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RSV- und Influenza-Welle: Nach Pforzheim für ein bisschen Sauerstoff

Kliniken Die prekäre Personalsituation gepaart mit einer hohen Zahl erkrankter Kinder bringt die Kinderklinik ­Esslingen an den Rand der Belastbarkeit. Ausbaden müssen es die kleinen Patienten. Von Antje Dörr

Angesichts der hohen Zahl an Influenza- und RSV-Erkrankungen bei Kindern sind auch im Landkreis Esslingen Versorgungsengpässe an der Tagesordnung. „Es müssen Kinder bis nach Pforzheim gefahren werden, um ein bisschen Sauerstoff zu bekommen. Das zeigt, dass das System wirklich am Ende ist“, sagte Professor Dr. Christian Schnakenburg,
 

„Wenn man einen Transport mit dem Rettungswagen noch zumuten kann, wird das gemacht.
Christian von Schnakenburg, Chef der Kinderklinik Esslingen

 

Chef der Kinderklinik am Klinikum Esslingen, im Gespräch mit unserer Zeitung. Man sei in „sehr regem Kontakt mit etwa zehn Kliniken“, von der Filderklinik bis zu Häusern in Göppingen, Pforzheim, Mutlangen oder Aalen. „Wir telefonieren mehrfach in den Nachmittag- und Abendstunden, wer noch Betten hat, und übernehmen und verlegen Kinder“, so Schnakenburg, der auch Landesvorsitzender des „Verbands Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands“ (VLKKD) ist.

Corona sei für Kinder nach wie vor kein Problem, sagt Schnakenburg. Die Personalsituation in der Kinderklinik wird durch das Virus hingegen weiter verschärft. Während Privatpersonen in Baden-Württemberg nicht mehr in Quarantäne müssen, unterliegen positiv getestete Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, einem Tätigkeitsverbot. Auch Klinikpersonal ist betroffen. Dazu kämen Personalengpässe nach der Corona-Krise, weil Pflegerinnen und Pfleger gekündigt hätten. Das mindere die Zahl betreibbarer Betten. „Die Pflege ist ausgebrannt und demotiviert“, sagt Schnakenburg. Dass es die sogenannten Corona-Boni nur für Pflegekräfte in „bettenführenden Abteilungen“ gebe, ärgere die Pfleger und Schwestern in der Notaufnahme, die nun schon zum dritten Mal leer ausgegangen seien. „Die Patienten kommen in der Notaufnahme an. Die Kolleginnen und Kollegen müssen sie dort in voller Montur untersuchen“, unter­streicht Schnakenburg die Leistung der Mitarbeiter. Dazu komme, dass die Pflegekapazitäten nicht ausreichend erhöht worden seien. Seit man sich mit Einführung der Generalistik nicht mehr gezielt für Kinderkrankenpflege entscheiden könne, kämen auch nicht mehr so viele Bewerbungen.

Panik schüren will der Chef der Kinderklinik nicht, jedes Kind werde eine Erstversorgung erhalten. „Eine schwere Ateminsuffizienz werden wir wahrscheinlich auch bei uns behalten“, sagt Schnakenburg. „Aber wenn man einen Transport mit dem Rettungswagen noch zumuten kann, wird das gemacht.“ Die Situation sei „von katastrophal weit entfernt“. Aber man könne den Ansprüchen des Gesundheitssystems nicht länger gerecht werden. Kleine Patientinnen und Patienten und ihre Eltern müssten teils lange Wartezeiten und Verlegungen in Kauf nehmen. „Das bringt viel Unruhe mit sich, und viel Emotion.“