Kreis. Fast 2000 Menschen haben sich im vergangenen Jahr an die Psychologischen Beratungsstellen des Kreisdiakonieverbands im Landkreis Esslingen gewandt. Konflikte in Familien und Paarbeziehungen, seelische Nöte und Lebenskrisen von Einzelpersonen waren Anlässe, um Rat, Orientierungshilfe oder Begleitung zu bitten. Die Corona-Pandemie hat dabei viele Problemlagen verschärft, gleichzeitig eröffneten sich für die Beratungsstellen auch neue Kontaktmöglichkeiten. Das Ende einer Paarbeziehung, der Verlust des Arbeitsplatzes, Erziehungsprobleme oder Sprachlosigkeit in der Familie, traumatische Erfahrungen oder diffuse Zukunftsängste - viele Menschen erleben akute seelische Not oder schleichende Gefühle der Ausweglosigkeit.
„Krisen gehören zum Leben, und wir wollen Mut machen, sich Beratung oder Begleitung zu suchen", fasst Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands Landkreis Esslingen (KDV), bei der Vorstellung des Jahresberichts die Aufgaben der Psychologischen Beratungsstellen zusammen. Die Mitarbeiter des Diakonischen Beratungszentrums Esslingen und der Beratungsstelle Filder in Bernhausen mit den Außenstellen Echterdingen und Nellingen hatten im vergangenen Jahr 1875 Menschen unterstützt, begleitet und stabilisiert.
Die Begleitumstände der Pandemie haben die Beratungsstellen auch neue Wege gehen lassen. So wurden erstmals auch Telefon- und Videoberatungen
Erstmals auch Videoberatung
angeboten. "Anfangs waren wir da etwas scheu, doch wir haben gesehen, dass viele auch dankbar waren, dass sie das nutzen konnten", erzählt Christina Berner von der Beratungsstelle Filder. So haben 2020 etwa ein Drittel der Termine auf Distanz stattgefunden, Jugendliche werden auch über soziale Medien angesprochen. „Schambesetzte Themen oder Aggressionen lassen sich am Telefon manchmal leichter besprechen. Da können wir ansetzen. Andere Menschen sind froh, dass wir ein Video-Angebot machen und sie das Haus nicht verlassen müssen. Corona eröffnet uns also auch Spielräume in der Methodik", sagt Berner.
Eberhard Haußmann ermutigte mit dem Satz „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch" des Dichters Friedrich Hölderlin, die Angebote der Beratungsstellen zu nutzen. „Menschen haben auch in Krisensituationen viele Ressourcen, ihr Leben zu meistern. Wir können eine Orientierungshilfe dafür anbieten." Peter Stotz
Info Der KDV hat einen Kurzfilm zum Thema Lebensberatung erstellt, in dem Ratsuchende und Mitarbeiter zu Wort kommen. Den Film und weitere Informationen findet man unter www.kreisdiakonie-esslingen,de/rat-und-hilfe. Kinder und Jugendliche können sich unter www.onbera.de an den KDV wenden.
Corona als zentrales Thema
Wie Christiana Berner, die Leiterin der Beratungsstelle Filder, berichtet, suchten Menschen aus allen Lebenssituationen und mit einem breiten Spektrum an Fragen nach Rat. 65 Prozent der Fälle betrafen die klassische Familien- und Erziehungsberatung, 30 Prozent wünschten als Einzelpersonen Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen, bei den restlichen fünf Prozent handelte es sich um Beratungen für Paare. „In allen Beratungsbereichen ist Corona zentral", hat Berner beobachtet. „Das wird uns auch noch lange begleiten." Ralf Weers, der kommissarische Leiter des Beratungszentrums Esslingen, ergänzt: „Neben den vielen Problemen, die immer da sind, hat Corona vieles verschärft und zugespitzt. Seelische und materielle Probleme haben sich überlagert, und damit sind die Problemlagen viel komplexer geworden." Ohnmachtsgefühle und Ängste kämen etwa mit finanziellen Sorgen zusammen, das ständige Beisammensein in einer kleinen Wohnung verursache bei vielen Familien Stress und latente Aggressionen. "Es kommen nun verstärkt junge Leute in die Beratung, die nicht zur klassischen Klientel gehören, und wir sehen, dass sie hoch belastet sind", sagt Berner. pst