Bei Bürgermeister Armin Elbl liefen die Telefone heiß, verschiedene Medien wollten über Wernau berichten. Anlass war der „drohende Untergang des Marokkos am Neckar“, wie es der Wernauer Anzeiger formuliert hat. Etwas nüchterner ausgedrückt: Die Wernauer Bürgerliste (WBL/JB) hatte den Antrag gestellt, die Wellness-Anlage im Quadrium in der Saison 22/23 nicht in Betrieb zu nehmen. Schließlich werde allenthalben appelliert, Energie einzusparen, erinnerte Joachim Gelewski, auch das Land habe dazu aktuell aufgerufen.
Aus Sicht seiner Fraktion sei es sinnvoller, aufs Saunieren zu verzichten als die Wassertemperatur im Hallenbad abzusenken, weil das vor allem Kinder und Senioren treffe. Diesen Vorschlag hatte die Verwaltung gemacht: Mit zwei Grad weniger im Wasser und in der Luft könnte man 25 Prozent der Energiekosten einsparen, so Elbl. Das sei ein größerer Beitrag als man mit der Wellness-Landschaft erreichen könnte.
Diskussion verläuft sachlich
Deren Fans waren zahlreich in der Sitzung vertreten; vor deren Beginn hatte der Bürgermeister zu einem Ortstermin in die Sauna-Landschaft eingeladen. Die Zuhörer durften das Thema zwar in der Bürgerfragestunde nicht ansprechen – das gilt grundsätzlich für Themen, die auf der Tagesordnung stehen – machten aber ihren Standpunkt mit Beifall oder auch Kommentaren deutlich. Dabei setze der Antrag „eine Diskussion in Gang, die wir dringend führen müssen“, unterstrich Petra Binz (SPD). Irgendwo muss man ja anfangen mit dem Energiesparen. Kann man erbittert eine Saunalandschaft verteidigen, wenn gleichzeitig befürchtet wird, dass Menschen zu Hause frieren müssen?
Die Diskussion selbst verlief dann aber sachlich. Der Erste Beigeordnete Michael Bauer legte die Folgeabschätzung für eine Schließung vor. Er kam zu dem Schluss, dass der Energieverbrauch der Anlage nicht sehr ins Gewicht fällt: Seinen Zahlen zufolge brächte es lediglich zunächst eine Einsparung von rund 60 000 Euro. Aber: Rechnete man alle Kosten und Erträge dagegen, würde die vorübergehende Schließung das Defizit des Eigenbetriebs Wernauer Bäder sogar um rund eine Viertelmillion Euro erhöhen, so Bauer. Die Schließung des Wellnessbereichs brächte demzufolge Mindereinnahmen von 537 000 Euro, die Kosten könnten aber nur begrenzt heruntergefahren werden. Denn die Stadt müsse ihre Mitarbeiter weiterbeschäftigen und auch die Verträge mit Mietern, beispielsweise den Masseuren, erfüllen. Anders als bei der behördlich angeordneten Schließung wegen Corona könnte sie aber weder auf Kurzarbeitergeld noch auf andere Überbrückungshilfen setzen.
Außerdem werde man die Vertragspartner ebenso wie möglicherweise manche Kunden „vergraulen“. Er glaube nicht, dass man eine Saison lang „die Pause-Taste drücken“ und danach wie vorher weitermachen könne, meinte Bauer. Armin Elbl führte zudem mögliche Schäden durch die verlängerte Ruhephase an: „Ich sag nur Legionellen.“ Er positionierte sich klar dafür, im September planmäßig zu öffnen.
Dem folgte die Mehrheit im Gremium. Man solle keinen Schnellschuss machen, sondern in Ruhe überlegen, meinte Pjetar Nrecaj (FWV), deutete aber an, dass seine Fraktion das „Marokko am Neckar“ nicht unbedingt langfristig erhalten will. Ähnlich formulierte Jens Müller (CDU): „Man muss sich sicherlich Gedanken machen, wo wir in fünf bis zehn Jahren mit der Wellness-Landschaft stehen wollen“. Aktuell sehe er aber keinen Sinn in einer Schließung. Die Grünen sprachen an, dass Corona ja keineswegs vorbei sei, sondern aktuell sogar wieder auf Rekordniveau: Was würde es bedeuten, wenn die Anlage doch wieder kurzfristig und zwangsweise geschlossen werden müsste, fragte Stefan Prakesch.
Beschlossen wurde schließlich nur die Temperaturabsenkung, im Hallenbad – von 28 Grad auf 26 Grad Wassertemperatur – wie auch im Wellness-Bereich. Dort soll die Temperatur um ein Grad abgesenkt werden. Die WBL/JB zog ihren Antrag zurück, allerdings nur vorläufig, denn sie sieht noch Beratungsbedarf. Deshalb wird das Thema im Herbst erneut aufgerufen, was dann doch eine kurzfristige Schließung zur Folge haben könnte. Die Stimmung im Gemeinderat deutete aber eher darauf hin, dass das nicht passieren wird.
Hallenbad macht die höchsten Verluste
Verlust Das Defizit der Wernauer Bäder fiel 2021 etwas geringer aus als im Vorjahr, obwohl die Besucherzahlen deutlich gesunken sind. Eine Aussage kann man daraus kaum ableiten, weil die Zahlen von den Corona-Beschränkungen beeinflusst waren. Im aktuellen Sommer wurden bereits 31 000 Badegästen und damit mehr als in der ganzen Saison 2021 im Freibad gezählt.
Hallenbad Den höchsten Verlust machte die Sparte Hallenbad, die mit einem Minus von rund 492 000 Euro abgeschlossen hat. Die Wellness-Landschaft stand mit 310 00 Euro im Minus, das Freibad mit 343 000 Euro. Das ergibt insgesamt einen Verlust von rund 1,14 Millionen Euro gegenüber 1,2 Millionen im Jahr 2020. aia