Saal 1 im Landgericht Stuttgart ist am Donnerstagvormittag gut gefüllt, als fünf Angeklagte hereingeführt und neben ihren Verteidigern platziert werden. Auf dem Weg dorthin werfen sie Küsschen in Richtung der Zuschauerreihen, winken Freunden und Familienmitgliedern zu, die sie in den Sitzreihen erkennen. Sie freuen sich bekannte Gesichter zu sehen. Auch dem durchaus angespannt wirkenden Publikum geht es ähnlich. Ein kurzes Lächeln, wenig später wird es jedoch ernst.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft den 19 bis 21 Jahre alten Männern vor, am Freitag, 9. Juni, vor einem Friedhof in Altbach einen 20-Jährigen brutal attackiert zu haben, nachdem dieser eine Handgranate in Richtung einer Trauergemeinde geworfen hat. Weil sie gegen einen Baum prallte, wurde ein Blutbad verhindert, dennoch wurden 15 Trauergäste teils schwer verletzt.
Gemeinsam gefasster Tatplan
Als der 20-Jährige mit einem Taxi flüchten wollte, folgte ihm eine 30-köpfige Gruppe. Die Personen umstellten das Fahrzeug, gingen noch im Wagen auf den Mann los und zogen ihn aus dem Auto. „Es handelt sich um einen schweigend gemeinsam gefassten Tatplan“, so die Staatsanwältin bei der Anklageverlesung. „Es wurde billigend in Kauf genommen, dass die Schläge und Tritte zum Tod des Geschädigten führen könnten. Er schrie um sein Leben.“
Einer der fünf Angeklagten habe sich am Taxi festgehalten, um dem Opfer gezielt auf den Kopf springen zu können, ein anderer habe so stark zugetreten, dass sein Schuh aufgeplatzt sei. „Das Blut spritzte bis in Hüfthöhe.“ Obwohl es auch aus dem Mund des 20-Jährigen gelaufen sei und er zwischendurch wohl das Bewusstsein verlor, hätten sie wie im Rausch immer weiter gemacht. Eine lauter werdende Sirene habe die Gruppe zwar kurz stoppen lassen. Als die Angreifer feststellten, dass es sich um einen Rettungswagen handelte, setzten sie die Tortur offenbar fort. „Sie drohten sogar, die Sanitäter zu töten, sollten sie helfen“, sagte die Staatsanwältin. Erst als die Polizei eingetroffen sei, habe sich die Lage beruhigt. Der 20-Jährige schwebte zeitweise in Lebensgefahr, erlitt ein schweres Hirn-Trauma.
Zwei rivalisierende Gruppierungen
Wegen versuchtem Totschlag müssen sich die fünf Männer vor dem Landgericht verantworten, drei davon zudem wegen illegalen Besitzes von scharfen Schusswaffen. Der Prozess, der am 4. Januar fortgesetzt wird, ist ein weiteres Kapitel in der Fehde zweier multiethnischer Gruppierungen, die wohl seit Sommer 2022 ihre Rivalität in der Region Stuttgart offen austragen. Der Mann, der den Handgranatenwurf in einem parallel laufenden Prozess bereits gestanden hat, wird laut Staatsanwaltschaft einer Bande aus dem Raum Stuttgart-Zuffenhausen und Göppingen zugeordnet. Ein Teil der Trauergäste steht offenbar der anderen Gruppe aus dem Raum Esslingen nahe.