Notzingen. Die Schreckensmeldungen über die zahlreichen im Mittelmeer ertrunkenen Geflüchteten reißen nicht ab. Die Notzinger SPD-Gemeinderatsfraktion stellte deshalb den Antrag, dass sich die Gemeinde an der Initiative „Seebrücke - Schafft sichere Häfen“ beteiligt und so ein Zeichen für Menschlichkeit setzt. Für Ärger sorgte die Reaktion von Bürgermeister Sven Haumacher.
Seit Gründung der Initiative im Juli 2018 haben sich zahlreiche deutsche Städte, Gemeinden und Kommunen solidarisch erklärt. Ziel ist, den Geflüchteten, die den gefährlichen Weg übers Meer überlebt haben, einen „sicheren Hafen“ zu bieten, indem beispielsweise Geflüchtete zusätzlich zur je nach Gemeinde festgelegten Quote aufgenommen werden. Im Antrag schlug die SPD-Fraktion vor, in Notzingen gegebenenfalls fünf weitere Menschen aufzunehmen. Zusätzlich solle an die Bundesregierung appelliert werden, sich weiter für die Bekämpfung der Fluchtursachen und die Rettung der Menschen im Mitteleer einzusetzen.
Bürgermeister Sven Haumacher, der sich in Elternzeit befindet und daher in der ersten Sitzung nach den Sommerferien von Hans Prell (UKW) vertreten wurde, hatte zum Antrag der SPD eine Stellungnahme verfasst. Die Gemeinde erfülle ihre Aufnahmepflicht über dem Soll. Das lag 2018 bei 21 Personen, aufgenommen wurden 30. Im Jahr 2019 hat die Gemeinde zusätzlich vier weitere Personen aufgenommen. Dadurch sei Notzingen auch im kommenden Jahr eine der wenigen Kommunen im Landkreis, die über ihr Soll hinaus Geflüchtete aufgenommen habe. Eine weitere Aufnahme sei kaum vermittelbar.
Die weitere Argumentation stieß einigen Räten sauer auf. So regt der Rathauschef an, dass die elf Gemeinderäte, die beim letzten Mal dafür gestimmt hatten, den SPD-Antrag weiter zu beraten, „als gute Beispiele vorangehen und in ihrem Zuhause Flüchtlinge aufnehmen“ könnten. „Dann hätte nicht die Allgemeinheit die Unterbringungslast zu tragen und der Vorschlag wäre den Bürgern leichter zu vermitteln. Wenn diese Empfehlung umgesetzt ist, kann im Ratsgremium über eine weitere freiwillige Aufnahme von Migranten beraten und beschlossen werden“, heißt es in der Vorlage. Zudem weist Haumacher darauf hin, dass Einwanderungspolitik und Seenotrettung nicht zu den Themenfeldern des Gemeindrats zählen. Wer an die Bundesregierung appellieren wolle, könne das privat tun, sich an einen Abgeordneten wenden oder für ein Bundestagsmandat kandidieren.
Bei diesen Formulierungen riss dem ein oder anderen die Hutschnur: „Das ist polemisch und tatsachenfremd“, ärgerte sich Gemeinderätin Vera Morlok-Gommel (UKW). Ja, die Gemeinde sei möglicherweise zu klein, um sich der Initiative anzuschließen. Darüber zu sprechen sei aber wichtig. Man könne sich ja an den Landkreis wenden und so ein Zeichen setzen. Fraktionskollegin Irmtraut Schneider bezeichnete die Äußerungen des Schultes gar als „verbalen Totalaussetzer“ und unverschämt im Umgang mit dem Gemeinderat: „Man muss über alles reden können, bevor man so diffamiert wird.“ Auch Helmut Langguth (SPD) verstand die Sitzungsvorlage als Beleidigung.
Kämmerer Sven Kebache, Hans Prell (UKW) und Alfred Bidlingmaier (CDU) versuchten, etwas Emotion herauszunehmen. Sachlich gesehen, habe die Gemeinde ihre Aufgabe mehr als erfüllt. Man sollte zudem noch freie Plätze für unvorhersehbare Situationen in den Unterkünften beibehalten, merkte Hans Prell an. „Es geht nicht um Statistiken sondern um Menschenleben“, betonte Ulrich Blattner (SPD). Grundsätzlich sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen und nicht abzuwarten, bis „Anweisung von oben kommt“. Der SPD-Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Katja Eisenhardt