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Psychologin Sabine Lahme aus Frickenhausen: „Mein Leben ist filmreif“

Lebenskrisen Mit ihrem Buch „Mit Resilienz Krisen überwinden“ will Sabine Lahme Menschen helfen. Sie weiß, von was sie spricht: Sie war sieben Jahre an den Rollstuhl gefesselt, lag 100 Tage im Koma – und kämpfte sich immer wieder zurück. Von Andreas Warausch

Man merkt es gleich, wenn man die Gesprächspartnerin in Düsseldorf am Telefon hat: Den schwäbischen Dialekt hört sie gern. Kein Wunder, denn Sabine Lahme ist in Frickenhausen aufgewachsen. Dann führte sie ihr Lebensweg nach Nordrhein-Westfalen. Dort arbeitet sie
 

„Die Menschen sollen verstehen, dass wir selbst viel in der Hand haben.
Sabine Lahme, Psychologin und Autorin

 

mittlerweile als Psychologin. Sie ist im Fernsehen zu sehen. Man schreibt über sie in Zeitschriften. Sie schreibt selbst Bücher, wie das neue „Resilienz“-Buch. Sie bloggt, macht Podcasts. Alles, um Menschen zu helfen. Um Krisen zu überwinden und den eigenen Weg zum Glück oder zumindest zur Zufriedenheit zu finden.

Mit dem Weg ist das tatsächlich so eine Sache. Sabine Lahmes eigener Lebensweg war oftmals steinig. Mindestens. Hätte sie nur einen Zentimeter weit nachgegeben im Streben, die Widerstände zu überwinden, hätte der Weg sie an einen ganz anderen Punkt geführt. Und so merkt man auch das gleich, wenn man mit ihr spricht: Wenn sie Impulse und Tipps gibt, weiß sie, von was sie spricht. Vielleicht macht gerade das ihren Erfolg aus.

Als sie 28 Jahre alt ist, platzt die Bauchschlagader

Freilich begann ihr Lebensweg in der Täles-Idylle alles andere als steinig. „Das war ein großartiges Wurzelwerk in Frickenhausen, blickt sie gerne zurück. Ihr 1957 verstorbener Großvater Friederich hatte 1938 den Getränkehandel Weber gegründet. Er war Küfermeister – wie Lahmes Vater. Die alte Küferei wurde zum Getränkemarkt umgebaut. Heute führt ihr Bruder den Getränkemarkt. Sabine Lahme verließ früh ihr Zuhause. Sie arbeitete in der Betreuung von Schwerpflegebedürftigen in einem Heim. Demenzen, Schizophrenien, Persönlichkeitsstörungen lernte sie kennen. Und dann wurde sie selbst krank. Schwer krank. Erst ein Arzt in Nordrhein-Westfalen fahndete nach Blutungen im Körper und fand zwei Geschwüre im Bauchraum. Die Organe versagten, die große Bauchschlagader platzte. Für 100 Tage mussten sie die Ärzte ins künstliche Koma versetzen. Da war sie gerade einmal 28 Jahre alt.

Sabine Lahme kämpfte sich zurück. Mühsam, wie die heute 63-Jährige sagt. Aber: „Das war noch nicht das Ende.“ Als Spätfolge des langen Komas landete sie mit 33 Jahren nach einem Rückenmarkinfarkt im Rollstuhl. Für sieben Jahre. Da war ihr klar: Sie will etwas ändern, will sich die andere Seite anschauen, die der Helfenden. Sie studierte Angewandte Psychologie. Arbeitete zehn Jahre in einem großen Unternehmen in Düsseldorf als Personalrätin. „Das ging auch im Rollstuhl.“

Zufällig las sie dann in einer medizinischen Fachzeitschrift von einer amerikanischen Studie. Gelähmte könnten mit einer speziellen Methode wieder rekonstruierend das Gehen lernen wie Kinder. Erfolgsquote: 30 Prozent. Sabine Lahme suchte eine Klinik und wurde fündig. Fünf Wochen blieb sie dort, mit einem klaren Plan, der Physiotherapie und Muskelaufbautraining umfasste. Bald schon zeigten die Beine Impulse, blickt sie zurück. Sie arbeitete weiter. „Mit großer Selbstdisziplin.“ Das seien die „Weber-Gene“.

Stets hatte sie ein Bild von sich im Kopf, auf dem sie wieder gehen konnte. Ein Haus würde sie bauen, einen Mann würde sie finden, einen Film würde man über sie drehen, vertraute sie einer Freundin ihr positives Selbstbild an. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung? Ja. Denn gute Gedanken seien mit guten Gefühlen verknüpft, weiß die Psychologin.

In der Zeit, in der sie mit ganz kleinen Schritten wieder zur Gehenden wurde und den Rollstuhl zumindest immer wieder für kurze Zeit mit Unterarmstützen verlassen konnte, musste sie sich auf Wohnungssuche begeben. Natürlich las sie Annoncen in der Zeitung. Eines Samstags schlug wieder der Zufall zu. Statt Wohnungsanzeigen schaute sie sich lieber Partnerschaftsanzeigen an. Einer war da, der jemanden zum Klönen suchte und wie sie große Leidenschaft fürs Kino hatte. Sie schrieb ihm einfach: „Und plötzlich klingelte das Telefon.“ Man verabredete sich und er wurde ihr Mann fürs Leben.

Auf dem Weg zu ihrer Berufung war sie da schon: „Ich habe schon immer helfen wollen.“ Für die Deutsche Gesellschaft für Alternativmedizin hat sie da schon unterrichtet. Und leistete neben ihrer Arbeit als Personalrätin schon Hilfe auf psychologischem Sektor. Es folgte eine Fachausbildung zur Systemischen Coachin und Veränderungs-Managerin, zur Mediatorin und Konfliktmanagerin.

Raus aus der Hängematte

Langweilig werde es ihr nie, weil sie immer wieder Neues versuche, sagt sie. Auch jetzt bei ihrer Arbeit in ihrem Unternehmen Lebens-Linie.de. Sie ist Resilienz-Trainerin, Mediatorin, eine auch von Printmedien und vom Fernsehen viel beachtete Beziehungsexpertin und geprüfte psychologische Beraterin. Sie coacht und berät Paare und Einzelpersonen, die ihr Leben oder ihre berufliche Karriere verändern wollen.

Dabei ist ihr immer eines wichtig: „Die Menschen sollen verstehen, dass wir selbst viel in der Hand haben.“ Zwar liebe sie ihren Job, weil sie die Menschen liebe. Dennoch bringe sie die Dinge auf den Punkt. Wer Hilfe brauche, müsse aus der Hängematte der Selbstzufriedenheit raus, müsse Verantwortung für sich übernehmen, damit es auch mit anderen klappe. So wie es Sabine Lahme auf ihrem steinigen Lebensweg selbst getan hat. Ihren Humor hat sie dabei nie verloren: Ihr Buch hätte sie gerne „Die Lahme kann gehen“ genannt. Der Verlag wollte allerdings das Wort „Resilienz“ im Titel. Vielleicht taugt der Satz ja als Filmtitel. Denn wie es aussieht, könnte sich auch ihre Prophezeiung vom verfilmten Leben bald erfüllen.

Darum geht es im Buch „Mit Resilienz Krisen überwinden“

Wer Stress, Überforderung und Krisen Parolie bieten will, braucht Resilienz: psychische Widerstandskraft. Laut Resilienz-Trainierin Sabine Lahme ist diese Kraft trainierbar und stets nutzbar. In ihrem Buch „Mit Resilienz Krisen überwinden“ gibt es einfache und durchaus auch unterhaltsame Erklärungen für negative und positive Verhaltensmuster. In sieben Kapiteln stellt sie die sieben Säulen der Resilienz vor: Akzeptanz, Optimismus, Lösungsorientierung, Opferrolle, Verantwortung, Netzwerkorientierung und Zukunftsplanung. Ihre Erklärungen sind sehr bildhaft und klar verständlich. Alle Kapitel werden durch einfach verständliche und praktizierbare Übungen bereichert. Hinzu kommen Übungen gegen die Angst, für das Selbstbewusstsein und den bewussten Atem.

Immer wieder streut die Autorin Geschichten aus ihrem eigenen bewegten Leben ein. Ihr großer Held, ihr Mentor über den Tod hinaus, ist zum Beispiel ihr Großvater, der mit ihr von Frickenhausen aus im Goggomobil zum Besuch der Schwester in den Schwarzwald fuhr und ihr erklärte, dass sie nur das tun solle, was sie wirklich wolle.

Sabine Lahme will den Leser animieren, Gestalter des eigenen Lebens zu sein und aus der sogenannten Opferrolle auszubrechen. Dazu gehöre aber oft der Mut, Verantwortung zu übernehmen und Veränderungen anzustreben. Das bedeute auch, erwachsen zu sein oder zu werden. Gerade aus ihrer eigenen teilweise dramatischen Lebensgeschichte heraus erklärt sie, dass man es selbst in der Hand habe, wie man mit einer Situation umgehe, ohne im Buch besserwisserisch oder abgehoben zu erscheinen.

Sabine Lahme: Mit Resilienz Krisen überwinden. mgv-Verlag München, 2023; 240 Seiten im Softcover; 17 Euro.