Weilheim und Umgebung
Rosenloh: Was am Ende bleibt

Wirtschaft   Dr. Thilo Sekol liefert in der Limburghalle Argumente für ein „Nein“ zum neuen Gewerbegebiet. Weilheim profitiere weniger als angenommen, sagt er. Von Antje Dörr

Gewerbesteuer: Dieses Schlagwort fällt regelmäßig, wenn es um ein „Ja“ zu Brennstoffzellenfabrik und zusätzlichen Flächen für Unternehmen in Weilheim geht. „Eine Kommune, die genug Kita-Plätze, moderne Schulen, gut aufgestellte Sportvereine und vieles mehr anbieten kann, ist für Familien als Lebensmittelpunkt attraktiv. Grundlage all dessen sind Gewerbesteuern, mit denen das öffentliche Leben ansprechend gestaltet werden kann“, heißt es auf der Internetseite der Rosenloh-Befürworter. Doch was bringt das Projekt der Kommune und seinen Bürgerinnen und Bürgern wirklich? Dr. Thilo Sekol, Diplom-Betriebswirt und Controller bei SAP, hat auf Einladung der Bürgerinitiative Weilheim, die bekanntlich für ein „Nein“ wirbt, einen betriebswirtschaftlichen Blick auf die Ansiedlung neuer Gewerbegebiete geworfen. Die Analyse des Mannes, der seine Dissertation zum Thema Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Planungsverlauf bei Flächenerweiterungen geschrieben hat, lautet: Kommunen und deren Einwohner profitieren von solchen Projekten weitaus weniger als angenommen.

 

Wer gibt Ihnen denn die Gewissheit, dass der Ackerboden in 40 Jahren nicht ganz viel wert ist?
Dr. Thilo Sekol, Diplom-Betriebswirt

 

Gehe man davon aus, dass ein Unternehmen, das sich in Weilheim ansiedelt, eine Million Euro Gewerbesteuer pro Jahr zahle, bleibe der Stadt unterm Strich etwa ein Drittel dieser Summe, rechnet Sekol vor. Das liegt, vereinfacht gesagt, daran, dass Kommunen im Rahmen von Umlagen einen Teil der Gewerbesteuer an Landkreis und Land weiterreichen müssen – und dass sie, wenn sie mehr Gewerbesteuer bekommen, dafür weniger Schlüsselzuweisungen erhalten. Das ist in Thilo Sekols Worten „eine Art Sozialhilfe“ für Kommunen, die sich nicht aus eigener Kraft finanzieren können. Letzteres trifft auf die allermeisten Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg zu.

Von dem Drittel, das laut Sekol von der einen Million bleibt, müsse man weitere Kosten abziehen, beispielsweise für den Bau von Straßen und Kanalisation. „In der Verwaltung muss sich außerdem jemand um das Gewerbegebiet kümmern. Vielleicht muss die Stadt neue Mitarbeiter einstellen“, sagt der Betriebswirtschaftler. Außerdem müssten Rückstellungen für den Erhalt der Infrastruktur gebildet werden. „Wenn eine Gemeinde das nicht tut, bürdet sie die Kosten künftigen Generationen auf“, mahnt Sekol. Wenn man diese Kosten in Betracht ziehe, blieben bei einer angenommenen Million Gewerbesteuer zirka 181 000 Euro übrig, also 18,1 Prozent. Den Einwand einer Zuhörerin im Rahmen der lebhaften Diskussion, dass für den Bau und Erhalt von Straßen Grundsteuer erhoben werde, will er nicht gelten lassen. „Wenn das ausreichen sollte, müsste man die Grundsteuer um 200 bis 300 Prozent erhöhen“, sagt Sekol. Kommunen müssten eigentlich viel mehr zurücklegen.

Hinzu kämen weitere mögliche Folgekosten. Vielleicht werde irgendwann ein neuer Kindergarten gefordert. Oder man brauche ein Neubaugebiet, weil es zu wenig Wohnraum gibt. „Diese Kosten trägt die Kommune zu 100 Prozent“, sagt Sekol. „Und die Kosten bleiben. Egal, ob das Unternehmen gut oder schlecht wirtschaftet“. Er rät deshalb dazu, „genau zu betrachten, was die Vorteilhaftigkeit eines solchen Projekts ist“. Ein weiteres Argument, das von Befürwortern häufig ins Feld geführt wird – die Schaffung neuer Arbeitsplätze – zieht der Betriebswirt ebenfalls in Zweifel. Die Erweiterung eines Gewerbegebiets könne dazu führen, dass es einen Verlust von Arbeitsplätzen in einem anderen Gebiet gibt. „Wenn das in einem Landkreis passiert, ist der Effekt plus/minus null.“

Thilo Sekol plädiert dafür, die brachliegenden Gewerbeflächen in Deutschland zu nutzen, bevor neue Flächen versiegelt werden. Natürlich sei ihm bewusst, dass nicht jede Fläche zu jeder Planung passe, sagt er. Und natürlich baue jedes Unternehmen lieber auf der grünen Wiese. Da Boden jedoch nicht nur Anbaufläche, sondern auch CO2-Speicher sei, dürfe eigentlich keine weitere Versiegelung mehr stattfinden, sagt er und verweist auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts, nach denen die Treibhausgase kontinuierlich gemindert werden müssen und rechtlich ausgeschlossen sei, dass die Emissionen noch einmal ansteigen. „Flächenversiegelung würde aber Treibhausgasemissionen erhöhen“, gibt Sekol zu bedenken. „Ich bin kein Jurist, aber ich halte das für fragwürdig“.

Eine etwas andere Art der Kosten-Nutzen-Rechnung stellt der Diplom-Betriebswirt am Ende seines Vortrags auf. 25 Hektar Ackerland bedeuteten 125 000 Brote pro Jahr, 75 Millionen Liter gefiltertes Grundwasser, CO2-Speicherung sowie schier unzählige Arten von Bodentieren und Mikroorganismen. Wenn man auf dieser Fläche ein Gewerbegebiet baue und davon ausgehe, dass die Kommune Gewerbesteuereinnahmen von zirka 300 000 Euro hat – jene Summe, von der die Kosten für Bau und Erhalt von Straßen und Kanalisation etc. noch nicht abgezogen sind – bedeute das pro Bürger und Tag acht Cent. „Ob es Ihnen das wert ist, müssen Sie entscheiden“, sagt er.

 

Info: Ein Video-Mitschnitt des Vortrags von Dr. Thilo Sekol ist auf der Homepage https://initiative-rosenloh.de zu finden.