Man konnte am Wochenende den Eindruck bekommen, als seien beide Ortschaften auf den Beinen: In Wendlingens Ortsmitte und an den anderen Spielstätten in Köngen herrschte reges Treiben: Der Treffpunkt Stadtmitte und das Johannesforum waren ebenso Wettbewerbsorte für den 60. Regionalwettbewerb „Jugend musiziert“ wie die Zehntscheuer in Köngen und die Mörikeschule.
Es war eine Premiere für die Musikschule Köngen-Wendlingen, wie Schulleiter Ole Abraham betont: „Es ist das erste Mal, dass eine der kleineren Musikschulen in der Region den Wettbewerb ausrichtet.“ Sonst seien es die großen städtischen Musikschulen gewesen, beispielsweise in Nürtingen, Esslingen oder Filderstadt. Es sei ein großer logistischer Aufwand mit über 50 Helfern, die an den vier Standorten im Einsatz waren. Musiklehrer, Eltern und fortgeschrittene Schüler sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Der Förderverein betrieb das Café im Treffpunkt Stadtmitte für das Wettbewerbs-Wochenende als „Jumu-Café“.
Zwei Tage lang zeigten Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 19 Jahren ihr Können vor Juroren und Publikum. Über 300 Musikschüler hatten sich für den Regionalwettbewerb in Wendlingen angemeldet. In acht Kategorien gab es Wertungen, das Spektrum reichte von Klavier und Harfe, über Gesang, Drumset und Gitarre bis hin zu Klassik für Streich- und Blasinstrumente.
Relativ frisch im Programm von „Jugend musiziert“ ist die Neue Musik. Auf diese Wertung hatten sich Franziska Höffler aus Wendlingen (Querflöte), Antonia Brunhorn (Mezzosopran) aus Kirchheim, Joana De Souza (Klarinette) aus Oberboihingen, Greta Knapp (Oboe) aus Owen und Ruben Longin (Percussion) akribisch vorbereitet. „Unsere Proben haben vor den Sommerferien begonnen“, sagt Franziska. Bis auf den 13-jährigen Ruben sind alle Schülerinnen der Musikschule Köngen-Wendlingen. Ruben, der aus Altenriet kommt, ist Schüler der Musikschule Filderstadt. Eigens für das Quintett hat die Stuttgarter Komponistin Sophie Pope das Werk „Think don’t think“ geschrieben. Im Juli 2022 wurde es fertig.
Unmittelbar darauf begannen die Proben. „Wir hatten drei Probephasen, immer in den Schulferien“, erläutert Greta. Hinzu seien Probewochenenden, Einzelproben und Sonderproben während der Schulzeit gekommen. Bis auf Ruben haben alle schon mehrfach bei Jugend musiziert teilgenommen. Joana De Souza hat dieses Jahr gleich zwei Wertungen, neben dem Ensemble für Neue Musik nimmt sie zusammen mit Leni Göser (Blockflöte) an der Kammermusikwertung teil.
Ungewöhnliche Instrumente
„Die Neue Musik ist interessant, weil sie ganz andere Spieltechniken erfordert als die Klassik“, sagt Joana. Die Musik sei viel experimenteller und technisch sehr anspruchsvoll. Sich auf eine solche Wertungsprüfung vorzubereiten, erfordere sehr viel Disziplin, ergänzt Franziska. Aber es mache natürlich auch sehr viel Spaß, sich auf etwas Neues einzulassen. Das Stück ist anspruchsvoll: 18 Minuten, mit zahlreichen Tempowechseln und es variiert von melodischen Parts zu stark rhythmusbetonten Stellen. Das Stück fordert den Musikern und ihren Instrumenten viel ab. Und es bringt auch ungewöhnliche Instrumente ins Spiel: Ruben spielt nicht nur auf Marimba und Congas, sondern auch auf Kaffeetassen.
Dem Stück, das die Jugendlichen einstudiert haben, liegen zwei portugiesische Gedichte zugrunde, erläutert Annette Haberkern, die Flötenlehrerin von Franziska. Deshalb singt Antonia auch auf Portugiesisch. Bei der Generalprobe am Freitagabend im Gemeindesaal im Johannesforum klappt das Zusammenspiel wettbewerbsreif. Schüler und Lehrer sind zufrieden.
Doch am Samstag merkt man allen die Anspannung an. Es ist voll: Vor dem Saal drängen sich die Zuschauer. Alle Plätze sind belegt. Selbst Bürgermeister Steffen Weigel bekommt nur noch einen Stehplatz am Rand. „Das ist der Wendlinger Fanclub“, hört man es aus den Reihen der Zuschauer raunen. Dann liefert das Quintett ab, und zwar furios: „Es hätte gar nicht besser laufen können“, freut sich Franziska nach dem Wertungsspiel. Greta ist zufrieden: „Ich könnte das jetzt gleich noch mal spielen.“ Ruben analysiert: „Ich habe keine Fehler gehört“. Im Foyer gibt es Glückwünsche und Umarmungen von Verwandten und Freunden.
Höchstwertung erreicht
Später wird bekannt, dass die Jury den vier Musikerinnen und dem Musiker die Höchstwertung gegeben hat: 25 Punkte. Das ist ein erster Preis und damit die sichere Teilnahme beim Landeswettbewerb im März in Künzels-au. Die fünf sind nicht die einzigen, die in die nächste Runde kommen. „Es gab viele Preise und Weiterleitungen zum Landeswettbewerb“, freut sich Musikschulleiter Abraham über das Ergebnis. Es sei insgesamt ein sehr erfolgreicher Regionalwettbewerb gewesen.
Neue Musik
Der Deutsche Musikrat, der den Wettbewerb Jugend musiziert ausrichtet, definiert „Neue Musik“ in seiner Ausschreibung als Musik, die in der Gegenwart oder der jüngsten Vergangenheit entstanden ist.
Die Komponisten verwenden in ihren Werken häufig ungewöhnliche Instrumentenkombinationen. Im Rahmen dieser Wertungskategorie sind ungewöhnliche Besetzungen willkommen. Die Komponisten schreiben in ihren Werken häufig eine ungewöhnliche Tongebung oder Spiel- oder Gesangstechnik vor. In der Kategorie „Neue Musik“ sind auch improvisatorische oder nach Zufallsprinzipien vorzutragende Anteile möglich.
Die „Neue Musik“ verwendet vielfach elektronische Hilfsmittel. Sie dürfen in dieser Kategorie eingesetzt werden. Allerdings: Bei allen Darbietungen muss ein überwiegender Anteil an „live“ dargebotener Interpretation eindeutig erkennbar sein.
Die Kompositionen der neuen Musik überschreiten gelegentlich die Grenze zu anderen künstlerischen Disziplinen und beziehen häufig Elemente etwa aus Literatur, Film oder auch Tanz mit ein. Auch solche Beiträge sind in dieser Wettbewerbskategorie möglich. Allerdings muss auch hier der live dargebotene musikalische Anteil dominieren. psa