Wernau. Im Wernauer Totschlagprozess gegen ein Brüderpaar haben nach vier Verhandlungstagen vor dem Stuttgarter Landgericht der Staatsanwalt und die Verteidiger ihre Schlussvorträge gehalten. Demnach ist das Motiv für die Stiche mit einem Schraubendreher nach wie vor unklar. Der 28-Jährige, der den Nebenbuhler seiner Ex-Freundin damit verletzte, soll allerdings wegen einer schweren Wahnkrankheit schuldunfähig sein, der neben ihm sitzende Bruder hingegen wird wahrscheinlich mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.
Was den Vorwurf des versuchten Totschlags betrifft, bleibt der anklagende Staatsanwalt dabei, dass der ältere Angeklagte durch die Stiche mit dem Werkzeug den möglichen Tod des Opfers zumindest in Kauf genommen habe. Bei ihm beantragt der Staatsanwalt zwar wegen krankheitsbedingter Schuldunfähigkeit die Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie. Der Mann stelle durch seine Wahngedanken und Wahnvorstellungen und der damit verbundenen Meinung, dass das menschliche Leben nichts wert sei, eine mögliche Gefahr für die Allgemeinheit dar, so der Ankläger. Und diese Allgemeinheit gelte es vor ihm zu schützen.
Schlimmeres in Kauf genommen
Für seinen jüngeren Bruder hingegen, der an jenem 5. März dieses Jahres bei der Attacke in Wernau das Opfer festgehalten habe, fordert der Staatsanwalt wegen des Tatbestands der gefährlichen Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, ausgesetzt zur Bewährung. Seine Behauptung, dass er bei der Umklammerung des Opfers nur seinen Bruder von der Tat abhalten wollte, sei durch Zeugenaussagen widerlegt worden. Immerhin seien durch die Stiche mit dem Schraubendreher dem Opfer mehrere Verletzungen an der Brust, den Armen und am Kopf beigebracht worden. Es hätte weitaus Schlimmeres passieren können, meinte gestern der Staatsanwalt in seinem Plädoyer vor der Stuttgarter Schwurgerichtskammer. Der relativ kurze Schraubendreher drang durch die Kleidung hindurch zwei Zentimeter in die Brust, ohne jedoch lebensgefährlich zu verletzen.
Das Opfer, der neue Lebensgefährte der Freundin des älteren Angeklagten, ist nach der Feststellung des Anklägers damals zuerst bedroht worden. Danach wurde ihm über einen Dritten der Tod angekündigt. Daraufhin wurde von Verwandten die Wernauer Polizei alarmiert, die allerdings nichts ausrichten konnte und den Ort des Geschehens verließ. Die Beamten gaben lediglich den Ratschlag, sich wieder zu melden, falls erneut etwas passiere. Stunden später ereignete sich dann die Attacke, die laut Staatsanwalt „kein freundschaftliches Gespräch“ war, sondern klar mit der Absicht durchgeführt wurde, den Mann mindestens zu verletzen, wenn nicht gar zu töten. So führte es der Staatsanwalt in seinem gestrigen Plädoyer aus.
Gleichzeitig hatte der ältere Anklagte auch noch eine Anwohnerin geschlagen, die das ganze Geschehen verfolgt hatte und schlichtend einzugreifen versuchte.
Die Verteidiger des angeklagten Brüderpaares verwiesen ebenfalls auf die schwere psychische Krankheit des Älteren. Dabei stellten sie jedoch den Antrag, die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung doch zur Bewährung auszusetzen. Dann könne der 28-Jährige sich ambulant behandeln lassen. Bei dem Bruder des Hauptangeklagten plädierten die Verteidiger dafür, wegen möglicher Beihilfe einer Körperverletzung die Strafe auf höchstens sechs Monate mit Bewährung zu begrenzen. Das eigentliche Motiv der Attacke gegen den neuen Freund der Frau sei weiterhin ungeklärt.
Das Gericht hatte zwar ursprünglich geplant, bereits gestern die Urteile gegen die zwei Brüder zu verkünden, jedoch wurde dies kurzfristig geändert. Die Urteilsverkündung wurde auf Dienstag, 27. September, verschoben. Bernd Winckler