Weilheim · Lenningen · Umland
Scharfmacher auf dem Ziegelwasen

Handwerk Die Cousins Romeo und Ludwig Weiß schleifen in ihrem Transporter noch bis Freitag alles, was stumpf ist. Neuerdings reinigen sie auch die Böden von Induktionstöpfen. Von Thomas Krytzner

Die fahrenden Händler trifft die Corona-Pandemie besonders hart. Es gibt kaum noch Märkte, wo sie ihre Waren und Dienstleis­tungen anbieten können. „Nicht mit mir“, dachte sich Schleifer ­Romeo Weiß und fragte in den Städten seiner üblichen Tour nach einem Standplatz.

In Kirchheim hatte seine Hartnäckigkeit Erfolg und jetzt stehen er und sein Cousin Ludwig Weiß mit ihrer mobilen Schleiferei von 10 bis 16 Uhr auf dem Ziegelwasen und bieten bis Freitag ihren Dienst an. „Wir machen alles scharf!“, prangt auf dem weißen Transporter. „In jedem Haushalt gibt es vermutlich ein stumpfes Messer. Dem verpassen wir mit dem gekonnten Schliff wieder Schärfe.“ Aber auch der Ursprungsgedanke der fahrenden Schleiferei, das Scherenschleifen, bietet Romeo Weiß an. Er hat auch gute Neuigkeiten für die Fleißigen am heimischen Herd: „Wir schleifen die Böden von Induktionstöpfen. So sind diese frei von Eingebranntem und die Leitfähigkeit ist wieder besser.“ Des Weiteren kümmern sich die beiden Cousins auch um die Schärfe von allerhand Werkzeugen, die im Garten oder in der Werkstatt benutzt werden. Daneben können Liebhaber von Silberbesteck ihre Schätzchen bei der mobilen Schleiferei aufpolieren lassen. Während seiner Ausbildung beim Vater erlernte ­Romeo Weiß auch die Kunst des Wellenschliffs für Besteckmesser.

Abwischen, weitermachen!

Seit fast 175 Jahren ist die ­Familie Weiß schon mit dem mobilen Schleifservice unterwegs. Das ­Unternehmen, das in nun fünfter Generation geführt wird, wurde im saarländischen Homburg gegründet. Damals ging es von dort aus mit Ross und Wagen auf Tour. „Der Tross hat seine Zelte jeweils außerhalb der Städte aufgeschlagen und dann ging es von Tür zu Tür, um Schleifdienste anzubieten“, erinnert sich Ludwig Weiß an die Erzählungen seiner Großmutter. Lange Zeit war die Handwerksfamilie samt Schleifstein mit dem Fahrrad unterwegs. „Der Antrieb erfolgte über die Pedale.“ Gut angesehen war man damals nicht, wie Romeo Weiß ergänzt. „Die Vorurteile gegenüber uns Fahrenden waren groß.“ Dass sich dies in der heutigen Zeit deutlich verändert hat, liegt an der langjährigen Städtetreue, vermutet Romeo Weiß. „Die Menschen auf den verschiedenen Märkten kennen uns und sie wissen, dass sie gute Handwerksarbeit bekommen.“

Stumpfe Messer werden mit dem richtigen Schliff wieder scharf. Fotos: Thomas Krytzner

Stumpfe Messer werden mit dem richtigen Schliff wieder scharf. Fotos: Thomas Krytzner

Dies liegt wohl auch daran, dass Romeo Weiß seit seinem zehnten Lebensjahr mit seinem Vater unterwegs war. „Als mein Papa 1991 unerwartet früh an einem Hinterwandherzinfarkt starb, war es erstmal vorbei. Ich konnte gar nichts mehr machen“, erinnert er sich traurig. Sein Cousin, Ludwig, mit dem er seit nunmehr 27 Jahren im Bundesgebiet unterwegs ist, half ihm und motivierte ihn, weiterzumachen. Auch ein Herzinfarkt, der Ludwig Weiß ereilte, sowie eine kurzzeitige einseitige Lähmung bei Romeo Weiß konnten die beiden Handwerker nicht mehr von ihrem Handwerk abbringen. Dazu fällt Ludwig Weiß ein Spruch von seinem Großvater ein. „Mit neuem Fleiß an den alten Scheiß.“

Eines bedrückt die beiden: „Der Scherenschleifer ist ein aussterbender Beruf, obwohl es ein historisches und solides Handwerk ist“, stellt Romeo Weiß fest. Reich werden könne man dabei nicht, aber man könne davon leben. „Aber mir macht mein Handwerk Spaß.“ Die Heimat der Schleiferei ist Neustadt an der Weinstraße. Von dort aus startet die Tour jedes Jahr aufs Neue.