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Rosa Luxemburg: Im Kampf gegen das Unrecht

Geschichte Seit Anfang 2022 gibt es in Kirchheim einen Rosa-Luxemburg-Club. Eine erste Vorstellung dieser Vordenkerin übernahm Ernst Piper, Professor für Neuere Geschichte der Uni Potsdam. Von Peter Dietrich

Ernst Pipers Buch über Rosa Luxemburg fasst fast 700 Seiten, plus 140 Seiten Anhang. Wie soll diese Materialfülle in eine Stunde Online-Vortrag passen? Der Autor fasste sehr prägnant zusammen. Die gut 30 Teilnehmer, die der Einladung der Attac-Regionalgruppe, der linken Gemeinderatsfraktion, der Gewerkschaft GEW und des Rosa-Luxemburg-Clubs gefolgt waren, kamen bis aus Südbrasilien.

Rosa Luxemburg kam aus Zamo im Südosten von Polen, dort wurde sie am 5. März 1871 geboren. Rosas Vater war Kaufmann und im Vorstand der jüdischen Gemeinde, die Mutter hatte unter ihren Vorfahren viele Rabbis. Beide hatten drei Söhne und zwei Töchter, Rosa war das Nesthäkchen. Zu Hause wurde Polnisch, Deutsch und Russisch gesprochen, die Mutter sprach auch gerne Jiddisch. Rosa mochte das nicht, nutzte Jiddisch aber gerne für ihre Notizen auf den Parteitagen – dann konnte es kein anderer lesen.

Als die vergessene Vordenkerin in den 1960er-Jahren wieder entdeckt und zur Ikone der 1968er-Bewegung wurde, besann sich auch ihr Heimatland und brachte eine Gedenktafel an, allerdings in Zamo am falschen Geburtshaus, das echte war nebenan. Heute ist die Tafel längst wieder weg, die PIS-Partei hat sie herausreißen lassen. Professor Piper zeigte ein Foto mit dem Loch in der Wand: „Inzwischen wurde es verputzt.“

Rosa war noch klein, als die Familie nach Warschau zog, auf dem dortigen Mädchengymnasium war Rosa die beste Schülern. Ihr Abschlusszeugnis zeigt fast nur Fünfen, die damals beste Note, dafür hätte ihr eigentlich eine Goldmedaille zugestanden. Sie bekam sie nicht, weil sie politisch aktiv war.

Bei den Eltern hätte sie die Polizei zu schnell gefunden, sie versteckte sich. Mit nur 17 Jahren reis­te sie alleine nach Zürich, das damals 30 000 Einwohner zählte und bereits ein wichtiger Bankenplatz war. Viel wichtiger: Dort konnte sie als Frau bereits studieren, an der ersten Universität, die nicht zur Kirche oder Obrigkeit, sondern einer demokratischen Gebietskörperschaft gehörte. „In den großen Schweizer Städten trafen sich revolutionäre Kräfte aus ganz Europa“, sagte Ernst Piper. Rosas Lebensgefährte war Berufsrevolutionär, die Konspiration musste stets eingehalten werden: Vor anderen Leuten siezten sich die beiden, Briefe wurden sogleich vernichtet, es gibt kein gemeinsames Foto. 1897 promovierte Rosa Luxemburg zum Thema „Die industrielle Entwicklung Polens“. Polen war geografisch gemeint, den Staat gab es damals ja nicht.

Sehr selbstbewusst marschierte Rosa Luxemburg in die Berliner SPD-Zentrale und wollte mit August Bebel sprechen. Sie wollte in Deutschland politisch wirken, in der damals erfolgreichsten Arbeiterpartei der Welt. Die Partei schickte sie in den Wahlkampf nach Oberschlesien. Der Erfolg war durchschlagend, denn sie konnte mit den Menschen auf Polnisch reden. Bald war sie eine gefragte Rednerin. Sozialreformen oder Revolution? Das war damals heiß umstritten. Der SPD-Parteivorstand verband revolutionäre Theorie mit sozialreformerischer Praxis. Rosa Luxemburg war gegen Kompromisse und gegen eine Zusammenarbeit mit den Liberalen. Im November 1905 hielt sie einen Vortrag zum Thema „Massenstreik“, als Buch gedruckt sollte er auf dem Parteitag in Mannheim verteilt werden. Doch der Parteivorstand war nicht einverstanden.

Mit fremdem Pass fuhr Rosa Luxemburg nach Warschau, wurde im März 1906 verhaftet. Sie kam in die Psychiatrie, auf Kaution frei und zurück nach Berlin. Der neue Liebhaber war 15 Jahre jünger. Als einzige Frau im Lehrkörper der neuen SPD-Parteischule hatte sie erstmals keine Geldsorgen. Immer wieder machte sie auf die Misshandlungen von Soldaten im deutschen Heer aufmerksam, die vor allem in Preußen häufig waren. Der preußische Kriegsminis­ter verklagte sie. Der Prozess mit 920 Zeugen wurde Rosa Luxemburgs größter publizistischer Erfolg. Kein juristischer, im Ersten Weltkrieg wurde der Prozess eingestellt.

Die Zustimmung der Sozialdemokraten – auch in anderen Ländern – zu den Kriegskrediten war für Rosa Luxemburg ein großer Schock, sie fühlte sich politisch heimatlos. Ihr Bekenntnis, nicht auf französische Brüder schießen zu wollen, brachte ihr ein Jahr Haft ein. Es folgte eine etwas komfortablere „militärische Sicherungshaft“, denn die Obrigkeit hatte Angst, sie könne die Arbeiter aufwiegeln. Ihr einwandfreies Verhalten gewann die Sympathie von zwei Gefängnisdirektionen, da ließ ein Wärter auch mal einen sehr wohl von ihm erkannten Handtaschentausch mit einer Besucherin durchgehen.

Mit Karl Liebknecht übernahm Rosa Luxemburg die Schriftleitung der „Roten Fahne“. Sie sprach sich gegen den „roten Terror“ aus, wollte anders als Lenin keine Kaderpartei, sondern politische Mehrheiten erringen. Dafür traf der Terror sie selbst: Beim Januaraufstand 1919 in Berlin wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet.