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„Permakultur ist nichts für Faule“

Garten Michael Ernst ist Leiter der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim und Experte für die besondere Anbauweise. Dazu spricht er bei einer Veranstaltung des Notzinger Obst- und Gartenbauvereins. Von Katja Eisenhardt

Dr. Michael Ernst ist Leiter der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim und Experte zum Thema Permakultur. Foto: pr

Ein Permakultur-Garten bildet einen in sich geschlossenen Kreislauf. Bei der nachhaltigen und vor allem naturnahen Anbauweise werden widerstandsfähige und gut funktionierende Ökosysteme nachgeahmt. In Deutschland hat sich das Prinzip der Permakultur in den letzten Jahren zum Trend im Gartenbau entwickelt. Michael Ernst erklärt, wie sich das Prinzip im heimischen Garten anwenden lässt.

 

Was bedeutet „Permakultur“?

Michael Ernst: Hinter dem Begriff „permanent agriculture“ verbirgt sich eine Wirtschaftsweise, bei der der Boden möglichst immer mit Pflanzenbewuchs beziehungsweise Mulch bedeckt ist. Der Boden wird nur minimal bearbeitet und auf Pflug oder Spaten im Idealfall komplett verzichtet. Permakultur ist allerdings mehr: Ähnlich der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, bei der die Anthroposophie dahintersteht, ist Permakultur eine Weltanschauung oder Lebenseinstellung, die sich durch alle Bereiche des Lebens zieht.

Wer hat sie geprägt?

Ernst: Der Begriff „permaculture“ wurde vermutlich zuerst vom Agrarwissenschaftler Franklin Hiram King (USA) im Jahr 1911 verwendet, als er eine bestimmte Wirtschaftsweise in Japan, China und Korea beschrieb. Der japanische Mikrobiologe und Landwirt Masanobu Fukuoka (1913 – 2008) hat auf Grundlage einer zen-buddhistischen Philosophie ein Anbausystem für die

 

Die Permakultur erfordert die stete Präsenz des Gärtners als Teil des Gartens.
Dr. Michael Ernst

 

Landwirtschaft entwickelt, bei der die Minimalbodenbearbeitung und Leguminosen als Stickstoff-Lieferanten eine zentrale Bedeutung hatten. Der Australier Bruce Charles „Bill“ Mollison (1928 – 2016) entwarf das Konzept einer nachhaltigen Landwirtschaft unter Berücksichtigung von Kreisläufen. Zusammen mit seinem Schüler David Holmgren wurde das Anbausystem zu einer Weltanschauung und sozialen Bewegung erweitert. Im Öko-Anbau in Europa war die Kreislaufwirtschaft bereits etabliert. Heute gibt es weltweit viele unterschiedliche Ausprägungen von Permakultur. In Deutschland wurde sie in den letzten Jahren zu einem Trend. In den 2020er-Jahren wurden mehr als zehn Bücher im deutschsprachigen Raum zu diesem Thema publiziert und dabei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.

Dr. Michael Ernst ist Leiter der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim und Experte zum Thema Permakultur. Foto: pr

Was ist das Ziel der Permakultur? 

Der Gärtner soll nicht als „größter Schädling“ in seinem Garten auftreten, sondern als Teil des Gartens lenkend und dirigierend und unter Berücksichtigung von (Nährstoff-) Kreisläufe eingreifen. Es geht dabei um den Ertrag, um Qualität, Biodiversität und Nachhaltigkeit. 

Worauf muss man achten?

Bei der Gartengestaltung sind verschiedene Aspekte zu beachten, vor allem aber die natürlichen Standortfaktoren wie Klima und Boden, wobei insbesondere auch kleinklimatische Verhältnisse berücksichtigt werden sollten. So platziert man den Kompost an einem schattigen Standort, Schatten werfende Gehölze eher an der Nordseite, und zum Westen hin kann eine Windschutzbepflanzung mit einjährigen oder mehrjährigen Pflanzen etabliert werden. 

Wie wirken sich regionale und klimatische Unterschiede aus?

Durch geschickte Nutzung der örtlichen Gegebenheiten wie einer Hauswand oder leichten Geländemodellierungen wie einem Kraterbeet können kleinklimatisch günstige Situation genutzt und geschaffen werden. Grundsätzlich gilt, bei der Permakultur in besonderer Weise, dass die Pflanzenauswahl standortgerecht erfolgen soll. Nur so entwickeln sich gesunde Pflanzen. Süßkartoffel, Artischocke oder Wein funktionieren problemlos eben nur in warmen Regionen. Auch auf den richtigen Anbauzeitraum sollte geachtet werden und zum Beispiel Spinat im Frühjahr und Herbst, aber nicht im Hochsommer angebaut werden. Zum Überwinterungsanbau eignet sich etwa die
Spinatsorte „Matador“. Wer bei der Biodiversität auf den Erhalt alter Sorten achten möchte, sollte regionale wie „Stuttgarter Riesen“ oder „Neckarperle“ pflanzen. Hybridsaatgut sollte man eher nicht verwenden. 

Wird die Permakultur im Gartenbau und der Landwirtschaft umgesetzt?

Derzeit nicht flächendeckend, aber viele Elemente davon. Minimalbodenbearbeitung, Zwischen- und Winterbegrünung sowie organischer Mulch sind nicht nur im ökologischen Anbau verbreitet. Permakultur ist keine Anbauweise für „Faule“. Sie erfordert die stete Präsenz des Gärtners als Teil des Gartens, auch wenn nur minimal eingegriffen wird. Wird an einer Stelle etwas abgeerntet, dann wird dort auch wieder gepflanzt. Der großflächige Einsatz von Maschinen ist dabei nicht möglich, deshalb finden wir im Erwerbsgartenbau das Prinzip der Permakultur vor allem in kleinen, sogenannten Marktgärtnereien. An Hochschulen wird über KI-gestützte Robotik nachgedacht, um so die Permakultur auch großflächig umzusetzen. Ob das wirklich ein zukunftsfähiger Ansatz ist, vermag ich derzeit nicht zu beurteilen.

Braucht es für Permakultur besondere Voraussetzungen?

Da, wo Gemüsebau möglich ist, ist auch Permakultur möglich. Man muss natürlich nicht sofort den ganzen Garten umstellen, sondern kann diesen Weg schrittweise gehen. Bei der Permakultur werden die Pflanzen, die auch jetzt schon im Garten gedeihen, so kombiniert, dass eine permanente Bodenbedeckung gegeben ist und sich die Pflanzen gegenseitig begünstigen, so wie das aus der Mischkultur bekannt ist. Beispiele wären Möhre und Speisezwiebel oder Lauch und Pastinake. Zuckermais kann als Stützkultur für Bohnen dienen. Kartoffel und Tomate sollten eher nicht kombiniert werden. Tagetes kann als Feindpflanze bei Tomate oder Zwiebel eingesetzt werden.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf Anpflanzungen in unserer Region aus?

Die Winter werden sicher milder. Das heißt etwa, dass Artischocken bei uns überwintern, Mangold länger geerntet werden kann und bestimmte Winterkulturen wie Spinat, Lauch, Rosenkohl oder auch Endivie in den Wintermonaten besser wachsen. Die Sommer werden tendenziell heißer und trockener, sodass Kulturen wie Süßkartoffel, Melonen, aber auch Pflanzen wie Physalis, Freiland­tomate oder Paprika besser gedeihen.

Haben Sie selbst einen Permakulturgarten?

In den 80er-/90er-Jahren hatte ich einen Permakulturgarten und in einer dauerhaften Weißkleeeinsaat das Gemüse kultiviert. Derzeit habe ich nur am Wochen­ende Zeit für meinen Garten und das auch nicht an jedem, sodass ich wieder zur klassischen „Vier-Felder-Wirtschaft“ zurückgekehrt bin. Mit Mulch arbeite ich nach wie vor, auf das Umgraben verzichte ich weitgehend und Leguminosen pflanze ich zur Stickstoff-Fixierung an. Aber ich habe derzeit keinen typischen Permakulturgarten.

 

Zur Person. Dr. Michael Ernst ist seit 2015 Leiter der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim. Er studierte Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim mit den Schwerpunkten Pflanzen- und Gemüseanbau und promovierte im Fachgebiet Gartenbau. Zur Forschung war er in Norwegen und den USA sowie im Rahmen von Kooperationsprojekten mehrmals im Nordirak, in Spanien und Italien. Aktuell sind er und sein Team dabei, wasser- und energieautarke Hochbeete für Burundi zu entwickeln. Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit (Gemüseanbau in den Tropen und Subtropen) war Michael Ernst in Simbabwe tätig. Er ist auf der Ostalb geboren und aufgewachsen und lebt heute auf der Münsinger Alb. Er war in TV-Sendungen wie „Mein leckerer Garten“, „Mein Garten – Dein Garten“, „Kaffee oder Tee“, „Marktcheck“ oder auch „Planet Wissen“ zu sehen. Seit 2021 steht Michael Ernst nicht mehr vor der Kamera.

 

„Permakultur im Hausgarten“

Der Obst- und Gartenbauverein Notzingen lädt am Mittwoch, 13. März ab 19 Uhr zu einem Vortrag mit Dr. Michael Ernst zum Thema „Permakultur im Hausgarten“ in die Gemeindehalle ein. Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei. eis