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Promillesteige steht wohl vor dem Aus

Verkehr Dettingen an der Erms braucht ein Finanzwunder – oder Politiker, die alles auf null stellen. Für die teure Sanierung des Albaufsteigs fehlt das Geld: Die Verwaltung schlägt vor, die Straße zu schließen. Von Christina Hölz

So ernst war’s den Verantwortlichen im Dettinger Rathaus noch nie. Und noch nie stand der bei Autofahrern beliebte Albaufstieg zwischen Dettingen an der Erms und Hülben so nah vor dem endgültigen Aus wie in diesen Tagen. „Wir prüfen bereits, was rechtlich zu beachten ist, um die Straße vom Netz zu nehmen“, sagt Bürgermeister Michael Hillert.

Vom Netz genommen wird üblicherweise alles, was unter Strom steht. Genau dieser Gemütszustand könnte bald vielen ­Pendlern im Kreis Reutlingen blühen. Denn Staus sind im Ermstal ohnehin schon an der Tagesordnung. Fällt die direkte Verbindung zwischen Hülben und Dettingen endgültig weg, muss die Achse zwischen Metzingen, Bad Urach und der Alb auch noch die gut 1300 Autos verkraften, die an Spitzentagen auf der Promillesteige unterwegs sind.

Aktuell ist die sanierungsbedürftige Straße gesperrt, auch wegen des Umbaus der Gustav-Werner-Kreuzung in Dettingen an der Erms. Die Arbeiten sind auf ein halbes Jahr veranschlagt – doch Michael Hillert geht davon aus, dass es auch nach der Bauzeit keine direkte Durchfahrt nach Hülben mehr gibt.

Jedenfalls sieht der Bürgermeis­ter einer heiklen Mission entgegen, und zwar in der nächsten Sitzung des Gemeinderates am 23. November. Da nämlich will die Verwaltung dem Gremium vorschlagen, die „Promille“ endgültig zu schließen. „Die Gemeinde kann sich diese Straße einfach nicht mehr leisten. Und wenn wir für die Sanierung von keiner Seite Geld bekommen, haben wir keine andere Wahl.“

Worum geht es? Der Zustand der Promillesteige ist schlecht. Der Hang droht abzurutschen, Geröll fällt auf die Straße, die Fahrbahn ist marode. Ohne weitere Baumaßnahmen, so hat die Verkehrsbehörde gegenüber der Verwaltung signalisiert, „muss die Straße wegen untragbarerer Zustände geschlossen bleiben“.

Für den großen Knalleffekt sorgte indessen die jüngste Machbarkeitsstudie, die Dettingen an der Erms in Auftrag gab. Mindes­tens 18,3 Millionen Euro muss die Gemeinde nach Rechnungen des Pfullinger Büros Reik investieren – allein, um die Straße verkehrssicher zu machen. Die Fahrbahn der stellenweise recht engen Steige könnte damit noch nicht einmal verbreitert werden.

Ein dicker Brocken, eine Summe, die Dettingen an der Erms nicht aufbringen kann, sagt der Bürgermeister: „Wie soll das gehen? Wir wollen ein Kinderhaus bauen und haben auch noch andere Projekte.“

Und wieder einmal macht er deutlich, was die Dettinger im Ermstal schon lange empfinden: Die Gemeinde fühlt sich mit dem Unterhalt der Promillesteige alleingelassen: „Das ist ein Albaufstieg von kreisweiter Relevanz – und nicht nur eine Verbindung zwischen zwei Orten.“

Eine alte Geschichte. Schon lange wird über die finanziellen Zuständigkeiten in Sachen Steige diskutiert. Die liegt seit jeher bei der Gemeinde Dettingen, weil sie den größten Anteil an der Fläche hat. Dass die Promillesteige aber mehr als ein Schleichweg ist und reichlich überörtlichen Verkehr anzieht, ist kein Geheimnis.

Seit Jahren kämpfen Michael Hillert und die Verantwortlichen in Dettingen an der Erms daher um eine Verteilung der Unterhaltskosten und die Aufwertung der Steige zur Kreisstraße. Vergeblich. Bekanntlich sorgte 2015 auch ein Urteil des Verwaltungsgerichts dafür, dass die Steige bleibt, was sie ist: eine Gemeindeverbindungsstraße in Dettinger Hand.

 

Kein Geld aus Urach und Hülben

Daran wird sich wohl nichts ändern. Bei den Nachbarkommunen Hülben und Bad Urach hat Michael Hillert nun erneut angeklopft und um finanzielle Hilfe ersucht. Erfolglos, sagt er. Dabei seien die Bürgermeister Siegmund Ganser (Hülben) und Elmar Rebmann (Urach) über die Dettinger Pläne alles andere als glücklich. Aus Bad Urach kam die Anregung, die Promillesteige wenigstens während der anstehenden Umbauten am Bleicheknoten und an der Hochhaus-Kreuzung in der Kurstadt offenzuhalten. Wie berichtet, soll dort kommendes Jahr der Verkehrsfluss für die kleine Gartenschau in der Kurstadt optimiert werden.

Während der Bauzeit bilden sich im Ermstal neue Engpässe – die „Promille“ könnte entlasten. Könnte. Michael Hillert hat nun mit Ortsbaumeister Felix Schiffner eine kleine Umbau-Lösung geprüft. Das Ergebnis stimmt beide nicht positiver: „Allein die Hangsicherung der Steige würde zwischen zwei und 2,5 Millionen Euro kosten“, rechnet der Schultes vor. Fazit: Auch das könne Dettingen nicht allein stemmen. Und es geht ja auch um die Sicherheit: „Wenn wir die Straße öffnen und es passiert etwas, dann haben wir ein richtiges Problem.“

Die Verwaltung zieht jetzt die Konsequenzen: Im Haushalt für das Jahr 2024, der in der November-Sitzung des Rates eingebracht wird, ist kein Geld für die Sanierung der Promillesteige bereitgestellt. Selbstredend hat der Gemeinderat das letzte Wort und laut Gesetz auch das Budgetrecht über den Etat. Doch Geld können auch die Kommunalpolitiker nicht herzaubern. Dettingen an der Erms bräuchte jetzt ein kleines Wunder.