Zwischen Neckar und Alb
Reisen ohne Reue

Tourismus Eine Studentin aus Nürtingen tüftelt an einem Portal für nachhaltiges Urlauben auf der Schwäbischen Alb. Von Corinna Meinke

Ein Geis­tes­blitz im Se­mi­nar hat Ame­lie Bau­der auf die Idee ge­bracht. Im sechs­ten Se­mes­ter an der Hoch­schu­le für Wirt­schaft und Um­welt Nür­tin­gen-Geis­lin­gen, wo sie Ge­sund­heits- und Tou­ris­mus­ma­nage­ment stu­dier­te, soll­te sie nach­hal­ti­ge Ur­laubs­ide­en auf der Schwä­bi­schen Alb re­cher­chie­ren. Bald ­merk­te die jun­ge Frau: Da steckt mehr als ei­ne Idee da­hin­ter, das könn­te viel­leicht so­gar ein Ge­schäfts­mo­dell wer­den. Her­aus­ge­kom­men ist „Mei­ne nach­hal­ti­ge Rei­se“, ein Kon­zept für ein neu­ar­ti­ges Rei­se­por­tal für die Schwä­bi­sche Alb - und gleich­zei­tig die Ba­che­lor­ar­beit der Stu­den­tin.

An­bie­ter für nach­hal­ti­ges Rei­sen hat Bau­der ei­ni­ge ge­fun­den, wie et­wa die Bio­sphä­ren­gast­ge­ber. Die Aus­wahl reicht von Fe­ri­en auf dem Bau­ern­hof über Cam­ping, Wan­der­rei­ten bis zu Bio­ho­tels und Well­ness­an­ge­bo­ten. „Mir geht es nicht nur ums Wan­dern, und ich möch­te nie­manden be­keh­ren“, schon gar nicht zu ei­nem kar­gen Ur­laub, wie man­cher ein­wen­den könn­te, er­klärt die jun­ge Frau. Wer nach­hal­ti­gen Ur­laub auf der Alb pla­ne, kön­ne vie­les er­le­ben.

In­ter­es­sier­te sol­len sich auf der Platt­form un­ter­schied­li­che An­ge­bo­te, von der Dau­er und Art der Über­nach­tung über Aus­flug­s­an­ge­bo­te und wei­te­re Ak­ti­vi­tä­ten, zu­sam­men­stel­len kön­nen. Vie­les sei noch nicht so be­kannt, meint Bau­der. So dür­fe es sich ru­hig über­re­gio­nal her­um­spre­chen, dass bei­spiels­wei­se das von der Fa­mi­lie Tress ge­führ­te Bio­ho­tel Ro­se in Hay­in­gen auch Füh­run­gen im ei­ge­nen Kräu­ter­gar­ten an­bie­tet oder das Hof­gut Hop­fen­burg in Mün­sin­gen sei­nen Was­ser­ver­brauch dras­tisch ge­senkt hat und Re­gen­was­ser in Teich­bio­to­pen auf­be­rei­tet.

Aber was ist Nach­hal­tig­keit ei­gent­lich? Bau­der er­läu­tert ih­re Sicht am Bei­spiel der Kurz­rei­se: Wer für ei­ne Wo­che Ur­laub nicht das Flug­zeug nut­ze, son­dern ein re­gio­nal er­reich­ba­res Ur­laubs­ziel am bes­ten mit öf­fent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln an­steue­re, ver­hal­te sich nach­hal­tig. Et­was wei­ter holt Stef­fen Scheu­rer aus, der Pro­fes­sor, der Ame­lie Bau­der bei ih­rer Ar­beit be­treut hat. Ne­ben Na­tur- und Res­sour­cen­schutz sind dem De­kan des Stu­di­en­gangs Ge­sund­heits- und Tou­ris­mus­ma­nage­ment auch zu­frie­de­ne Gäs­te wich­tig, die die Kul­tur, auf die sie tref­fen, nicht ver­än­dern wol­len, son­dern de­ren Viel­falt ge­nie­ßen. Ver­bun­den mit dem Ziel, dass künf­ti­ge Ge­ne­ra­tio­nen das al­les eben­falls er­le­ben kön­nen. Für Scheu­rer steht fest, dass Ba­den-Würt­tem­berg ein Vor­rei­ter für nachhal­tigen Tou­ris­mus ist. Das zei­ge der bun­te Strauß an An­bie­tern bei­spiels­wei­se rund um das Bio­sphä­ren­ge­biet Schwä­bi­sche Alb, wo et­wa im Alb­gut Al­tes La­ger in Mün­sin­gen ne­ben den land­schaft­li­chen, öko­lo­gi­schen und his­to­ri­schen Be­son­der­hei­ten auch hand­werk­li­che Tra­di­tio­nen wie das Ba­cken, die Ar­beit in ei­ner Öl­müh­le, Woll­ver­ar­bei­tung und vie­les mehr ver­mit­telt wer­den. Das Bio­sphä­ren­ge­biet ist 85 000 Hekt­ar groß. Es um­fasst die Land­krei­se Ess­lin­gen, Reut­lin­gen und Alb-Do­nau mit ins­ge­samt 29 Kom­mu­nen. Im Fo­kus steht der 2005 auf­ge­ge­be­ne rund 7000 Hekt­ar gro­ße Trup­pen­übungs­platz Mün­sin­gen.

Kein Wun­der, dass Scheu­rer vie­le lo­ka­le An­bie­ter kennt, be­tei­ligt sich doch die Hoch­schu­le mit zahl­rei­chen Pro­jek­ten an der wis­sen­schaft­li­chen Be­treu­ung des Bio­sphä­ren­re­ser­vats. Al­lein in der dor­ti­gen Part­ner­initia­ti­ve ha­ben sich mehr als 100 Be­trie­be zu­sam­men­ge­tan, de­ren umweltverträg­liches Han­deln, re­gio­na­les Wirt­schaf­ten und Na­tur­schut­z­en­ga­ge­ment sich stren­gen Kri­te­ri­en un­ter­wer­fen soll.

Babyboomer agieren nachhaltig

„Es wird we­ni­ger Bil­lig­flie­ger und we­ni­ger Kreuz­fahrt­schif­fe ge­ben“, pro­gnos­ti­ziert Scheu­rer mit Blick auf die Ver­än­de­run­gen der tou­ris­ti­schen Land­schaft nach Co­ro­na. Schon jetzt zei­ge sich, dass die Ge­ne­ra­ti­on der Ba­by­boo­mer der 1950er- und 1960er-Jahr­gän­ge ähn­lich ge­sund­heits- und um­welt­be­wusst agie­re wie die jun­gen, an Nach­hal­tig­keit in­ter­es­sier­ten Ge­ne­ra­tio­nen Y und Z. Die Äl­te­ren ver­füg­ten häu­fig über die fi­nan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten, ih­re Wün­sche für ei­nen nachhal­tigen Ak­tiv-Tou­ris­mus auch um­zu­set­zen.

Doch zu­rück zur Aus­gangs­fra­ge: Kann Ame­lie Bau­der ihr Kon­zept in ein pra­xis­taug­li­ches An­ge­bot um­mün­zen? Und wie teu­er wird das? „Ich schrei­be jetzt ei­nen Busi­ness­plan“, er­klärt die jun­ge Frau, die in Gra­fen­berg zu­ Hau­se ist. Dann möch­te sie Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner finden. Die Tou­ris­tik In­for­ma­ti­on Mün­sin­gen ha­be be­reits In­ter­es­se an ih­rem Kon­zept an­ge­mel­det. „Tou­ris­mus, so wie wir ihn der­zeit grö­ß­ten­teils be­trei­ben, mit all den Um­welt­be­las­tun­gen, kann so nicht wei­ter­ge­hen“, ist Bau­der über­zeugt.

Falls sich die Stu­den­tin für die Um­set­zung und das un­ter­neh­me­ri­sche Ri­si­ko ent­schei­det, ge­ht es zu­nächst dar­um, die Platt­form im Markt be­kannt zu ma­chen, was ei­ni­ges an Durch­hal­te­ver­mö­gen ver­lan­gt, denn ein Ver­dienst­mo­dell ent­ste­he erst ab ei­ner be­stimm­ten Fre­quenz. Die Men­schen sei­en für das The­ma Nach­hal­tig­keit zwar längst sen­si­bi­li­siert, doch häu­fig feh­le es ihnen an ein­fach zu­gäng­li­chen und ge­bün­del­ten In­for­ma­tio­nen. Des­halb kön­ne ei­ne Platt­form, wie sie Ame­lie Bau­der vor­schwebt, ein ge­wis­ser Be­schleu­ni­ger sein. Zur Sei­te steht Bau­der auch „Zu­kunft.Grün­den“. Mit dem vom Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um ge­för­der­ten Pro­jekt will die HfWU das un­ter­neh­me­ri­sche Den­ken und Han­deln von Stu­die­ren­den und Grün­dungs­­in­ter­es­sier­ten un­ter­stüt­zen.