Zwischen Neckar und Alb
Sargträger sterben langsam aus

Zeremonie Erich Wieland gehört zu den Letzten seiner Zunft. Die Bestatter bedauern die Entwicklung.

Esslingen. Für die ganze Familie Wieland gehörte der Umgang mit dem Tod zum Alltag. So sehr, dass Erich schon als Bub mithalf, wenn ein Grab ausgehoben werden musste. Diesen Job erledigen längst professionelle Bestattungsunternehmen. Aber Erich Wieland begleitet das Thema noch heute. Auch mit seinen 81 Jahren ist der gelernte Kfz-Meister oft auf den Friedhöfen in Baltmannsweiler zugange. Als Sargträger gehört er zu einer kleinen Gruppe von Ehrenamtlichen, die Verstorbenen das letzte Geleit geben. Noch - denn es finden sich kaum Nachfolger.

Weil diese Tradition langsam auszusterben droht, hat die Gemeinde vor Kurzem einen öffentlichen Aufruf gestartet: „Sargträger dringend gesucht.“ „Vier bis fünf Leute“ habe sie noch, die als Sargträger zur Verfügung stehen, berichtet Monika Mathes, die stellvertretende Hauptamtsleiterin der Gemeindeverwaltung. Lauter rüstige Männer im Rentenalter, die regelmäßig einspringen, wenn eine Erdbestattung ansteht. „Wir sind froh, dass wir zumindest so einen kleinen Stamm haben“, sagt Mathes. Von anderen Kommunen weiß sie, dass es dieses Ehrenamt schon nicht mehr gibt.

Bestatter Dorn sei vor rund zehn Jahren auf ihn zugekommen, ob er sich den Job vorstellen könne, erzählt Wieland. Aufgrund der Familientradition hat sich der heute 81-Jährige nicht lange bitten lassen. Es sei für ihn eine Ehre, Verstorbene auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Ganz ohne ist die Arbeit nicht. Wenn sich die Angehörigen für einen schweren Eichensarg entscheiden, kämen schon mal 220 Kilogramm zusammen, berichtet Wieland. „Da müssen wir mit dem Wagen in einer Kurve ganz schön gegenhalten.“ Noch ist er körperlich gut beieinander, und so oft wie früher wird er auch nicht mehr gerufen. „Heute sind vielleicht noch zwei von zehn Beerdigungen Erdbestattungen.“

So lange er kann, will der 81-Jährige weitermachen. Nur eines gefällt ihm nicht: Dass die Sargträger nicht einheitlich gekleidet sind. Deswegen hat sich Wieland an die Gemeinde gewandt. Wenn ihr das Ehrenamt etwas wert sei, solle sie für eine einheitliche Ausstattung sorgen. In der Nachbargemeinde Aichwald ist man froh, bei Todesfällen noch auf etwa zehn ehrenamtliche Sargträger zurückgreifen zu können. Petra Weber, die im Rathaus für das Bestattungswesen zuständig ist, hält viel von der Tradition. „Die elektrischen Wagen, wie man sie manchmal schon sieht, wollen wir nicht. Das ist doch unpersönlich.“ Dankbar ist Weber, dass sich vor ein paar Jahren auch Jüngere für den Dienst gemeldet haben.

Ob jung oder alt - in den Städten, zumal in den größeren, hat man es längst aufgegeben, für das Ehrenamt Werbung zu machen. „Da findet sich keiner mehr“, sagt Konrad Aichele, Bestatter aus Nellingen. Schon vor Jahren habe die Stadt Ostfildern deshalb eine neue Regelung getroffen: Zwei Sargträger stellt der Bestatter, zwei die Kommune aus dem Pool der hauptamtlichen Friedhofmitarbeiter. Der Aichwalder Bestatter Manuel Dorn ist über diese Entwicklung nicht glücklich. „Viele Gemeinden stehlen sich aus der Verantwortung“, kritisiert er. Manchmal sei er beispielsweise gezwungen, einen Sargträger aus Baltmannsweiler für eine Beerdigung in Plochingen zu engagieren. „Schön ist das nicht“, sagt Dorn. Er sähe es lieber, wenn diese Aufgabe Mitbürger aus der jeweiligen Kommune übernehmen.

Thomas Amann, katholischer Pfarrer aus Baltmannsweiler, pflichtet dem bei. „Sargträger sind wichtig.“ Auf dem Dorf habe das Gott sei Dank noch eine andere Bedeutung als in der viel anonymeren Stadt. Harad Flößer