Ehrenamt
Retter in der Tiefe

Ein Abstieg ins Erdreich ist nie risikofrei. Passiert dort ein Unglück, kommen die Höhlenretter zum Einsatz. Fee Gloning, Leiterin der Malteser Höhlenrettung, gibt einen Einblick in ihre Arbeit.

Fee Gloning (links vorne) bei einer Rettungsübung im Mordloch auf der Schwäbischen Alb. Foto: Hannes Köble

Enge Gänge, steile Abgründe und rutschige Felsen: In einer Höhle kann schon ein verstauchter Knöchel bedeuten, dass der Rückweg nicht mehr eigenständig bewältigt werden kann. „Dann kommen wir zum Einsatz“, verkündet Fee Gloning, die bei den Göppinger Maltesern für die Leitung der Höhlenrettung verantwortlich ist.

Neben den Gutenberger Höhlen gebe es in der Region um Kirchheim auch zahlreiche weniger bekannte Höhlensysteme, verrät Fee Gloning. Allein im Lenninger Tal verstecken sich mehr als 100 Höhlen. Nicht alle reichen bis tief ins Erdreich; einige sind lediglich um die 20 Meter lang. Über ganz Baden-Württemberg sind rund 3000 Karsthöhlen verstreut. Kommt es in diesen zu Zwischenfällen, sind Gloning und ihre Retter zur Stelle, um die verunglückten Personen sicher wieder an die Oberfläche zu befördern.

Es gab schon Leute, die sind mit Badehosen und Badeschlappen in die Falkensteiner Höhle.

Fee Gloning, Leiterin der Höhlenrettung

 

Die 48-Jährige ist mittlerweile seit mehr als 20 Jahren ehrenamtlich bei der Malteser Höhlenrettung aktiv. 2013 übernahm sie die Leitung des Teams. Ursprünglich habe sie ihre Leidenschaft durch ihren Mann entdeckt, der selbst in der Höhlenforschung tätig ist. „Er hat mich in seine Kletterausrüstung gesteckt und mitgenommen. Da habe ich direkt Feuer gefangen“, schwärmt die Teamleiterin. „Wenn man einmal gesehen hat, welche Schönheit die Natur da unten geschaffen hat, quält man sich gerne mal durch Engstellen.“

Großeinsätze sind selten

Um bestmöglich auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, treffen sich die Höhlenretter in der Regel einmal pro Monat. Zusätzlich findet jedes Jahr ein Wochenendseminar sowie eine großorganisierte Rettungsübung statt. „Damit es so realitätsnah wie möglich ist, wissen die Retter nur, an welchem Tag das Ganze passiert“, berichtet Fee Gloning. „Alles Weitere finden sie erst im Laufe der Übung heraus.“

Einsätze, bei denen tatsächlich Patienten transportiert werden müssen, seien zum Glück eher selten, stellt die Malteserin klar. Der letzte Großeinsatz habe noch vor der Coronapandemie stattgefunden. Plötzlicher Starkregen hatte Teile der Falkensteiner Höhle bei Grabenstetten geflutet und einen Tourguide sowie dessen Schützling dort eingeschlossen. „Da war die Tauchstrecke, die normalerweise drei bis vier Meter lang ist, plötzlich 20 Meter lang. Das macht man nicht ohne Tauchgerät“, so Gloning. Starke Strömungen innerhalb der gefluteten Passage machten die Rettung umso heikler. „Da ist die Gefahr, gegen die Wände geklatscht zu werden, relativ groß.“ Durch den rastlosen Einsatz der Rettungskräfte konnten beide Männer schlussendlich unterkühlt, aber unverletzt aus der Höhle befreit werden.

Deutlich häufiger kommt es Fee Gloning zufolge aber vor, dass kurze Zeit nach dem Alarm wieder Entwarnung gegeben werde. Das passiere vor allem dann, wenn sich Gruppen bei der Rückkehr verspäten. „Mich wundert, dass nicht mehr passiert, so wie ich die Leute manchmal in den Höhlen sehe“, äußert die Retterin. „Es gab schon Leute, die sind mit Badehose und Badeschlappen in die Falkensteiner Höhle.“

Höhlenrettung ist Teamarbeit

Wie aufwendig ein Einsatz ist, kann stark variieren. Schwierige Rettungsaktionen können sich gut und gerne über viele Stunden oder sogar mehrere Tage ziehen und einige Dutzend Einsatzkräfte in Anspruch nehmen. „Höhlenrettung ist Teamarbeit“, stellt Fee Gloning klar. „Das ist ein personalintensives Unterfangen.“ Allein, um eine Person auf einer Trage zu transportieren, sind mindestens sechs Hilfskräfte nötig. Unter Umständen müssen sich die Retter mitsamt Patient durch enge Passagen manövrieren oder meterhohe Felswände überwinden. „Jemanden an der Oberfläche zehn Meter weit zu tragen, ist eine Sache. In einer Höhle ist das eine ganz andere Hausnummer“, so Gloning. Seien die Gänge besonders eng, müsse man die Höhle „von vorne bis hinten mit Rettern zupflastern“ und den Patienten hindurchreichen.

Um verletzte Personen durch derartige Engstellen zu transportieren, haben die Höhlenretter eine spezielle Trage angefertigt. Während der Oberkörper des Patienten auf einer festen Platte fixiert ist, lässt sich der Fußteil flexibel bewegen. So können Patient und Trage bei Bedarf um 90 Grad geknickt werden. Fee Gloning ergänzt, dass die Höhlenrettung im äußersten Notfall sogar berechtigt sei, Gänge mittels kontrollierter Sprengung zu erweitern.

Immer neue Herausforderungen

„Keine Höhlenrettung ist gleich. Oft ist Kreativität gefragt“, berichtet die Teamleiterin. Natürlich gebe es bestimmte Standards; wie tatsächlich vorgegangen werde, hänge aber von einer Vielzahl von Faktoren ab. „Wie ist das Verletzungsmuster? Wie sieht der Gang aus? Wo genau ist es passiert? Wir müssen immer individuell entscheiden“, so Gloning. „Das ist aber auch das Spannende an der Höhlenrettung: Es ist immer etwas Neues dabei.“

Klaustrophobie? Ein Fremdwort für Fee Gloning. Foto: pr

So kamen die Göppinger Malteser im Jahr 2015 „in den Genuss“, die erste Siphonrettung Deutschlands durchzuführen. In der Falkensteiner Höhle war ein Mann gestürzt und hatte sich den Oberarm gebrochen. Der Verletzte schaffte den Aufstieg bis in die Reutlinger Halle, konnte die wassergefüllte Stelle jedoch nicht mehr alleine durchqueren. „Wir haben ihm starke Schmerzmittel gegeben, dann haben wir ihn auf eine Trage gepackt und ihm ein Tauchgerät verpasst“, erinnert sich Fee Gloning. „Da hing ein Taucher nebendran und hat nichts anderes gemacht, als das Gerät festzuhalten. Das war ein interessanter Einsatz.“

So gelingt der sichere Abstieg

Um möglichst viele, kompetente Helfer bereitstellen zu können, arbeiten die Göppinger Malteser eng mit der Höhlenrettung Baden-Württemberg zusammen. Die Retter seien über das ganze Bundesland verteilt, so Gloning. „Das hat den Vorteil, dass im Normalfall immer jemand in der Nähe ist.“

Fee Glonings Tipps für einen sicheren Abstieg in die Tiefe: Idealerweise mindestens zu dritt unterwegs sein und auf jeden Fall vorher einen Blick auf den Wetterbericht werfen, um böse Überraschungen zu vermeiden. In puncto Ausrüstung seien Helme, festes Schuhwerk und ein aufgeladenes, elektrisches Licht – am besten sogar zwei – absolut unabdingbar, denn egal, ob Amateur oder erfahrener Höhlenforscher: „Es kann immer etwas passieren.“