Seit gut einem Jahr sind die Schranken auf dem Säer weg und die Kennzeichen auf dem Parkplatz der Medius-Klinik werden mit Kameras erfasst. Dieses moderne System gibt es immer häufiger, jedoch gerade auf dem Säer reißen die Beschwerden nicht ab.
Zwei Punkte stören die Autofahrer ganz besonders: Wer sich wegen fehlenden Wechselgelds und mangelnder Internet-Kenntnisse für eine Zahlung per Rechnung entscheidet, fällt aus allen Wolken, wenn dafür eine Vertragsstrafe oder Rechnungsgebühr von 25 Euro fällig wird. Thomas Veith, Geschäftsführer der Firma Ambipark, die den Parkplatz im Auftrag der Medius-Klinik seit 2013 bewirtschaftet, erklärt, warum das so ist: Bezahlen die Parkenden nicht selbst innerhalb von 48 Stunden, müsse Ambipark die Halter der Fahrzeuge ermitteln, damit die Rechnung zugestellt werden kann. Die Kosten dafür würden weitergegeben.
Schlechte Google-Rezensionen
Viele Autofahrer empfinden es als Willkür, dass ihnen vorgeschrieben wird, in welcher Richtung sie den Parkplatz zu verlassen haben und machen das unter anderem in ihren Google-Rezensionen für Ambipark deutlich.
Einer davon hat versucht, beim Ordnungsamt der Stadt Nürtingen Anzeige gegen die Betreiber der Parkfläche, also Ambipark, und die zuständige Genehmigungsbehörde zu erstatten. Der Mann schildert, dass ihn seine Frau von der Medius-Klinik abgeholt habe, was kürzer als eine Viertelstunde dauerte. Bei der Ausfahrt in Richtung Reudern sei signalisiert worden, dass 20 Euro fällig werden.
Der Mann begründet die Anzeige mit zwei Argumenten: Zum einen fragt er, warum ein Privatunternehmen für eine öffentliche Straße Maut verlangen kann, zum anderen verweist er darauf, dass seine Frau als Ausländerin die Feinheiten des Preisaushangs nicht verstehe und dadurch benachteiligt sei.
Ambipark-Geschäftsführer Veith widerspricht in seiner Antwort an den Autofahrer der Behauptung, es handle sich um eine öffentliche Straße: Ab den Kontrollpunkten zum Parkplatz sei es eine Privatstraße, deutlich zu erkennen an Schildern an der Zufahrtsstraße. Dort wird eine Sackgasse angezeigt, die nur für Radfahrer und Fußgänger durchlässig ist. Weitere Schilder auf dem Parkplatz weisen ebenfalls auf die nicht erwünschte Durchfahrt hin. „Ich weiß nicht, was wir da noch besser machen sollen“, sagt er leicht verzweifelt. Die Schilder seien auch für Menschen, die kaum Deutsch verstehen, lesbar.
Es gebe längst nicht mehr so viele Beschwerden wie kurz nach Einführung der Kennzeichenerfassung per Kamera, berichtet Veith. Nur noch ein kleiner Prozentsatz der Menschen komme nicht mit dem System der Parkgebühren und der unerwünschten Durchfahrt zurecht. „Es gibt immer ein paar Leute, die sich nicht an die Straßenverkehrsordnung halten“, sagt er.
Laut Bußgeldtabelle kostet es 50 Euro, ein „Durchfahrt verboten“-Schild zu ignorieren. Da seien die 20 Euro noch günstig.
Die Firma Ambipark setze mit dem Durchfahrtsverbot den politischen Willen der Stadt Nürtingen durch. „Darum haben wir uns nicht gerissen, es ist eine vertragliche Verpflichtung“, sagt Veith. Er wisse nicht, was noch nachjustiert werden könnte. Ambipark versuche, mit Augenmaß vorzugehen und nehme die Einsprüche ernst: „Wir wollen, dass die Kunden zufrieden sind.“ Veith nimmt sich Zeit, ausführlich zu antworten, wie dem oben erwähnten Autofahrer.
Der Schleichweg zwischen Reudern und Nürtingen über den Parkplatz ist so teuer, dass die meisten nach der ersten Rechnung von dessen Nutzung kuriert sind. Das hilft den Anliegern der Säerstraße, die einst mit einer Petition an den Landtag ein Durchfahrtsverbot erreichen wollten, nur bedingt weiter. Denn nach Beobachtungen von Spaziergängern nehmen nun einige den Weg über die Feldwege von und nach Reudern.
Das kann Philip de Jesus Pinto vom Nürtinger Ordnungsamt auf Nachfrage nicht bestätigen: „Sicherlich befährt der ein oder andere den Feldweg dort. Ob es sich hier um Schleichverkehr oder tatsächlich Berechtigte handelt, ist unbekannt. Eine deutliche Zunahme dieses Verkehrs ist jedoch nicht zu verzeichnen.“ De Jesus Pinto kündigt an, dass der Weg kontrolliert werde. „Entsprechend festgestellte Verstöße werden zur Anzeige gebracht.“
Könnte man der ganzen Angelegenheit mithilfe einer Schranke im wahrsten Sinne des Wortes einen Riegel vorschieben und nur noch die Anlieger durchlassen? De Jesus Pinto verneint das: „Aus Erfahrungswerten sind solche Schranken binnen kürzester Zeit sinnlos, da Schlüssel dupliziert oder Schlösser beschädigt werden. Auch ist der Kreis der Anlieger auf Feldern mit Grundstücken schwierig zu fassen.“ Laut ADAC kostet es 50 Euro, ein „Anlieger-frei“-Schild zu missachten.
So funktioniert das Parken auf dem Säer
Bei der Einfahrt auf den Parkplatz sind 15 Minuten kostenfrei – vorausgesetzt, der Parkplatz wird in der Einfahrtrichtung wieder verlassen. Andernfalls werden 20 Euro für die Durchfahrt fällig.
Parken bis zu einer Stunde kostet 1,50 Euro; jede weitere Stunde 1,50 Euro und eine Tageskarte 10 Euro. Bezahlt werden kann sofort am Automaten, wenn das Kennzeichen eingegeben wird, mit Münzen, Handy, Kredit- oder Girokarte. Leider gibt der Automat kein Münzgeld zurück.
Online über www.autopay.io oder per Rechnung kann ebenfalls innerhalb von 48 Stunden bezahlt werden. Für Unmut sorgt, dass für diese Rechnung eine Gebühr oder Vertragsstrafe in Höhe von 25 Euro fällig wird. Diese Gebühr entsteht, weil dann der Halter ermittelt werden muss. bg