Jeweils 45 Minuten hatte das Dreierteam der Diakonie Württemberg Zeit, um bei den Zehntklässlern der Realschule Wernau für Freiwilligendienste und soziale Berufe zu werben. Während technische Unternehmen auf Berufsmessen mit spannenden Experimenten werben können, hat es die soziale Arbeit schwerer. Die Diakonie hatte Blindenstöcke und Augenmasken mitgebracht und schickte die Schülerinnen und Schüler im Tandem eine Runde über den Schulhof, danach wurden die Rollen zwischen „blind“ und „begleitend“ getauscht und die Runde wiederholt. Anschließend wurde darüber gesprochen: Wie war das, wer konnte seiner Begleitperson vertrauen? „Man muss Dinge erklären, die für einen selbstverständlich sind“, sagte eine Schülerin. Die nächste Frage: Wenn ihr als blinder Mensch in eine fremde Stadt reisen würdet, für wen würdet ihr auch als Begleiter entscheiden, für einen Hund oder Menschen? Das Fazit: Manche Dienste können eben nur Menschen für andere Menschen tun.
Hoher Bekanntheitsgrad
„Kennt ihr die Diakonie?“, fragte die Sozialpädagogin, um dann gleich eine kurze Erklärung zu liefern: „Diakonie ist die soziale Arbeit der evangelischen Kirche.“ Die Kürzel FSJ für Freiwilliges Soziales Jahr, FÖJ für Freiwilliges Ökologisches Jahr und BFD für Bundesfreiwilligendienst waren bei den Zehntklässlern der ersten Runde ganz gut bekannt. Der Unterschied zwischen FSJ und BFD, sagte Alissa Reichert, sei in der Praxis kaum zu spüren, er sei vor allem eine Frage der Finanzierung und wirke sich auf die angebotenen Seminare aus.
Die beiden Frauen im Team kamen beide aus dem FSJ. Elena Strotbek, 23 Jahre, hatte ihr Studium der Sozialwissenschaften unterbrochen, um bis April in einem Stadtteil- und Familienzentrum in Stuttgart ein FSJ zu absolvieren. „Wenn man alten Leuten das Handy erklärt, die sind danach so glücklich“, berichtete sie von einer ihrer Aufgaben. Die 17-jährige Greta Link hatte in der Begleitung von Menschen mit schweren Behinderungen in einer Außenstelle der Diakonie Stetten in Esslingen ihre „Traumstelle“ gefunden. Nun folgt die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Sie ermunterte die Zehntklässler, vielleicht ein FSJ als Übergangsjahr zu nutzen.
Die drei Frauen spielten sich die Bälle wunderbar zu. „Ihr werdet nachher viel besser genommen, und es ist danach leichter, einen Studienplatz zu bekommen“, sagte Elena Strotbek. „Das kommt immer gut im Lebenslauf“, sagte Alissa Reichert. So wisse ein möglicher Arbeitgeber, dass ein Bewerber im FSJ schon mal acht Stunden am Tag gearbeitet habe, ohne schon um 12 Uhr schlapp zu machen. Ein Freiwilligendienst ab sechs Monate aufwärts könne jederzeit im Jahr beginnen, ein Vorlauf von zwei bis vier Wochen genüge. Die Seminare im Freiwilligendienst würden bei der Berufsorientierung helfen: „Es lohnt sich, ein Jahr in die Wahl eines Berufes zu investieren, in dem man vielleicht 50 Jahre arbeitet.“
Die Zehntklässler verlassen die Realschule in Kürze und wissen schon, wie es für sie weitergeht – lohnt da eine solche Werbung noch? Ja, denn viele gehen vorerst weiter zur Schule, das ergab eine kleine Umfrage. Und Alissa Reichert weiß, dass ein Informationsblatt zu den Freiwilligendiensten auch in der Schublade seinen Wert hat, denn plötzlich komme ein Schüler nach seinem Abitur darauf zurück oder die Mama erinnere daran.
Die Zehntklässler hatten jedenfalls aufmerksam zugehört, der Aufsichtslehrer wurde bei der ersten Runde nie gebraucht. „Die Metall- und Elektroindustrie kommt mit einem großen Truck an unsere Schule, um zu werben“, sagte er. „Ich finde es gut, dass zum ersten Mal die Diakonie zu uns kommt, um auf die sozialen Berufe hinzuweisen.“
Nach zwei Tagen in Wernau zog die Diakonie, die in Württemberg – Baden geht extra – 5000 Ausbildungsplätze anzubieten hat, weiter. In diesem Jahr, schätzt Alissa Reichert, sei sie selbst schon an 50 bis 60 Schulen gewesen.