Zwischen Neckar und Alb
Reisen trotz Corona: Lieber spontan und ohne Erwartungen

Reisefieber Durch die Pandemie wird der Traum von der Auslandsreise vor oder während des Studiums zum großen Risiko. Zwei junge Menschen aus der Region berichten. Von Silja Kopp

Nach dem Abitur oder während des Studiums weit weg reisen, andere Kulturen kennenlernen und Erfahrungen sammeln – das wollten 2021 viele junge Menschen. Doch dann kam die Pandemie. Bei dem einen oder anderen platzte der Traum vom Ausland – und das zum Teil sehr kurzfristig.

Alexander Melzer-Bartsch ist Masterstudent an der Hochschule Esslingen. Innerhalb seines Studiums wurden ihm zwei Auslandssemester wegen Corona abgesagt. Im Sommer 2020

 

Gefühlt waren meine Koffer schon gepackt, als die Absage kam.
Alexander Melzer-Bartsch

 

wollte er in die USA fliegen, um dort ein halbes Jahr zu studieren. „Dort ist dann genau zu dieser Zeit Corona ausgebrochen. Es war unmöglich, da noch hinzufliegen“, erinnert sich der Reichenbacher.

Vor ein paar Wochen wurde ihm dann das zweite geplante Auslandssemester in Japan abgesagt, da das Land die Grenzen für Studenten nicht öffnet. „Mir wurde dann angeboten, dass ich nachts online von Deutschland aus die Vorlesungen anhören kann. Aber das ist ja nicht der Sinn der Sache“, sagt der 25-Jährige. Ein Jahr lang hat er das Semester geplant und dafür extra einen Japanisch-Kurs belegt. Knappe zwei Monate vorher dann die Absage. Jetzt macht er seinen Master fertig und möchte danach privat reisen. Trotzdem ist Alexander Melzer-Barsch enttäuscht. „Ich kann eigentlich niemandem die Schuld geben. Aber ich hätte wirklich gedacht, dass es klappt. Gefühlt waren meine Koffer schon gepackt, als die Absage kam.“

Auch die 19-jährige Sandra Depner aus Altbach musste ihre Pläne über den Haufen schmeißen. Sie war bis 2021 Schülerin am Gymnasium Plochingen und wollte nach ihrem Abitur nach Neuseeland reisen. „Weil ich nicht einreisen konnte, habe ich dann ein halbes Jahr im Kindergarten gearbeitet. Ich hatte die Hoffnung, dass es sechs Monate später besser aussieht“, erzählt sie. Neuseeland hat die Grenzen jedoch bis jetzt noch nicht geöffnet.

Ursprünglich wollte sie „Work and Travel“ machen, eine Form des Reisens, bei der man im Ausland nach Arbeit sucht. „Durch die Pandemie ist mir das zu riskant, weil es vermutlich nicht so viele Jobs im Ausland geben wird“, erklärt sie. Ihr Plan B war, nach England als Au-pair zu reisen, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Seit Januar 2021 ist ein Au-pair-Aufenthalt in diesem Land durch den Brexit nicht mehr möglich.

Sandra Depner meldete sich dann im Internet bei „Au-pair World“ an, um dort nach Familien aus anderen Ländern zu suchen. „Das Portal ist einfach aufgebaut. Man hat ein Profil, auf dem man Bilder und Infos zu sich eingibt und sieht dann verschiedene Profile von Gastfamilien“, erklärt sie. Im Dezember fand sie eine nette Familie, die in der Nähe Stockholms wohnt. „Manche Familien, die ich zuvor gesehen hatte, waren auch etwas seltsam. Zum Teil hatte ich den Eindruck, dass sie eher eine günstige Putzkraft suchen“, erinnert sie sich.

Jetzt möchte sie ab Februar als Au-pair für ein paar Monate eine schwedische Gastfamilie im Alltag unterstützen. Im Dezember bekam sie die Zusage. „Die Familie hat drei Kinder. Der kleinste Sohn ist noch in der Krippe, ein Kind im Kindergarten und die Tochter in der Grundschule“, erzählt die Altbacherin, und sie wird die Kinder betreuen, wenn die Eltern keine Zeit haben. Schwedisch kann sie noch nicht. Dafür geht sie in Stockholm in eine Sprachschule für Au-pairs. „Zurzeit lerne ich mit einer App ein bisschen Schwedisch. Ich muss mich dort ja auch mit den Kindern verständigen können“, erzählt Sandra Depner. Auch ihre Arbeit im Kindergarten bereitet sie gut auf die Zeit im Ausland vor. Für ein Au-pair sind nämlich Erfahrungen in der Kinderbetreuung vorgeschrieben. 

In den letzten Wochen war Sandra Depner nervös. „In meinem Umfeld waren mehrere Menschen corona-positiv und ich hatte Angst, mich kurz vor dem Flug noch anzustecken. Zur Not hätte ich dann aber einen späteren Flug gebucht“, erzählt sie. In Corona-Zeiten sei Flexibilität von Vorteil. Vor ein paar Monaten hätte die 19-Jährige noch nicht damit gerechnet, nach Schweden zu reisen. Jetzt freut sie sich und meint: „Zurzeit kann man einen Auslandsaufenthalt nicht wirklich planen. Ich glaube, man muss das einfach spontan machen.“

Info Au-pairs sind junge Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren, die eine gewisse Zeit im Ausland leben wollen. Sie betreuen Kinder und helfen im Alltag einer Gastfamilie gegen Verpflegung, Unterkunft und Taschengeld. Im Gegenzug lernen sie die Sprache und Kultur des Gastlandes kennen.