Plötzlich ist er da, der Tag, an dem es nicht mehr ohne geht. Ob ein Sturz, der das Leben schlagartig verändert oder eine chronische Krankheit wie Multiple Sklerose oder Parkinson, man benötigt einen Rollator. Egal, ob kurz- oder langfristig: Vermutlich gibt es niemanden, der so richtig Lust auf die zugegebenermaßen unterstützende Gehhilfe hat.
Wie man damit in der Stadt sicher von A nach B kommt soll ein Selbstversuch in Weilheim zeigen. Es ist ein sonniger Tag unter den Kastanien vor der Peterskirche, und ich will es wissen. Wie ist das, einen „Rentnerporsche“ – wie die Jugend zu sagen pflegt – zu fahren?
Auch wenn Senioren, die sich mithilfe eines Rollators fortbewegen, längst zum Ortsbild gehören, fühle ich mich „noch“ viel zu jung dafür. Doch dann geistern im Kopf Bilder herum, wie ich beispielsweise nach einem Unfall die Stütze auf vier Rädern schätzen würde, garantiert sie mir doch Mobilität. Man muss da über seinen Schatten springen, denke ich und bin mir ziemlich sicher, dass es bei den 14 Mitwirkenden, „beim ersten Mal“ nicht viel anders war.
Bevor sich die Armada der Rollatoren in Bewegung setzt, überprüft Roland Wierll, ein Mitarbeiter des Sanitätshauses Maisch, ob die Körpergröße zur Gehhilfe passt – und muss tatsächlich bei einigen Modellen die Höhe korrigieren. Er erklärt: „Achten Sie darauf, dass sich die Griffe etwa auf Höhe ihrer Handgelenke befinden, wenn ihre Arme gerade herabhängen. Fast man die Griffe an und steht zwischen den Hinterrädern, sollten die Ellenbogen leicht gebeugt sein.“ Darüber hinaus ist es wichtig, dass man ab und zu die Bremsen testet. „Sie sollten so eingestellt sein, dass man jederzeit leicht, aber auch stark bremsen kann“, sagt Roland Wierll.
Kursleiter Jürgen Heiner, der vom Sozialverband VdK zusammen mit Rosemarie Bühler, vom Verein „Soziales Netz Raum Weilheim“, die Aktion organisiert hat, freut sich, dass so viele Interessierte erschienen sind. „Wir üben nach unserem kleinen Rundgang außerdem das Ein- und Aussteigen am Bus.“
Auch Bürgermeister Johannes Züfle ist der Einladung gefolgt, schildert kurz, welche Punkte in Weilheim verbessert wurden. Als sich die kleine Gruppe in Bewegung setzt, halte ich mich in der Mitte, um links und rechts zu schauen, wie man den Rollator korrekt bewegt. Und das ist beim Kopfsteinpflaster gar nicht so einfach. Nach wenigen Metern bleibt mein Gefährt abrupt stehen. Durch den ungewollten Stopp ist es mir schmerzhaft in den Nacken gefahren. Was war passiert? Ein fieses Loch zwischen zwei Pflastersteinen hat das vordere rechte Rad quasi wie aus dem Nichts quer gestellt, ein Malheur, dass bei diesem Straßenbelag häufig passieren kann. Was bedeutet, man muss zumindest auf Kopfsteinpflaster vorausschauend fahren. Ansonsten macht die Gehhilfe nicht immer das, was ich will. Bei den Kurven muss ich noch ganz schön üben.
Regis Deißler ist seit einem dreiviertel Jahr mit dem Rollator unterwegs. Sie verrät: „Ich hatte drei Knie-OPs, bin am Anfang mit Krücken gelaufen und komme mittlerweile ganz gut damit klar“, erzählt die 85-Jährige Weilheimerin.
Erika Schultheiss benutzt die Gehhilfe seit sechs Jahren und fährt oft mit dem Bus. Ihr Rollator ist aus fünf Kilogramm leichten Carbon, was die 80-jährige Seniorin aus Hepsisau aufgrund ihrer acht Schrauben im Kreuz, „ich hatte den ersten Lendenwirbel gebrochen“, als sehr hilfreich empfindet. Ihr Problem ist aber, dass der Bus immer ohne sie wegfährt, weil es zu lange dauern würde, bis sie am Einstieg ist. Deshalb rät Klaus Mater, seit 30 Jahren Busfahrer bei Omnibus Fischer, allen Anwesenden: „Sie müssen rechtzeitig winken und eindeutig ersichtlich machen, dass Sie mitwollen. Das sehen wir dann im Außenspiegel und können so auch bei Bedarf die Rampe holen.“
Überraschend gut klappt es bei allen mit dem Ein- und Aussteigen, manche kippen ihren Rollator oder heben ihn je nach Gewicht leicht an. Das mit dem Pedal zum Kippen muss ich jedenfalls noch üben, für mich ist es zunächst einfacher, das Gefährt direkt in den Bus zu tragen. Die kleine Tour durch Weilheim stellt jetzt keine große Herausforderung dar, weil die Strecke kein Gefälle und überwiegend abgesenkte Bordsteine hat und wir ausschließlich über Zebrasteifen die Straßen überqueren. Allerdings, was mir in Erinnerung bleiben wird, sind die netten Menschen, wie auch Renate Koser, die von ihrem Ehemann Manfred begleitet wird und ein inneres Versprechen: Egal, wann oder wo: Ich werde nie wieder ungeduldig reagieren, wenn jemand vor mir mit einem Rollator unterwegs ist.