Zur Herkunft der afrikanischen Masken der Sammlung Domnick in Nürtingen-Oberensingen haben sich weitere Fragen ergeben. Das Sammlerpaar Domnick hatte die Stücke zwischen 1938 und 1940 als Grundstock seiner modernen Kunstsammlung beim Stuttgarter Kunstsammler Ernst Heinrich gekauft. Bis heute ist unklar, ob es sich bei den Masken um sogenannte Touristenware oder um authentische Kultobjekte handelt. Und es ist offen, ob und wie eine Rückgabe, also die Restitution der Masken, möglich ist. Der Fall ist für Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg einmalig, erklärt Sammlungsleiterin Vera Romeu. In den übrigen 61 Kulturdenkmälern gebe es keine potenziellen Restitutionsobjekte.
Nur einige dürre Daten sind zu den Domnick’schen Masken bekannt. Aber ist auf diese überhaupt noch Verlass? Katja Schurr, die diese Thematik in ihrer Masterarbeit beleuchtet hat, förderte Überraschendes zu Tage. Datierung, Künstler oder die Umstände der Provenienz fehlen demnach ganz. Die Bezeichnung der Masken, wie sie in der Inventarliste der Sammlung hinterlegt ist, steht deshalb in Frage. Sammlungsleiterin Vera Romeu betrachtet dies als großen Vertrauensverlust für das Museum als Institution. Immerhin seien solche Angaben essenziell für ihre Arbeit. Romeu vermutet: „Wir sind kein Einzelfall. Das hier ist exemplarisch. Die großen Häuser wollen das nur nicht sagen.“ Auch aus dem Stuttgarter Linden-Museum sei bekannt, dass afrikanische Bestände in der Regel nicht inventarisiert seien, Unterlagen fehlten oder vernichtet worden seien.
Alles begann mit einem Vortrag im Oktober 2021 in der Sammlung Domnick. Vera Romeu war unter dem kämpferischen Titel „Von wegen Exotik: Dekolonisiert euch!“ in die Offensive gegangen und hatte gezeigt, mit welcher Gewalt Kunstschätze aus afrikanischen Ländern häufig entwendet worden waren. Auch Katja Schurr hatte den Vortrag gehört. Die aus Filderstadt stammende Studentin der Kunstgeschichte ist auf der Suche nach einem Thema für ihre Masterarbeit auf Romeus Aktivitäten gestoßen. Ein Jahr lang hat sie rund um die Masken der Sammlung Domnick geforscht – viel zu kurz, um ihre Herkunft klären zu können. Aber Zeit genug, um Teile des Netzwerks zu erkennen, über das der in Bad Cannstatt ansässige Kunstsammler Heinrich verfügte.
Schurr kritisiert, dass bis heute eine postkoloniale Wende in der Kunstgeschichte auf sich warten lasse. Der westliche Blick auf afrikanische Kunst sei problematisch. Bei den Masken entziehe sich deren rituelle Verwendung und ihre Herstellung neben westlichen Beobachtern allen, die nicht Teil der jeweiligen Gemeinschaft seien. Möglicherweise seien zum Schutz der rituellen Geheimnisse falsche Informationen an Europäer gestreut worden. Und da die Grenzen zwischen den Gesellschaften und ihren Kulturen oft fließend seien, erschwere das eine Zuordnung zu bestimmten Bevölkerungsgruppen. Corinna Meinke
Ein Haus für die moderne Kunst
Sammlung Das Stuttgarter Ärztepaar Ottomar und Greta Domnick hatte sich 1967 auf der Oberensinger Höhe in Nürtingen vom Stuttgarter Architekten Paul Stohrer ein Haus bauen lassen. Damit sollte ihrer Sammlung abstrakter Malerei der passende Rahmen gegeben werden. Weil es während der Nazizeit nicht möglich war, moderne Kunst zu kaufen, erwarben die Domnicks afrikanische Masken beim Stuttgarter Kunsthändler Ernst Heinrich.
Kunst Künstler wie Picasso, Matisse, Braque, Kirchner und Nolde setzten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf der Suche nach einer neuen Formensprache mit der formalen Ästhetik der afrikanischen Skulpturen und Masken auseinander und entwickelten als Gegenentwurf zur akademischen Maltradition den europäischen Kubismus. Die religiösen und sozialen Aspekte, die hinter den Objekten stecken, interessierten damals allerdings genauso wenig wie die Frage, wie diese Gegenstände in europäische Hände gelangt waren. com