Autoreifen, ein Ölfass, eine alte Matratze, Lebensmittel, kaputte Möbel – hinter den verlassenen Gebäuden 2, 4 und 6 in der Nürtinger Schafstraße ist eine wahre Mülldeponie entstanden. Seit den beiden Hausbränden im November 2020, bei denen zwei Menschen ums Leben gekommen und viele obdachlos geworden sind, und dem dritten Brand im November vergangenen Jahres sind alle drei Häuser zwar unbewohnbar, doch werden deren Hinterhöfe als Lagerplatz für allerlei Abfall genutzt. Seit Monaten stapelt sich der Müll hinter den Häusern, zeitweilig diente der Hof als Lager für Autoreifen.
Den Anwohnern der Kirchheimer Vorstadt wird es nun zu viel: Man müsse den Hinterhof gar nicht erst betreten, um zu sehen, welche Zustände dort herrschen. „Das sieht man schon von der Straße aus“, sagt Günther Groß, Mitglied der Bürgerinitiative Kirchheimer Vorstadt. Er fordert die Stadt Nürtingen auf, endlich etwas gegen die Vermüllung zu unternehmen. Die vordere Schafstraße in Nürtingen sei mittlerweile zum Schandfleck der Kirchheimer Vorstadt geworden.
Doch da sich der Müll auf Privatgelände befindet, könne das Ordnungsamt nicht viel ausrichten, sagt Amtsleiter Peter Herrle: „Wir können die Grundstückseigentümer höchstens zur Rattenbekämpfung auffordern.“ Dies möchte man nun tun.
Die Eigentümerin des Gebäudes Schafstraße 6 kennt die Müllproblematik hinter ihrem Haus. Wer dafür verantwortlich sei, wisse sie jedoch nicht. „Der Zugang zum Hinterhof ist offen, da kann jeder rein und seinen Müll ablegen.“ Sie habe bereits einiges an Unrat „anhängerweise“ weggebracht. Doch kurz darauf sei wieder alles voll.
Müssen also die Anwohner der Schafstraße mit der Mülldeponie in der Nachbarschaft leben? Ganz so einfach ist das nicht, denn auch auf Privatgrundstücken gilt das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Das besagt unter anderem, dass Abfälle nur in dafür zugelassenen Anlagen gelagert werden dürfen. Zuständig ist jedoch nicht das Ordnungsamt der Stadt Nürtingen, sondern die untere Abfallbehörde des Landratsamtes Esslingen. Stellt sie einen Verstoß gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz fest, kann eine Beseitigungsverfügung erteilt werden. Ein Verstoß kann außerdem mit einer Geldbuße von bis zu 100 000 Euro geahndet werden.
Im Jahr 2022 ist die Behörde insgesamt 182 Mal wegen illegaler Abfallablagerungen tätig geworden – 51 Fälle hiervon betrafen die Entsorgung von Autos. „Das Grundstück Schafstraße in Nürtingen war bei der unteren Abfallbehörde bisher noch nicht bekannt“, so Landratsamt-Sprecherin Andrea Wangner. Nun werde ein Außendienstmitarbeiter die Situation vor Ort prüfen. „Ob die Abfallrechtsbehörde eingreifen kann, ist Gegenstand laufender Ermittlungen“, so Wangner.
Nicht nur der Müll hinter den drei Gebäuden ist Anwohnern und Stadtverwaltung ein Dorn im Auge. Weiterhin tut sich auch nichts an den Brandhäusern. Die Besitzerin der Hausnummer 6, die in einem familiären Verhältnis zum Eigentümer der anderen Brandhäuser steht, wartet nach eigenen Angaben noch auf eine Einschätzung der Versicherung. „Dann wird entschieden, ob das Haus abgerissen oder saniert wird“, so die Frau.
Eine Sanierung schient zumindest bei der Brandruine mit der Hausnummer 2 ausgeschlossen. Noch immer ist der Bürgersteig vor dem Gebäude aus Sicherheitsgründen gesperrt. Einen Kauf des gesamten Areals schließt die Stadt Nürtingen mittlerweile aus. Die Kommune dürfe kein Eigentum über Wert erwerben. Der Besitzer der Hausnummern 2 und 4 fordere zwei Millionen Euro – eine Summe, die den tatsächlichen Wert der Grundstücke bei Weitem übersteigt, so die Aussage der Stadtverwaltung. Die Stadt Nürtingen möchte nun in die Offensive gehen. „Wir prüfen aktuell rechtliche Mittel“, sagt Oberbürgermeister Johannes Fridrich.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt noch immer wegen des Verdachts der Brandstiftung mit Todesfolge im Fall der Feuers in der Hausnummer 2. Auch bei der Hausnummer 6 wird weiterhin ermittelt. Weil es nicht genügend Hinweise auf eine Straftat gibt, wurde das Verfahren um das Feuer in Gebäude Nummer 4 mittlerweile eingestellt.