Die Bilder der Hochwasserkatastrophe aus dem vergangenen Jahr sind vielen immer noch präsent. Auch wenn es hier keine großen Gewässer gibt: Wie wichtig das Thema Hochwasserschutz auch für die Gemeinde Bissingen ist, zeigt allein die Tatsache, dass ihm Bürgermeister Marcel Musolf eine Extrasitzung des Gemeinderats eingeräumt hat. Knapp zweieinhalb Stunden standen Andreas Bernreuther und Hannah Mirold-Stroh vom Ingenieurbüro Wald
und Corbe dem Gremium Rede und Antwort. Sie hatten die Gemeinde in den vergangenen zwei Jahren unter die Lupe genommen und eine sogenannte Flussgebietsuntersuchung (FGU) und Starkregenkonzeption entwickelt. „Damit haben wir erstmalig eine topaktuelle Planungsgrundlage“, freut sich der Rathauschef. Die hat sich Bissingen auch einiges kosten lassen: 135 000 Euro kostet die Studie, wird aber zu 70 Prozent vom Land gefördert.
Für die Untersuchung haben die Experten alle Hanglagen untersucht, die dem Ort bei starken Regenfällen Wasser zuführen können und dabei ein Gebiet von etwa 10 Quadratkilometern mit Erhebungen und Strukturen erfasst. Bei Kanälen nahmen sie „Verklausungsprobleme“ auf, wo Gehölz oder Steine einen Zufluss verstopfen, oder sie berechneten Fließgeschwindigkeiten und Wassermengen unter bestimmten Bedingungen und welche Überflutungsflächen sich daraus ergeben. Daraus erstellen sie eine Risikoanalyse.
Die können ganz unterschiedlich aussehen und ganz unterschiedlich kosten. Deshalb haben die Ingenieure auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung mitgebracht. Die ergibt zum Beispiel, dass ein Regenrückhaltebecken in Ochsenwang nicht sinnvoll wäre, denn: Es müsste zwölf Meter hoch sein und würde damit mit bis zu 4,5 Millionen Euro zu teuer. Auch Bauarbeiten an der Ochsenwanger Steige zur Entlastung des Regenzuflusses zum Seelengraben sehen die Experten als zu kostspielig an. Es gilt ohnehin: Fördergelder gibt es nur, wenn Nutzen und Kosten passen.
An anderen Problemstellen wie im Bereich Roßwasen, Einselengraben oder am Bärgraben die Kanäle und Verdolungen zu vergrößern, kann hingegen günstiger sein. Dafür führen unterirdische Arbeiten aber etwa in der Unteren Straße zu umfangreichen Bauarbeiten. „Vergleichbar mit der Sanierung der Ortsdurchfahrt vor zehn Jahren“, sagt der Schultes. Soll heißen: Die Planungen sind mittel- bis langfristig angelegt.
Schließlich wird im Gemeinderat aber auch die Eigenverantwortung jedes Anwohners betont, denn jeden Wasserschaden kann die öffentliche Hand auch bei bester Planung nicht verhindern: Offene Lichtschächte oder sonstige Eintrittswege für Wasser muss jeder selbst beheben. „Vollkasko gibt es bei Hochwasser nie, jeden kann es treffen, deshalb muss jeder mitmachen“, bringt es Gemeinderat Siegfried Nägele auf den Punkt.
Wo es detailliert bei zehnjährigen, 50-jährigen oder 100-jährigen Hochwasserszenarien Probleme geben kann, das können sich die Bissinger Bürgerinnen und Bürger selbst anschauen und Fragen an die Experten stellen: Für Dienstag, 29. März, plant die Gemeinde eine Informationsveranstaltung, auch als Live-Stream. Im April wird es dann weitere Beratungstage geben.