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„Polizeieinsatz“ bei Scheufelen: Hundestaffel nutzt Gebäude für Training

Spezialeinheit Die Polizeihundeführerstaffel des Polizeipräsidiums Reutlingen übt regelmäßig im leerstehenden Verwaltungsbau für den Einsatz. Von Iris Häfner

Adrenalin pur im Doppelpack – das ist der Normalzustand, wenn Hund und Herr beziehungsweise Hund und Frau den Ernstfall im Dienst der Polizei trainieren. In den vergangenen Monaten ist das immer wieder im Verwaltungsbau der ehemaligen Papierfabrik Scheufelen in Oberlenningen geschehen. Das bleibt auch der Bevölkerung nicht verborgen, denn die blau-silbernen Autos sind gut von der Bundesstraße zu sehen.

Die Sonne scheint, doch es ist noch kühl an diesem Morgen. Mehrere Polizeiautos stehen zwischen dem abgelassenen Seebassin und dem Verwaltungstrakt. Hin und wieder ist Hundegebell zu hören, Polizisten in Uniform stehen um die Fahrzeuge und unterhalten sich. Die Stimmung ist nicht angespannt, doch dass hier kein Kaffeeklatsch stattfindet, wird schnell klar. Ernstfall-Üben steht nicht zum ersten Mal an diesem Ort auf dem Programm.

 

Seit 1900 gibt es Polizeihunde in Deutschland.
Andreas Nerbel, Leiter der Polizeihundeführerstaffel des Polizeipräsidiums Reutlingen

 

Polizeioberkommissar Patrick Beck hat das Kommando. Ruhig gibt er Anweisungen. „Markus“, ruft er aus dem zweiten Stock aus dem Fenster nach unten. Wenig später sind Schritte auf der Treppe zu hören, ebenso aufgeregtes Hecheln und Kratzen von Pfoten. Die Motivation des Vierbeiners ist nicht zu überhören. Oben angekommen erwartet die Hundedame voller Begeisterung das Kommando, um loslegen zu können. Rauschgift soll sie finden. Hundenasen sind einfach nicht zu toppen, wenn es für die Menschen geruchstechnisch darum geht, im Dunkeln zu tappen. Ein ganzes Universum tut sich dagegen für den Hund auf. Es dauert nicht lange, dann hat die Hündin das gut versteckte und getarnte Corpus Delicti erschnuppert.

 

Immer schön Abstand halten: Polizeihunde sind Alphatiere und wollen ihre Arbeit allein mit ihrem vertrauten Menschen verrichten. Foto: Markus Brändl

 

Viele Faktoren müssen bei dem Mensch-Hund-Doppel stimmen und im wahrsten Sinn des Worts zusammenspielen. Denn ohne Spieltrieb beim Tier läuft nichts. Mit Zwang ist wenig bis gar nichts zu erreichen, das Tier muss den Arbeitswillen von sich aus mitbringen. Das ist bei einem zehn Wochen alten Welpen noch nicht klar erkennbar, weshalb die Polizei gerne auf bewährte Züchter zurückgreift, die bereit sind, den tierischen Nachwuchs über mehrere Monate zu betreuen und zu beobachten. Andreas Nerbel ist Leiter der Polizeihundeführerstaffel des Polizeipräsidiums Reutlingen und selbst Hundebesitzer – allerdings eines Schweißhundes, denn privat ist der Erste Polizeihauptkommissar begeisterter Jäger. Sein Vierbeiner ist darauf spezialisiert, verletztes Wild im Wald zu finden, nicht aber Rauschgift in Räumen.

Auch nicht jeder Schäferhund ist für die Polizeiarbeit geeignet. „Es sind alles Alphatiere“, sagt Patrick Beck. Das hat viele Vorteile, denn großes Selbstbewusstsein muss vorhanden sein, um einem menschlichen Angreifer die Stirn zu bieten – sprich, notfalls machtvoll anzuspringen und auch kräftig zuzubeißen. Der Nachteil: Alphatiere bilden untereinander kein Rudel, ein entspannter, gemeinsamer Spaziergang nach erfolgreicher Übung ist nicht machbar.

 

Der Hund erschnüffelt das Rauschgift auf einer Schrankablage hinter Papieren. Foto: Markus Brändli

 

Das ist den Hundeführern klar. Erst nach jahrelangem Dienst können sich die Kolleginnen und Kollegen für die Hundestaffel bewerben, denn grundsätzlich sind sie Polizeibeamte. „Eine gewisse Berufserfahrung muss als Basis sein. Der Umgang mit dem Diensthund bedeutet einen Tick mehr. Die Kollegen müssen den Dienstalltag beherrschen, dann können sie die oft schwierigen Situationen mit dem Hund souveräner meistern“, erklärt Andreas Nerbel und spricht vom „Einsatzmittel Hund“. Sorgen über den Nachwuchs muss er sich nicht machen: Auf drei Stellen hat er 14 Bewerbungen bekommen. Allen ist bewusst, dass sie sich für zehn Jahre an diesen Job binden – doch sie können ihr Hobby zum Beruf machen.

Blauäugig geht keiner zu dieser spezialisierten Einheit. „Die Leute sind sich im Klaren, was sie sich da dauerhaft antun“, erklärt Nerbel. Der Hund ist nicht nur Kollege, sondern auch Familienmitglied und somit 24 Stunden, sieben Tag die Woche ständiger Begleiter. Es ist also ein besonderes Team, ein Stück weit wird die Arbeit dauerhaft mit nach Hause genommen. Das bedeutet auch, dass der Urlaub entsprechend geplant werden muss. Locker mit der Familie auf dem Campingplatz relaxen geht nicht, der Hund verteidigt seine Menschen und sein Revier auch anderswo.

 

Nach der erfolgreichen Suche gibt es sofort die Belohnung in Form einer Spielerunde mit dem Herrchen. Foto: Markus Brändli

 

Auch bei den Hunden gibt es Spezialisten. Während die einen Drogen kreuz und quer im Raum suchen, schnüffeln andere millimeterweise nach sauber abgewischten Blutrückständen nach. Es gibt Leichenspürhunde und seit Neuestem auch solche, die Banknoten aufspüren. Der nächste Profi ist im großen Verwaltungsbau für seine Trainingseinheit im Anmarsch. Sein Spezialgebiet: Menschen finden, die sich an den unmöglichsten Stellen verstecken. Ein Kollege hat sich für diesen unbequemen Part bereit erklärt. Er muss im kalten, dunklen Wandschrank ausharren. „Die Hunde arbeiten mit ihren Biosensoren nur über die Nase, nicht visuell“, erklärt Patrick Beck. Zunächst checkt der Hund die Lage ab, bevor er mit der Suche beginnt. Trotz vieler Menschen im Raum nimmt er schnell die Fährte auf und zeigt mit seinem Verbellen an, wo sich der „Täter“ befindet. „Die Hundeführer können ihre Hunde lesen“, verdeutlicht Patrick Beck, wie wichtig das enge und gute Zusammenspiel dieser Doppel ist.

Apropos Suche: Die Polizeihundeführerstaffel ist immer an geeigneten, leerstehenden Gebäuden für Übungszwecke interessiert, denn Routine darf bei den Vierbeinern nicht eintreten.