Weilheim und Umgebung
Peterskirche: Musikalisches Zeichen für den Frieden

Konzert Junge Künstlerinnen und Künstler haben mit A-cappella-Gesang und Orgelmusik beim Benefizkonzert für die Ukraine in der Weilheimer Peterskirche das Publikum begeistert. Von Hans-Günther Driess

Angesichts der Ohnmacht des neuen Krieges in Europa und dem Willen, einen Beitrag zum Frieden zu leisten, hat in der gut gefüllten Peterskirche in Weilheim ein Benefizkonzert für die Ukraine stattgefunden. Ein junges Vokal­ensemble unter Leitung von Anna-­Maria Wilke und Leo Hölldampf spannt mit Kompositionen zum Thema „Sehnsucht nach Frieden“ einen Bogen vom Frühbarock bis in die Moderne. Auch ukrainische Lieder, Gesänge aus Taizé und Orgelmusik werden zu Gehör gebracht.

Das Vokalensemble erfüllt schon nach wenigen Takten die Erwartung auf ein außergewöhnliches Hörerlebnis durch feinsten A-cappella-Gesang mit reiner Intonation, gut austarierter Klangbalance und angenehmem Timbre in allen Stimmen. „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr, Gott in unsern Zeiten“ von Heinrich Schütz (1585 –  1672) bildet den passenden Auftakt des Konzerts. Die geist­liche Chormusik aus dem Jahr 1648 ist wie das Leben des Komponisten vom Dreißigjährigen Krieg geprägt, den er in voller Länge miterleben musste. 

Gebet an die Macht der Liebe

Nach der Begrüßung durch Pfarrer Matthias Hennig erklingt „Ich bete an die Macht der Liebe“ von Dmitri Stepanowitsch Bortnjanski, der sowohl in der russischen als auch in der ukrainischen Musikgeschichte einen prominenten Platz einnimmt. Er ist in der Ukraine geboren und aufgewachsen und wirkte viele Jahre am russischen Zarenhof in St. Petersburg als Hofkapellmeister. Die Melodie von „Ich bete an die Macht der Liebe“ wurde zu einer „Inoffiziellen Hymne“ Russlands. Sie erklang bis 1917 täglich vom Glockenturm des Kremls in Moskau. Das Vokalseptett gestaltete dieses Lied wie ein inniges Gebet, ebenso das nachfolgende in Ukrainisch gesungene Geistliche Chorkonzert „Zyvyj v pomosci Vysnjaho“ (Wer im Schutze des Höchsten wohnt).

Leo Hölldampf zeigt in der Fantasie g-Moll von Johann Sebas­tian Bach an der Orgel Virtuosität und feines Gespür für den Ausdruck zwischen Schwermut und Hoffnung. Statt der bekannten g-Moll-Fuge wählte er die Schlussfuge aus der h-Moll-Messe zur Verstärkung der Bitte nach Frieden. Stimmgewaltig intonierten die Sängerinnen und Sänger von der Empore aus mit Orgel- und Paukenbegleitung die ukrainische Nationalhymne „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben“ und setzten damit ein zu Herzen gehendes Zeichen.

In seinen Variationen der Hymne stellt der Organist seine Kreativität unter Beweis mit farbenreichen Registrierungen, die gegen Ende düsterer klangen, ehe die Harmonien zunehmend dünner wurden und in ein sprödes Unisono mündeten. Der Prälat i.R. Paul Dieterich vermittelt dann in seiner Ansprache ohne moralischen Druck, dass Beten und Handeln zusammengehören. Im Adagio aus der Sonate F-Dur von Arcangelo Corelli erklingt das Horn von Katharina Müller wie ein trös­tendes Gebet. Im Kirchenschiff herrscht andächtige Stille und einige Zuhörerinnen und Zuhörer verinnerlichten die Musik mit geschlossenen Augen.

Stück über die Kriegsangst

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs, im Winter 1914/15, schrieb Maurice Ravel Chansons für gemischten Chor auf eigene Texte. In „Trois beaux oiseaux“ (Drei schöne Vögel aus dem Paradies) hat Ravel die Ängste seiner Zeitgenossen im Krieg eingefangen. In dem beeindruckenden impressionistischen Klanggemälde lässt Anna-Maria Wilke ihren Solosopran herrlich leuchten über den verschwimmenden Konturen liegender Chor­akkorde. Sie singt das volkstümlich schlichte Lied eines klagenden Mädchens, dessen Geliebter im Kampf gefallen ist. Auch der Tenor Daniel Schmid und der Bassist Julius Saur setzten Glanzpunkte mit ihren Soli.

Die Motette „O Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens“ op. 37/1 hat Kurt Hessenberg für sechsstimmigen gemischten Chor a cappella nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1946 komponiert. Mit sicherem Dirigat führt Anna-Maria Wilke das Vokalensemble in einer exzellenten Interpretation durch das anspruchsvolle Werk mit seinen komplizierten modernen Akkordgängen. Der großartige Chorklang wechselt zwischen karger Harmonik mit Hohlakkorden und Dissonanzen zur Darstellung der unwirtlichen Atmosphäre des Krieges, dramatischer Auflehnung durch Crescendi und dem erlösenden Eintauchen in Dur-Akkorde. Für den ersehnten Frieden steht das oft wiederholte „Amen“! Das Publikum spart nicht mit Applaus und bekommt zwei Zugaben.

Überraschung nach dem Konzert

 

Dank vieler großzügiger Spenden der Besucherinnen und Besucher können 3993 Euro über die „Diakonie-Katastrophenhilfe“ direkt verwendet werden für die Unterstützung der ukrainischen Zivilbevölkerung. Die Menschen befinden sich teilweise auf der Flucht und teilweise in Gebieten mit Kampfhandlungen. Die Diakonie stellt mit europäischen Partnerorganisationen vor Ort Notunterkünfte, Trinkwasser und Nahrungsmittel bereit. 

Eine hocherfreuliche Überraschung erlebte Pfarrer Matthias Hennig dann noch am Morgen nach dem Konzert: Eine Weilheimer Familie bietet ihre Zweizimmerwohnung für eine ukrainische Familie als Unterkunft an. hgd