Toilette
„Po“ provozierte Plochinger

Provokant sollte es sein, geworden ist es am Ende recht verspielt: In Plochingen steht das umstrittenste WC der Region. Einst hat es viel Anstoß erregt. 

Außen schrill, innen still – das „Örtchen“ in Plochingen sorgte einst für viel Anstoß. Inzwischen ist das Klohäuschen ein bunter Hingucker, an dem sich kaum mehr jemand stört. Fotos: Roberto Bulgrin

Es ist die abgespeckte Version eines Kunstwerks, die dort zwischen der viel befahrenen Schorndorfer Straße und dem Plochinger Marktplatz steht. Einen fröhlich-verspielten Toilettenbau mit harmlosen Fabelwesen an der Fassade, freundlichem Zucker-Candy-Charme und einem Heile-Welt-Ambiente mit viel Rosa hat der 2019 verstorbene Elsässer Illustrator Tomi Ungerer hier platziert. Die Stadt Plochingen spricht vom „buntesten Sanitärgebäude der ganzen Region“. Es kann aber auch als das umstrittenste gelten. Denn das ungleich anstößigere Ursprungsmodell des Freigeistes Ungerer hatte seinerzeit viel Anstoß erregt.

Warum sind öffentliche Toiletten eigentlich oft in Unterführungen versteckt, obwohl es doch um ein zutiefst menschliches Bedürfnis geht, fragte sich die Stadt Plochingen unter ihrem damaligen Bürgermeister Eugen Beck. Die Verwaltung wollte wissen: „Kann man eine Toilette so gestalten, dass man sie mitten in der Stadt herzeigen kann?“. Der Grafiker, Autor und Satiriker Ungerer erhielt 2005 schließlich den Auftrag, das öffentliche WC stadt- und salonfähig zu machen.

Ein riesen „Pi-Pa-Po“

Gut gelaunt und voller Überzeugung präsentierte er laut Zeitungsberichten im November 2006 seine Vorstellung eines öffentlichen Toilettenhäuschens. Ungerer schwebte zunächst ein weißer Kubusbau vor, dessen Kuppel mit einem opulenten Hinterteil in Rosa die gesamte Dachfläche einnehmen sollte. Dabei hatte der 1931 in Straßburg geborene Ungerer sich nach eigenen Angaben vom indischen Grabmal Taj Mahal inspirieren lassen und in Anlehnung daran politisch reichlich unkorrekt ein „Tadsch ma Arsch“ kreieren wollen. „Übung macht den Meister“ sollte über der Tür stehen. Doch damit war der Wortspiele nicht genug: Ungerer versprach den Plochingern ein „Riesen-Pi-Pa-Po“ und eine neue „Arschitektur“.

Der Künstler mag von seinen Ideen berauscht gewesen sein. Andere sahen das Kunstprojekt nüchterner. Muslime kritisierten das Modell, die Form erinnere an eine Moschee oder an ein Mausoleum. Christen störten sich an dem Entwurf, weil er in unmittelbarer Nähe zur historischen Ottilienkapelle stehen sollte. Ungerer wollte keine religiösen Gefühle verletzen, niemanden beleidigen und ruderte zurück. Er schuf einen zweiten Entwurf ohne die streitbare Kuppel. Die Einweihung von „Les Toilettes“ erfolgte schließlich im September 2007.

Verschwenderische Farbpracht

Die Sanitäranlage fällt bis heute auf. Zwar nicht wegen provokanter Elemente wie im ursprünglichen Entwurf, aber wegen ihrer verschwenderischen Farbenpracht. Ein Kunstfries aus Toilettenbrillen schließt das Gebäude an Stelle des ursprünglich geplanten Hinterteils ab. Als ein weiteres, gebremst freches Element streckt ein grün- und rosafarbener Frosch die Zunge heraus, während auf der anderen Seite ein freundlich schauender Drache mit aufgerollter Zunge Besuchern entgegenlächelt. Die Sanitäranlagen für Männer und für Frauen sind in feschem Rosa gehalten. Mit dieser Farbgebung wollte Ungerer nach eigener Aussage an das menschliche Gedärm erinnern. Der damalige Bürgermeister Eugen Beck wollte die vorangegangenen Querelen bei der Enthüllung mit einer Referenz auf die deutschen Klassiker entkräften. Statt des einschlägigen Goethe-Zitats aus dem Götz von Berlichingen käme nun eben der Schwabe Friedrich Schiller zum Zuge: „Heiter ist die Kunst.“

Ganz so heiter war aber die weitere Entwicklungsgeschichte des Klo-Häuschens nicht. Rufe nach einer Verlegung wegen der unmittelbaren Nähe zum Gotteshaus verhallten ungehört. Denn laut eines Artikels der „Eßlinger Zeitung“ darf das Kunstwerk ohne ausdrückliche Zustimmung des Künstlers wegen einer möglichen Verletzung des Urheberrechts nicht versetzt werden. Die Stadt dürfte das Häuschen zwar abreißen, aber nicht verlegen. Auch mit Blick auf die Kosten der Installation haben sich manche die Augen gerieben. Bürgermeister Frank Buß hatte die Ausgaben für „Les Toilettes“ 2008 mit exakt 167.285,59 Euro angegeben. Die Anfertigung des zweiten skandalfreien Entwurfs soll dabei mit 18.000 Euro zu Buche geschlagen haben haben, die künstlerische Gestaltung habe insgesamt 32.000 Euro verschlungen. Diese Ausgaben seien durch Spenden gedeckt.

Nutzung kostenlos

Mittlerweile ist es ruhiger geworden um das Stille Örtchen – akute Probleme gibt es nach Angaben der Stadtverwaltung nicht. Fälle von Vandalismus sind aus jüngerer Zeit nicht bekannt. Ein Grund dafür sei die soziale Kontrolle: Durch die zentrale Platzierung des Klo-Häuschens würden viele Menschen daran vorbeikommen, was die mutwillige Verunreinigung erschwere. Die Toilette werde gut angenommen und die Benutzung ist kostenfrei – eine Bezahlschranke könnte Langfinger anlocken, fürchtet man bei der Stadt. Und viele Menschen hätten auch nicht immer das passende Kleingeld bei sich. Gereinigt wird die Sanitäranlage derzeit zwei Mal täglich – morgens und abends. Die Kosten dafür seien nicht höher als bei anderen Toiletten, denn das Innere unterscheide sich – anders als die bunte Fassade – nicht.