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Pfarrer Wilfried Veeser: Der „Ingenieur“ für Beziehungen verabschiedet sich in den Ruhestand

Festgottesdienst Der Menschenfreund und evangelische Pfarrer Wilfried Veeser wird am morgigen Sonntag in der Dettinger St. Georgskirche um zehn Uhr nach 22 Jahren feierlich verabschiedet. Der Gottesdienst wird online übertragen. Von Iris Häfner

Die Dettinger sind Wilfried Veeser in den vergangenen Jahrzehnten sehr ans Herz gewachsen. „Ich bin dankbar, dass ich hier so lange tätig sein zu durfte. Dettingen ist in positivem Sinne ein besonderes Pflaster“, beschreibt er nicht nur seine Gemeindemitglieder, sondern alle Dettinger Bürgerinnen und Bürger, egal welchen Glaubens. Das Miteinander wird hier großgeschrieben. 

Mitten unter den Menschen sein, ist Wilfried Veeser ein Herzensanliegen. „Die Kirche steht in der Mitte des Dorfs, dank unserer kirchlichen Kindergärten kommen


„Nach dem Studium hatte ich keine Ahnung, wie die Menschen ticken.
Wilfried Veeser

 

die Leute auch zu uns und mit uns Gespräch. So können wir als Kirche zum Gemeinweisen in Dettingen beitragen“, sagt der scheidende Pfarrer. „Als ich ankam, waren es fünf Gruppen, heute sind es zehn. Wir haben ein super Verhältnis zur bürgerlichen Gemeinde, die Qualität der Einrichtungen unterscheidet sich nicht. Bei uns kommt halt noch die Religionspädagogik dazu.“

Im Alter von 16 Jahren erwachte bei ihm das Interesse an Theologie. Nach dem Abitur musste er „die Hürde der alten Sprachen nehmen“. Latein und Griechisch büffelte er in Stuttgart, später kam in Tübingen noch Hebräisch dazu. Seine erste Station nach dem Studium führte ihn als Vikar nach Bonlanden auf den Fildern, danach war er Pfarrverweser in Hochwang. „Als Vikar habe ich gemerkt, dass ich den Kopf voller Theologie hatte, aber keine Ahnung davon, wie die Menschen ticken, was eine Depression ist – und Eheprobleme konnte ich mir gar nicht vorstellen, frisch verheiratet wie ich war“, verrät Wilfried Veeser. Das sollte sich von nun an grundlegend ändern. „Ab da habe ich begonnen, Seelsorge zu betreiben, damit mir die Weisheit nicht durch die Lappen geht.“

Seelsorge stand fortan im Vordergrund, und er bildete sich im Bereich Lebensberatung weiter. Dieses Wissen vermittelte er zehn Jahre lang als Referent in der Landeskirche in ganz Württemberg und darüber hinaus. Ende 1998 entschloss er sich, mit 50 Prozent wieder in den kirchlichen Dienst zurückzukehren. Die anderen 50 Prozent widmete er seiner eigenen Beratungspraxis in Kirchheim. „1999 kam ich dann nach Dettingen zur Unterstützung von Pfarrer Heiko Krimmer, jetzt ist es Pfarrer Daniel Trostel“, erzählt er. 

Eine Herausforderung für ihn und die Gemeinde war die Sanierung des alten Gemeindehauses. „Die Frage lautete: Was machen wir mit dem Gebäude, als sich herauskristallisierte, es nicht zu verkaufen. Die Kirchengemeinde musste die Sanierung selbst stemmen“, erinnert er sich. So wurde es Heimat für das Buchcafé, die Jugendarbeit und das Familienzentrum. Ein umfangreiches Fundraising mit vielen Aktionen sorgte für die Finanzierung. „Wir haben den ersten württembergischen Fundraising-Preis bekommen“, ist Wilfried Veeser heute noch stolz darauf. Über 300 000 Euro sind damals zusammengekommen. „Wenn man die Menschen und ihr Herz erreicht, gewinnt man Mitarbeiter und bekommt das benötigte Geld“, ist sein Erfahrung.

„Wir gehen Hand in Hand, wenn es um die Menschen geht, insbesondere wenn es um das Wohl der Familien in Dettingen geht“, freut er sich über die gute Zusammenarbeit zwischen kirchlicher und weltlicher Gemeinde. „Das ist schon faszinierend, wie gut das funktioniert – wir waren Vorreiter an vielen Stellen. Wenn man Kräfte bündelt, kommt echt was dabei raus.“ Die Interessen junger Familien zu unterstützen, war ein Schwerpunkt seiner Arbeit. „Da konnte ich mich mit meinen sozialwissenschaftlichen Kenntnissen voll reinlegen, es war eine Tätigkeit, die ich sehr gern gemacht habe“, sagt der Vater von vier Kindern, der sich zwischenzeitlich auch über fünf Enkel freuen kann. Auf die Frage, was er denn so in seiner Praxis macht, antwortet er gerne: „Ich bin Menschenarbeiter – ,Ingenieur’ für Beziehungen.“ 

Eines bedauert Wilfried Veeser jedoch: „Es schmerzt mich, dass es wegen Corona keinen Ständerling nach dem Gottesdienst gibt.“ Mit Dettingen wird Wilfried Veeser aber weiterhin verbunden bleiben und ganz aus dem Berufsleben verabschiedet er sich nicht. In seiner Praxis für Coaching und Beratung wird er auf den Schafhof in Kirchheim, wo er wohnt, weiterhin anzutreffen sein. „Von meinem Wohnzimmer kann ich den Dettinger Kirchturm sehen – und je nachdem, wie die Sonne steht, sogar den Owener.“

 

Info Die Verabschiedung von Pfarrer Wilfried Veeser findet am morgigen Sonntag um 10 Uhr in der St. Georgskirche in Dettingen statt. Der Präsenz-Gottesdienst mit Kirchen- und Posaunenchor wird live übertragen. Es wird drei kurze Grußworte von Bürgermeister Rainer Haußmann, Pfarrer Daniel Trostel und der Kita-Leiterin Christiane Breuers geben.