Die Stadt Kirchheim sucht einen „Klimamanager (m/w/d)“, die Stadt Esslingen je einen Chef oder eine Chefin fürs Wirtschafts- und Stadtplanungsamt. Der Landkreis Esslingen hat gleich mehrere Stellen ausgeschrieben. Rutesheim aus dem Nachbarlandkreis Böblingen buhlt um einen Bautechniker oder Bau-Ingenieur fürs Tiefbauamt, die Große Kreisstadt Wiesloch aus dem Rhein-Neckar-Kreis um Expertise im Bereich Umwelttechnik und Erneuerbare Energien. Und das 5600 Einwohner kleine Baltmannsweiler wirbt als „attraktive Gemeinde im Landkreis Esslingen“ um einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin in der Finanzverwaltung „mit Führungsaufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten“. Alles Anzeigen aus einer einzigen Samstagsausgabe dieser Zeitung im vergangenen Monat.
Sie dokumentieren einmal mehr den Personalnotstand in den Rathäusern, der schon längst nicht mehr „nur“ im Kita- und Grundschulbereich aufklafft. Der ist zwar nach wie vor die Baustelle in den öffentlichen Verwaltungen, „die uns am Ärgsten im Magen liegt, weil er belastende Auswirkungen für alle Beteiligten hat“, wie es der Plochinger Bürgermeister Frank Buß formuliert. „Aber der Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst ist mittlerweile in seiner kompletten Breite bei uns angekommen.“ Seit über einem Jahr sucht Plochingen einen Bauverständigen sowie einen Bautechniker für den Gebäudeunterhalt. Verschiedene Mitarbeiter stünden kurz vor der Rente, nun habe auch noch der Umweltbeauftragte seinen Abschied angekündigt, klagt der Verbandsbauamtsleiter Wolfgang Kissling.
Fachkräfte fehlen überall
„Im Laufe der nächsten zehn Jahren verabschieden sich viele Beschäftigte in den Ruhestand“, bestätigt Christiane Conzen, Sprecherin des baden-württembergischen Städtetags. „Zusammen mit dem fehlenden Nachwuchs wird die Personallücke dadurch immer größer.“ Dazu kommt die boomende Bauwirtschaft, in der besser bezahlt wird als im tariflich geregelten öffentlichen Dienst. „Der Fachkräftemangel ist aber nicht nur ein Problem des öffentlichen Diensts, sondern trifft alle Branchen. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen sukzessive in den Ruhestand und es fehlt der Nachwuchs. Es gehen uns hier schlichtweg die Menschen aus“, bilanziert der Plochinger Bürgermeister Buß.
Seit Jahren habe man im öffentlichen Dienst einen Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenmarkt, sagt Corinna Breitkopf, Personalchefin im Esslinger Rathaus : Wer einen Job sucht, kann aus einem vollen Topf schöpfen. „Und womöglich kämpft der öffentliche Dienst auch mit einem ,verstaubten’ Image, das ihm fälschlicherweise teilweise noch anhängt.“ In Esslingen laufen derzeit Auswahlverfahren für 30 vakante Stellen aus den verschiedensten Bereichen. Dazu kommen zwei Dauerausschreibungen für pädagogisches Personal in den Kindertagesstätten und Schulen. In Ostfildern sind laut Pressesprecher Dominique Wehrle 40 Stellen unbesetzt, in Kirchheim rund 19 Stellen in der Kernverwaltung – aber nur wenn man den Kita-Bereich ausblendet, betont Kirchheims Rathaussprecher Robert Berndt.
Mit weichen Faktoren punkten
Übertarifliche Bezahlung ist schwierig und würde die Preisspirale nur nach oben treiben. „Wir sitzen ja alle im gleichen Boot“, so Simon Schmid, Bürgermeister in Baltmannsweiler. Wie alle anderen Städte und Gemeinden versucht auch die Schurwald-Kommune, mit den weichen Faktoren zu punkten. Bislang hat sie mit dieser Strategie ein glückliches Händchen. Fortbildung, Aufstiegsperspektiven, Homeoffice, attraktive Arbeitszeitmodelle, Jobticket – das gehört allerdings fast schon zum Standard. Ostfildern bietet darüber hinaus mehr Urlaub und einen leistungsorientierten Bonus an. Im besonders umkämpften technischen Bereich nutzt die Esslinger Verwaltung nicht nur Fachportale, sondern auch Social Media, Rekrutierungsmessen und Headhunter. Um Engpässe etwa in Schulbetreuung oder Bürgeramt zu überbrücken, sind auch Zeitarbeitsfirmen nicht tabu.
Die Pandemie hat dem Interesse an einem sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst kurzfristig wieder etwas Aufschwung verliehen, hat man in Ostfildern und Esslingen beobachtet. Nachdem sich aber viele Wirtschaftsunternehmen wieder erholt hätten, bemerke man einen gewissen Rückgang, bedauert Breitkopf: „Aber dennoch spiegelt sich der Wandel gerade der jüngeren Generationen in Bezug auf das Bewusstsein für Umweltschutz, moderne Stadtentwicklung und den Wunsch für sinnstiftende Arbeit auch in der Bewerberlage wider“. Im Rathaus könne man diese Themen eher mitgestalten als auf dem freien Markt. Das hält auch der Baltmannsweiler Schultes Simon Schmid für den dicksten Pluspunkt: „Die Mitarbeit in der öffentlichen Verwaltung deckt eine Vielzahl an Themenfeldern und Aufgaben ab. Das gibt einem große Zufriedenheit.“
Es fehlt an allen Ecken und Enden – vor allem in Kitas, Bauverwaltung und IT
Mängelliste „Der Personalmangel ist ein schleichender Prozess, der durch den demografischen Wandel verstärkt wird“, sagt Christiane Conzen, Sprecherin des Städtetags Baden-Württemberg. Die größten Personallücken in den Rathäusern der baden-württembergischen Städte tun sich bei den Ingenieurinnen und Ingenieuren, im Technik- und Erziehungsbereich sowie insbesondere bei den IT-Fachkräften auf. „Aber auch bei den klassischen Verwaltungsbeamtinnen und -beamten gibt es durch den demografischen Wandel ein Nachwuchsproblem.“
Korrekturversuche „Die Städte haben den Fachkräftemangel schon seit einiger Zeit als Herausforderung begriffen“, so Conzen. Sie würden sich als attraktive Arbeitgeber positionieren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und moderne Arbeitsplätze anbieten. Auch die Vielfalt der Aufgaben und die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit würden sie zunehmend mehr in den Vordergrund rücken. Und natürlich das Thema berufliche Sicherheit. biz