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Pioniere in einem Nischenmarkt

Brennstoffzelle Die Firma Russ Jesinger Automobile in Esslingen repariert Wasserstoff-Fahrzeuge – nach eigenen Angaben als einzige im Landkreis Esslingen. Von Marion Brucker

Die Firma Russ Jesinger Automobile betreibt als einziges Unternehmen im Landkreis Esslingen und als eines der wenigen im Land Baden-Württemberg mit ihrer „Bus-World“ eine Werkstatt für mit wasserstoffbetriebene Fahrzeuge. Damit ist sie bislang in einem Nischenmarkt unterwegs. Seit Neuestem gibt sie ihre Erfahrungen in Schulungen auch an andere weiter.

In der Werkstatt der Firma herrscht an diesem Vormittag reger Betrieb. Doch statt der firmeneigenen Mechatroniker sind Mitarbeiter anderer Unternehmen aus ganz Deutschland und der Schweiz zugange: Sie wollen lernen, was beim Reparieren von Wasserstoff-Fahrzeugen zu beachten ist. „Wir machen diese Trainings von Profis für Profis“, sagt Michael Krech, der für die Bus-World zuständig ist. Ihre Firma sei die einzige, die diese Schulungen unabhängig vom Hersteller anbiete.

 

Bislang gibt es für Mechatroniker keine Zusatzausbildung für den Bereich Wasserstoff.
Frank Schnierle, Geschäftsführender Gesellschafter

 

Bislang gebe es für Mechatroniker keine Zusatzausbildung für den Bereich Wasserstoff, ergänzt der Geschäftsführer Frank Schnierle. Deshalb hätten sie im Juni die erste Fortbildung angeboten, im Februar ist wieder ein Kurs. „Wasserstoff schmeckt, riecht, fühlt und sieht man nicht“, erklärt Krech. Entströmt das chemische Element, besteht Explosionsgefahr. Deshalb gibt es in der Unfallverhütungsverordnung spezielle Vorschriften. Daran müssten sich Werkstätten halten, die Wasserstoff-Fahrzeuge warteten. Die Fahrzeuge müssten in der Werkstatt beispielsweise an einen Potenzialausgleich angeschlossen werden, wenn an der Gasanlage gearbeitet wird. Des Weiteren müsse zur Entleerung des Systems eine Ablassleitung verschlussdicht an die Fahrzeugtankanlage angeschlossen werden. Diese wird durch das Hallendach ins Freie geführt.

Seit mittlerweile zehn Jahren repariert Russ Jesinger Wasserstoff-Fahrzeuge. „Das Volumen ist noch überschaubar“, sagt Frank Schierle. Bundesweit gebe es schätzungsweise rund 26 entsprechende Lastwagen und in der Schweiz knapp 50. Dazu kämen Wasserstoff-Busse. „Der öffentliche Personennahverkehr ist hier der Treiber“, sagt Krech. Als sich die Stuttgarter Verkehrsbetriebe vor zehn Jahren die ersten mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Busse anschafften, hätten sie eine Werkstatt für die Wartung gesucht. Weil Russ damals schon für sie arbeitete, lag es nahe, auch für diese Aufgaben ein Angebot zu machen, meint Krech. Mittlerweile hätten sich die Stuttgarter Verkehrsbetriebe acht neue Wasserstoff-Busse angeschafft und die vier alten ausrangiert.

Einer davon steht jetzt in der Werkstatt für die Schulung. Gökhan Arisoy, Mechatroniker der Firma, klettert auf das Dach des Busses und zeigt, wo die Wasserstofftanks untergebracht sind. Er ist einer der Mitarbeiter, die Expertise beim Reparieren von Wasserstoff-Fahrzeugen haben. Jüngst war er sogar in Frankfurt, um dort drei Busse eines Privatunternehmens zu reparieren. Denn es gebe bundesweit kaum Werkstätten. „Es ist eine große Herausforderung“, sagt Arisoy.

Die Investitionen in Technik und Qualifizierung seien groß, berichtet Schnierle. Noch sei unklar, ob sich der Nischenmarkt zu einem Massenmarkt entwickeln werde. Immerhin arbeiteten alle Hersteller von Nutzfahrzeugen an Serien mit Wasserstoff-Modellen. Letztlich hänge es davon ab, wie sich die E-Batterien weiter entwickelten. Bislang seien sie für Lastwagen und Busse zu schwer. Außerdem habe Wasserstoff den Vorteil, dass ein Nutzfahrzeug innerhalb von 20 Minuten und damit schneller als ein E-Modell betankt werden könne. Das Betanken eines Dieselfahrzeugs brauche etwa die gleiche Zeit. Woran es jedoch mangele, sei die Infrastruktur. Bislang gebe es im Kreis Esslingen für Lastwagen eine öffentliche Wasserstofftankstelle, und zwar am Flughafen. Darüber hinaus unterhielten etwa Verkehrsbetriebe Füllstationen, allerdings nicht öffentliche.

 

Die Firma Russ Jesinger Automobile

Unternehmen: Die Esslinger Firma Russ Jesinger Automobile firmiert seit Januar 2023 unter diesem Namen. Das Unternehmen ist durch einen Zusammenschluss der mehr als 100 Jahren alten Firma W. Jesinger und des vor 90 Jahren gegründeten Autohauses Karl Russ entstanden. Mitarbeitende Die Familienunternehmen beschäftigen ungefähr 425 Mitarbeitende an sechs Standorten im Landkreis Esslingen – dazu gehören neben Esslingen unter anderem Filderstadt, Nürtingen und Dettingen.

Mitarbeitende: 15 der Beschäftigten der Firma Russ Jesinger sind derzeit im Bereich der Instandsetzung von Wasserstoff-Fahrzeugen auf dem ehemaligen Gelände der Firma Omnibus Schefenacker in Esslingen-Zell tätig. mar