Kreis. „Die Freier haben gewisse Fantasien, dich zu würgen oder angsterfüllt zu sehen. Das kann sehr gefährlich werden“, berichtet eine Klientin von Rahab, dem Projekt des Kreisdiakonieverbands Esslingen zur Beratung von Menschen in der Prostitution. „Prostitution ist auch im Landkreis Esslingen von psychischem oder körperlichem Zwang geprägt“, heißt es in einer Pressemitteilung des Kreisdiakonieverbands: „Es geht um viel Geld für die Hintermänner und um wenig Schutz und Würde für die Frauen, die in der Prostitution arbeiten müssen.“
Der Kreisdiakonieverband berichtete beim „Runden Tisch Prostitution“ in der Zehntscheuer Leinfelden-Echterdingen über die Arbeit des Projekts Rahab. Über 30 Vertreter und Vertreterinnen aus der Kommunalpolitik, von Gesundheitsämtern, sozialen Diensten, Verbänden und Vereinen sowie von der Kriminalpolizei des Regierungsbezirks Reutlingen nahmen teil. Projektleiterin Claudia Brendel nannte die aktuellen Zahlen aus dem Projekt: „Im Landkreis Esslingen gibt es momentan sieben offizielle Einrichtungen zur Prostitution mit 118 angemeldeten Prostituierten.“ Einig mit der Kripo war sie sich dabei in zwei wichtigen Punkten: Die Dunkelziffer nicht angemeldeter Prostituierter ist sehr hoch und mindestens 80 Prozent der Frauen gehen der Sexarbeit nicht freiwillig nach, sondern sind Zwangsprostituierte.
Freier aus allen Schichten
Rahab führt seit 2020 jährlich rund 300 Beratungen durch und hatte im Jahr 2023 zu 63 neuen Klientinnen Kontakt. „Etwa die Hälfte der Kontakte entsteht dabei durch Empfehlungen aus dem Milieu, 25 Prozent der Kontakte erhalten wir durch Streetwork vor Ort“, beschreibt Claudia Brendel die Arbeit des Projektteams. Die Frauen werden bei gesundheitlichen, sozialen und rechtlichen Themen beraten. Die Streetworkerinnen Silvia Vintila und Neele Petikis unterstützen auch bei Kontakten und dem Austausch mit Behörden, finanziellen Notlagen oder anderen schwierigen Situationen. Sie begleiten die Frauen eng beim Ausstieg.
Prostitution sei jedoch nicht vorstellbar ohne die Freier, die Sex kaufen und dabei Geld in die Kassen jener spülen, die die Frauen oft genug ausnutzen oder sogar zur Prostitution zwingen. Kerstin Neuhaus, Sozialarbeiterin und Referentin des „Bündnis Nordisches Modell“, stellte die sogenannte „Freierstudie“ vor, bei der sie mitwirkte und bei der fast 100 Freier befragt wurden. Freier, so Neuhaus, kommen aus allen sozialen Schichten und Altersstufen von 18 bis 90 Jahren. Den Befragten sei durchaus bewusst, dass die Frauen ihrer Arbeit oft nicht freiwillig nachgehen, sondern dass sie zur Prostitution gezwungen werden. Kerstin Neuhaus ist sich hier mit dem Rahab-Team einig: „Sexkauf ist Gewalt.“
Förderungen laufen aus
Dass viele Opfer dieser Gewalt im Kreis Esslingen auch in Zukunft Unterstützung von Rahab erhalten, sei unsicher. „Die bisherigen Förderungen laufen aus und wir wissen bis jetzt nicht, wie wir Rahab ab 2026 finanzieren sollen“, so Geschäftsführerin Tanja Herbrik. Eine Fortführung der Arbeit sei dringend notwendig. „Außer Rahab ist niemand für die Frauen da. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten. Es ist nicht zuletzt eine politische Verantwortung, ob man hier die Augen schließen oder ein gesellschaftliches Problem angehen will.“ pm
Weitere Infos: www.kreisdiakonie-esslingen.de/projekte/rahab