Pilger sind seit der Spätantike unterwegs. Selbst die Teilnehmer der Kreuzzüge ins Heilige Land verstanden sich damals als bewaffnete Pilger. Zu den bekannten Pilgerstrecken gehört der Jakobsweg, der von vielen Teilen Europas nach Spanien führt. Dort gehört Santiago de Compostela seit dem neunten Jahrhundert zu den berühmten Pilgerstätten. Große und bedeutende Streckenabschnitte des Jakobsweg führen auch durch Baden-Württemberg, die stilisierte Jakobsmuschel weist den Wanderern den Weg.
Für den Fotoreporter Rainer Hauenschild gewann die Muschel seit dem Jahr 2016 an Bedeutung, als dieser bei Wanderungen in der Schurwaldregion immer wieder dem Symbol begegnete. „Ich wollte mehr über den Jakobsweg erfahren und sammelte in Büchern und in den sozialen Medien weitere Informationen.“ Es folgte ein näherer Kontakt mit der Jakobsweg-Gesellschaft und Rainer Hauenschild war vom Wegenetz durch die Region Esslingen so begeistert, dass er beschloss, sich ehrenamtlich als Wege-Pate für einen Teilabschnitt zu engagieren. „Seit einigen Tagen betreue ich jetzt die Strecke von der Plochinger Ebene bis nach Bodelshofen“, freut sich der Journalist.
Eine große Umstellung bedeutet das Ehrenamt zwar nicht, aber es gibt doch einiges zu tun. „Ich kontrolliere den Weg zwischen Plochingen und Bodelshofen, schaue, ob die wegweisenden Muschelsymbole ausgebleicht oder zugewachsen sind. Gleichzeitig will ich aber auch Ansprechpartner für die vielen Pilger sein, die sich auf den Weg machen.“
Für Rainer Hauenschild ist klar, dass er den Jakobsweg bewerben will. „Ich bin auf meinen Wanderungen oft mit der Kamera unterwegs. Die schönsten Bilder und Videos stelle ich ins Netz.“ Ein schönes Erlebnis, gleich zu Beginn seiner neuen Tätigkeit als Wege-Pate beflügelt ihn: „Ich begegnete einer Familie aus Wüstenrot, die bis nach Rottenburg am Neckar pilgerte. Ich konnte den vier Kindern und den Eltern Plochingen etwas näherbringen und ihnen den begehrten Pilgerstempel der Neckarstadt besorgen.“ Mit dem Pilgergruß „Buen Camino“ wünscht er der sechsköpfigen Familie einen guten Weg.
Großes Ziel für 2021
In diesem Jahr will Rainer Hauenschild die Jakobswege in der Region bewandern und im kommenden Jahr steht die große Pilgerreise an. „Ich bin noch unschlüssig, ob ich den Weg durch Frankreich an der Atlantikküste oder über die Pyrenäen gehen will. Zur Auswahl steht auch noch der Teilabschnitt ab dem portugiesischen Porto bis nach Santiago de Compostela.“ Zwei Wochen Auszeit will sich der 52-jährige Freiberufler für seine Reise nehmen. „Für mich heißt Pilgern nicht nur losgehen, mit dem Ziel Santiago de Compostela, sondern auch zur Ruhe zu kommen und abzuschalten.“ Für ihn ist Pilgern aber auch Herausforderung. „Man bringt den Körper an die Grenzen und dennoch gibt das Pilgern Kraft und Energie.“ Er freut sich darauf, andere Kulturen kennenzulernen. „Die Völkerverständigung ist mir als Europäer wichtig.“
Diese Kraft durfte Rainer Hauenschild bereits auf seinen verschiedenen Wanderungen in der Region erleben. „Ein Weg von Schanbach zum Karlstein führte mich aus dem Wald, direkt auf die Aussichtsplattform. Der Blick ins Remstal war beeindruckend“, schwärmt der frisch gebackene Wege-Pate. Aber auch die Gotteshäuser, die kleinen Kapellen und die Wegekreuze seien immer wieder ein fantastischer Anblick. Am liebsten ist Rainer Hauenschild allein unterwegs. So plant er es auch auf der „großen“ Pilgerreise. „Es bleibt zwar vermutlich nicht aus, dass man anderen Pilgern begegnet, aber um abzuschalten, gehe ich den Jakobsweg allein.“ Trotzdem freue er sich auf regen Austausch mit anderen Leuten in den Herbergen. Die Pilgertage in der Region sieht er als Trainingszeit, auch wenn er längst nicht alle Wege ablaufen kann. „Das nächste Ziel ist der Weg von Neckartailfingen nach Rottenburg.“