Auf eine 160-jährige Geschichte blicken die Sportschützen in Aichtal zurück. Diese ist jetzt zu Ende. „Der Bürgermeister hat gewonnen“, sagt ein hörbar frustrierter Gordon Gonsior, zweiter Vorsitzender des Schützenvereins Grötzingen. Die Schützen haben mittlerweile beim Amtsgericht Esslingen Insolvenz angemeldet.
Schon länger war die finanzielle Situation des Vereins angespannt. Doch das endgültige Aus sei durch die entstandenen Kosten im Rechtsstreit mit der Stadt Aichtal besiegelt worden. „Die konnten wir einfach nicht stemmen“, sagt Gonsior. Rund 40 Mitglieder soll der SV Grötzingen zum Schluss noch gehabt haben. Bei einer kürzlich stattgefundenen Versammlung habe man schweren Herzens das Aus verkündet. „Es waren ältere Mitglieder anwesend, die das Schützenhaus noch selbst mit aufgebaut haben. Ihnen kamen die Tränen“, sagt Gonsior.
Rechtsstreit ist zu viel für die Schützen
Der Insolvenz ging ein langer Streit mit der Aichtaler Stadtverwaltung voraus. Die Kommune möchte auf einem Teil des Vereinsgeländes einen Naturkindergarten errichten. Auf der Fläche befindet sich unter anderem der Pistolenschießstand der Schützen.
Der Schützenverein weigerte sich, das Grundstück zu räumen. Schließlich habe man einen bestehenden Pachtvertrag mit der Stadt, so die Argumentation. Außerdem sei der Boden durch den jahrelangen Schießbetrieb mit Schadstoffen belastet. Man wollte der Stadt die Fläche nur unter der Bedingung überlassen, dass das restliche Vereinsgelände für den Schießbetrieb ertüchtigt wird – Kostenpunkt: 250.000 Euro. Darauf ließ sich die Stadt nicht ein und reichte Mitte August 2024 Räumungsklage ein.
Beide Parteien zogen vor das Stuttgarter Landgericht, das zugunsten der Stadt Aichtal entschied. Der Pachtvertrag zwischen Stadt und Verein sei als Leihvertrag einzustufen, der bei Eigenbedarf aufgelöst werden kann, so die Begründung der Richterin. Laut Stadtverwaltung hätten die Bodenuntersuchungen mittlerweile ergeben, dass das rund 6000 Quadratmeter große Gelände nur zu einem kleinen Teil – auf rund 170 Quadratmetern – mit Schwermetallen belastet sei. Die entsprechenden Stellen werde man abtragen und entsorgen. Betroffen seien rund 100 Tonnen Bodenmaterial.
Keine Hoffnung mehr für Schützenverein
Der Schießbetrieb sei mittlerweile komplett eingestellt worden, sagt Gonsior. Eine Hoffnung, dass es für den Verein irgendwann doch noch einmal weitergeht, gibt es laut Gonsior nicht. Die historische Fahne des Vereins werde nun ins Flaggenmuseum wandern. Bleibt die Frage, was mit dem Schützenhaus auf dem Vereinsgelände geschieht. Der Betrieb der Gaststätte soll vorerst weiterlaufen, sagt Gonsior. „Das Gebäude gehört dem Verein. Es ist alles, was der Verein noch wert ist.“ Ob das Haus verkauft wird, stehe noch nicht fest.
Wie Aichtals Bürgermeister Sebastian Kurz auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, wird die Pächterin die Gaststätte weiterführen. „Sollte sich der Verein auflösen, fällt das Gebäude vertragsmäßig an die Stadt zurück“, sagt Kurz. „Die Verwaltung beobachtet die Situation aufmerksam und wird – sobald möglich und im Sinne der Aichtaler Bevölkerung – handeln.“ Als Stadt bekenne man sich klar zum Fortbestand des Schützenhauses „als wichtige und geschätzte Gastronomie in Aichtal“.