Die Beziehung zwischen Russland und Deutschland steht derzeit wieder einmal unter Druck. Das Riesenreich ist nicht nur Deutschlands größter Gas- und Öllieferant, es sorgt im Ukraine-Konflikt auch für akute Kriegsgefahr. Aktuell hat Präsident Wladimir Putin mehr als 100 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Nils Schmid, macht aber trotz der unverändert hohen Gefährdungslage Hoffnung. „Die Diplomatie ist in den letzten zehn Tagen stärker geworden und hat zu einer Deeskalation geführt“, sagt der Nürtinger Abgeordnete gegenüber dem Teckboten. Dass die Nato mit Manövern gerade in den osteuropäischen Staaten in den letzten Wochen stärker Präsenz zeigt, hält er ebenso für richtig. „Aber nur in Verbindung mit Diplomatie. Abschreckung und Gespräche gehören zusammen“, sagt er und fügt in Anspielung auf die russische Annexion der Krim 2014 hinzu: „Außerdem gibt es eine reelle Bedrohung. Wir dürfen nicht vergessen, dass Russland seinen Nachbarn schon einmal angegriffen hat.“
Waffen zur Selbstverteidigung könne man der Ukraine aber nicht liefern, betont der SPD-Politiker. „Ich verstehe den Wunsch der Ukraine nach militärischer Unterstützung. Wir haben das Land in den vergangenen Jahren wirtschaftlich massiv mit großen Finanzhilfen unterstützt, aber militärisch ist das nicht möglich.“ Es gebe eine klare Vorgehensweise der Bundesregierung: In Krisengebiete dürfen keine Waffen geliefert werden, so der Abgeordnete.
Nils Schmid setzt vielmehr auf Diplomatie. Derzeit ist das sogenannte Normandie-Format wieder aktiviert worden: Die seit 2014 bestehende semi-offizielle Kontaktgruppe auf Regierungs- und Außenministerebene besteht aus Vertretern aus Russland, Deutschland, Frankreich und der Ukraine. Auch beim Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sei es um die Ukraine gegangen, sagt er. Auch vonseiten der USA gebe es diplomatische Bemühungen, die man fördern müsse, außerdem tage der Nato-Russland-Rat erstmals seit zwei Jahren wieder. Nils Schmid begrüßt das ausdrücklich: „Je mehr Formate aktiv sind, umso besser. Aber da passen Waffenlieferungen nicht hinein“, erteilt er dem Wunsch der Ukraine nach militärischer Unterstützung eine Absage.
Eng verbunden mit der Ukraine-Krise ist der Streit um die Inbetriebnahme der russischen Gaspipeline Nord-Stream-II. „Für uns ist klar, dass wir im Falle einer militärischen Intervention Russlands in der Ukraine Sanktionen verhängen und dazu könnte auch ein Stopp von Nord-Stream-II sowie ein Ausschluss aus dem Abrechnungssystem Swift gehören“, betont Nils Schmid. Auch Öl-Exporte in die USA könnten unterbunden werden, wolle man auf Russland ernsthaft Druck ausüben. Alle Optionen müssten erhalten werden: „Wichtig ist, dass Putin sich nicht ausrechnen kann, was ihm droht.“ Wenn der größte Energielieferant wegfällt, drohen Engpässe. „Wir müssen unsere Abhängigkeit reduzieren, vor allem vom Gas. Wir haben EU-weit Flüssiggas-Häfen ausgebaut, das kommt jetzt zum Tragen.“
Führende diplomatische Rolle für Deutschland
„Uns ist wichtig, dass Deutschland eine führende Rolle bei den diplomatischen Vermittlungen einnimmt“, sagt er. Dabei sei es wichtig, auch die europäischen Partner ins Boot zu holen und deren Belange zu sehen. Ein eigenes EU-Militär lehnt er aber ab: „Im Rahmen der Nato sind wir gut genug aufgestellt.“
Bestrebungen der Ukraine, sich der EU anzunähern, würde Schmid offen gegenüberstehen, auch wenn es zu diplomatischen Verwerfungen mit Russland führen würde. „Russland darf seinen Nachbarstaaten nicht vorschreiben, welchen Weg sie gehen.“ Grundsätzlich müsse man mit Russland eine Kooperation anstreben in dem Bewusstsein, dass die Führung wenig Bereitschaft habe, sich zu öffnen. „Die Spielräume für Reformen in Russland werden immer enger, sowohl wirtschaftlich als auch politisch.“
Russland-Kritik und Normandie-Quartett
Nils Schmid gehört zu den SPD-Politikern mit einer eher russlandkritischen Haltung. Die „Zeit“ zählt ihn zu Leuten wie Michael Roth, der sagt: „Das östliche Europa ist nicht der Vorhof der Macht Putins.“ Daher hat er auch keine Probleme mit einer Nato-Osterweiterung.
Die Bundeswehr muss laut Schmid gut und modern ausgerüstet sein. „Die SPD war nie eine rein pazifistische Partei“, sagte er in einem Gespräch mit dem Journal für Internationale Politik und Gesellschaft. Schmids Credo. „Europa muss handlungsfähig sein, wenn es darauf ankommt.“
Das von Schmid favorisierte Normandie-Format, auch Normandie-Quartett genannt, hatte seinen Ursprung 2014 bei einem Treffen von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem französischen Staatschef François Hollande. Anlass waren die Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Alliierten-Landung in der Normandie. Seitdem gab es mit dem aktuellen Treffen acht weitere. zap