr wurden im ersten Halbjahr 2019 verkauft. Deutlich spürbar macht sich die Reform auch im Berufsverkehr, sagte Stammler. Von April bis Juni stieg die Zahl der verkauften Zeittickets um 6,2 Prozent. Der Zuwachs hat sich im Vergleich zum ersten Quartal (2,8 Prozent) mehr als verdoppelt. Die Firmentickets „boomen auf hohem Niveau“, verkündet der VVS. Im ersten halben Jahr verzeichnete der Verbund ein Plus von knapp zehn Prozent. Fast 90 000 Arbeitnehmer fahren inzwischen damit zur Arbeit - und immer mehr Unternehmen bezuschussen das Firmenticket, das steuerfrei ist. Das Landratsamt ist dabei: 75 Prozent Zuschuss zahlt der Landkreis an seine Beschäftigten. „Damit sind Sie spitze“, kommentierte Stammler. Auch mehr normale Jahrestickets verkaufte der VVS, plus 3,5 Prozent im ersten Halbjahr.

VVS-Geschäftsführer Stammler ist überzeugt, dass das starke Wachstum noch eine Weile anhält: „Wir stehen erst am Anfang.“ Erfahrungsgemäß bräuchten alle Neuerungen zwei bis drei Jahre, bis sie voll greifen. Nicht alles brummt. Ergänzt wird die Tarifreform durch die Einführung von Stadttickets. Damit nicht jede Stadt ihr eigenes Angebot schafft, hat der VVS das Ticket für drei Euro empfohlen. In Esslingen sind seit April schon mehr als 100 000 Tickets verkauft worden. 2020 steigen weitere Städte im Landkreis ein: Filderstadt, Kirchheim, Leinfelden-Echterdingen, Plochingen und Reichenbach.

Leicht rückläufig sind die Zahlen im Ausbildungsverkehr: minus 0,6 Prozent in diesem Jahr. Der VVS kann nichts dafür: Die Zahl der Studenten und Schüler sinkt.

Mit Tarifreform und stufenweiser Taktverdichtung ist es nicht getan. Landrat Eininger betonte: „Nun ist es wichtig, in den Ausbau der Kapazitäten zu investieren. Zu einem attraktiven Preis gehört nämlich auch ein attraktives Angebot.“ Zum einen müssten zum besseren S-Bahn-Takt auch die entsprechenden Busanschlüsse geschaffen werden. Im Dezember, zum Fahrplanwechsel, wird die dritte Stufe der Taktverdichtung kommen: Das Mittagsloch zwischen 12 und 15 Uhr wird geschlossen. Bis 2021 will der VVS den Viertelstundentakt ganztägig verwirklichen. An drei Stellen im Kreis Esslingen warten die Bürger auf neue Schienenverbindungen. Die Schienen für die Stadtbahn U 6 vom Fasanenhof zu Flughafen/Messe kann man schon erkennen. 2022 ist die Inbetriebnahme geplant. Auch die U 5 in Leinfelden-Echterdingen soll dann eine Station weiter sein. Weniger erfreulich ist die Entwicklung bei der S-Bahn nach Neuhausen, die erst 2026 fertig sein soll.