Kirchheim. Vor dem Stuttgarter Landgericht steht ein 57-jähriger Arzt aus einer Kirchheimer Umlandgemeinde unter der Anklage, in Wendlingen die Norma-Filiale mit einer täuschend echt aussehenden Deko-Waffe überfallen zu haben. Hat der Mann auch Jahre zuvor eine Rewe-Filiale überfallen? Die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Gericht haben dies überprüfen lassen.
Den Norma-Überfall, bei dem der Arzt aus der Kasse 2100 Euro erbeutet haben soll, hatte der jetzt in Rente befindliche Chirurg bereits am ersten Verhandlungstag zugegeben und ausgeführt, dass er damals an einer Depressionskrankheit gelitten habe. In der Zwischenzeit hat die Polizei geprüft, ob der Mann schon einmal vor gut zehn Jahren einen anderen Lebensmittelmarkt in Wendlingen überfallen hat, und zwar mit einem Messer. Es lägen zwar gewisse Ähnlichkeiten in den beiden Fällen vor, so die Ermittlungen, aber schließlich wurde seine Täterschaft zu dem damaligen Raub ausgeschlossen. Die Ermittlungsergebnisse wurden gestern vor Gericht vorgelesen.
Folglich ging es nur um den Überfall vom 19. Juni letzten Jahres. Die 21-jährige Kassiererin des Norma-Marktes wurde gestern als Zeugin vernommen. Die junge Frau schildert, dass sie sich schon beim Erscheinen des Räubers gewundert habe, dass dieser zur damals sommerlichen Zeit nicht nur dicke Handschuhe, sondern auch eine tief herunter gezogene Mütze, einen dicken Pullover und eine Corona-Maske trug. Dann aber habe sie die Waffe gesehen, und in englischer Sprache habe der Mann Geld gefordert. Aus Angst habe sie die Kasse geöffnet.
Sie habe gleich mitbekommen, dass es sich um einen älteren Mann handeln musste, sagte sie, was man am Gehen gemerkt habe. Aufgrund der Aufnahmen einer Überwachungskamera konnte der Arzt später als möglichen Täter ermittelt und festgenommen werden. Die weiteren Ermittlungen gegen den Arzt, die gestern ebenfalls vor Gericht diskutiert wurden, betrafen die Tat-Vorbereitung und das spätere Verhalten des Beschuldigten. Die Deko-Waffe habe er über einen Versandhandel via Internet schon im Mai letzten Jahres bestellt. Auf einem Prospekt hatte er sich offensichtlich genau auf dieses Modell mit der Bezeichnung „Nachbau Deutsche Polizei“ fixiert. In der Werbung heißt es: „realistisches Gewicht – nicht schussfähig“. Zusammen mit der Mehrwertsteuer und Versandkosten habe er 114,46 Euro mit seiner Kreditkarte an die Lieferfirma bezahlt. Auch deshalb kamen ihm die Fahnder schnell auf die Schliche. Und der Staatsanwalt ist sich sicher, dass der Angeklagte mit dem Kauf der Waffe den Überfall genau geplant hatte.
In dem Verfahren vor dem Stuttgarter Landgericht wird mithilfe eines psychiatrischen Sachverständigen nun auch der Frage nachgegangen, ob der Angeklagte den Raub im Zustand einer möglichen Schuldunfähigkeit als Folge einer psychischen Erkrankung begangen haben könnte. Allerdings soll in einem vorläufigen Gutachten bereits diese Frage verneint worden sein, sodass dem Mediziner im Falle seiner Schuld eine Mindeststrafe von fünf Jahren droht. Das Urteil soll am Montag, 15. Januar, verkündet werden. Bernd Winckler