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„Reli“ als Abwechslung

Berufung Sieben Lehrerinnen und ein Lehrer sind in Nürtingen feierlich für den evangelischen Religionsunterricht beauftragt worden. Für alle ist das Fach in der Schule nach wie vor von großer Bedeutung. Von Peter Dietrich

Susanne Manz unterrichtet an der Grundschule in Schopfloch alle Fächer bis auf Sport – also auch Religion. „Dort lernt man die Kinder von einer ganz anderen Seite kennen als in den anderen Fächern“, sagt sie. Immer wieder ist sie erstaunt, wie die Kinder auf biblische Geschichten reagieren, wie sie ihre eigenen Erfahrungen erzählen. Als es erfuhr, wie David mit einer Steinschleuder den Riesen Goliath getötet habe, habe ein Kind gesagt: „Da war die Mutter von Goliath bestimmt traurig.“ Dass sie gerne „Reli“ unterrichtet, hängt auch ein wenig mit ihren eigenen Erinnerungen zusammen. „Ich wurde damals von der humorvollen Frau vom Pfarrer unterrichtet, sie hatte Freude am Erzählen biblischer Geschichten. Ich habe es geschätzt, dass ich dort als Kind offen reden konnte.“

Acht staatliche Lehrkräfte – sieben Frauen und ein Mann – bekamen am Sonntag in der Stadtkirche St. Laurentius Nürtingen ihre „Vocatio“, die kirchliche Beauftragung für den evangelischen Religionsunterricht in den Kirchenbezirken Nürtingen und Kirchheim. Denn ein Großteil dieses Unterrichts wird nicht von Pfarrerinnen und Pfarrern, sondern von staatlichen Lehrkräften erteilt. Sie haben neben ihren anderen Fächern auch Theologie studiert. Religion ist in Baden-Württemberg ein „ordentliches Lehrfach“. Damit, sagte Schuldekanin Dorothee Moser, bekenne sich der Staat zur wichtigen Bedeutung von religiöser Bildung und ethischer Orientierung. Manchmal seien die Religionslehrer die ersten und teils auch einzigen Menschen, die mit einem Kind über Gott, den Glauben und ethische Fragen sprechen.

Carola Dietz tut dies gerne an der Teckgrundschule Kirchheim, Kathrin Krohmer an der Gemeinschaftsschule Frickenhausen, Ramona Wölfel an der Alleenschule in Kirchheim und Hanne Sailer an der Auwiesenschule in Neckartenzlingen. Lisa Henzler ist an der einzügigen Grundschule in Raidwangen aktiv.

Jim Lukas Muncke unterrichtet an der beruflichen Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule in Kirchheim und erlebt dort „Reli“ als willkommene Abwechslung zur „trockenen BWL, in der die Schüler selbst gar nicht vorkommen“. Das sei in Religion das Gegenteil: „Ich beschäftige mich damit, was die Schüler beschäftigt.“ Im Alter ab 16 Jahren stellten die Schüler wieder Fragen, anders als noch kurz zuvor. An der Berufsschule ist der Religionsunterricht interreligiös, es sind Muslime und orthodoxe Christen dabei. Der Lehrer erlebt interessante Diskussionen: „Was unterscheidet uns? Wo sind Gemeinsamkeiten?“ Schüler lernen, dass die Orthodoxen Weihnachten erst am 6. und 7. Januar feiern. Sie können nun einordnen, warum ein gläubiger Muslim in der Firma gegenüber Frauen lieber schweige. „Nicht, weil er sie nicht leiden kann, er ist sogar sehr nett, das hat mit den Bestimmungen seiner Religion zu tun.“

Dass Religionsunterricht nicht immer einfach ist, weiß auch die Nürtinger Dekanin Christiane Kohler-Weiß. Sie berichtete, dass sie manchmal vor der Klassentür innehielt, während es drinnen schon tobt. „Dann habe ich nochmals jeden einzelnen Namen gesagt und ihn vor Gott gebracht – der ‚lieben‘ Kinder und der ‚bösen‘ Kinder, die immer nur stören.“ Einmal, so die Dekanin, habe sie ihr eigener Sohn gefragt: „In Deutsch lerne ich Lesen und Schreiben, in Mathe lerne ich Rechnen, aber was lerne ich bei dir in Reli?“ Damals habe sie auf die „Mutmachgeschichten“ verwiesen. Diesmal griff die Dekanin in ihrer Predigt drei Aspekte heraus: „Reli“ wolle Jugendlichen helfen, eine konstruktive und machtkritische Haltung einzunehmen. Es solle ihnen vermitteln, dass sie in Gott ein Gegenüber haben, zu dem sie beten können. Und es solle ihnen ein Gespür für die Universalität der Menschheitsfamilie geben: „Wir alle sind Kinder Gottes.“