Portrait
„Schauspielen ist wie Schwimmen“

Auf der Bühne hat sie schon viele Namen getragen. Doch wer ist Eva Dorlaß? Die Esslingerin erzählt, was Schauspielen für sie bedeutet. 

Eva Dorlaß als Hausmädchen Toinette in Molières Stück „Der eingebildete Kranke“, das am Samstag, 21. September, im Schauspielhaus Esslingen Premiere feiert. Foto: Tobias Metz

Unter Schauspielern gibt es eine Redensart, verrät Eva Dorlaß: „Wenn es für dich irgendetwas anderes gibt, als auf der Bühne zu stehen, dann wirst du es spätestens beim Versuch, dort hinzukommen, merken.“ Die 29-Jährige hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und ist im Ensemble der Württembergischen Landesbühne Esslingen (WLB) hauptberuflich als Schauspielerin tätig. Der Weg dorthin war jedoch alles andere als ein Sonntagsspaziergang.

Schon in ihrer Kindheit hat Eva Dorlaß großen Spaß daran, vor Publikum aufzutreten. In Theatergruppen schnuppert sie sich erstmals in die Basics der Schauspielkunst hinein; an ihrer Schule ist sie Teil einer Zirkusgruppe. „Das war eigentlich das Coolste an meiner ganzen Schulzeit“, erinnert sie sich. Nach der Schule beschließt sie, sich für ein Schauspielstudium zu bewerben. 

Ihr Ziel hat Eva Dorlaß klar im Visier. Auf dem Weg zu ihrem Traumjob steht sie zunächst jedoch vor einer entscheidenden Hürde: Die Plätze an den staatlichen Schauspielschulen sind begrenzt und hart umkämpft. „Je nach Stadt gab es damals etwa acht bis zehn Studienplätze auf 600 bis 800 Bewerber“, erklärt die Schauspielerin. Während dieser kräftezehrenden Zeit besteht ein großer Teil ihres Lebens aus langen Autofahrten und zahllosen Vorsprechen.

Man versucht immer, die Welt einer Figur nachzuvollziehen.

Eva Dorlaß, Schauspielerin

 

Bei ihrer Vorbereitung auf die erste Bewerbungsrunde am Max-Reinhardt-Seminar in Wien habe sie sich das Lachen nicht verkneifen können, erinnert sich Dorlaß. „Ich dachte: Diese Schule ist so unglaublich etabliert; es ist eigentlich völlig egal, was ich jetzt mache. Hier werden sie mich um nichts in der Welt nehmen.“

Doch die damals 19-Jährige unterschätzt sich: Nach mehreren erfolgreichen Bewerbungsrunden flattert ihre Zusage ins Haus, und Eva Dorlaß darf 2015 ihr Studium am Max-Reinhardt-Seminar beginnen. „Das war wirklich sehr, sehr groß für mich“, erzählt sie stolz.

Eva Dorlaß schließt ihr Studium im Jahr 2019 erfolgreich ab. Der heißersehnte Abschluss geht jedoch mit einer großen Unsicherheit einher: „Keiner weiß, wohin. Keiner weiß, wer einen Job bekommt und wo.“ Doch die Absolventin muss nicht lange auf eine Stelle warten. Sie wird vom Jungen Theater Münster zu einem Vorsprechen eingeladen und bekommt die Zusage noch an Ort und Stelle. „Ich mag die Stoffe jüngerer Stücke einfach. Da werden sehr pure Sachen behandelt“, meint sie. Gerade nach dem anstrengenden Studium habe sie Lust gehabt, einfach mal wieder befreit spielen zu können.

Eva Dorlaß ist seit Beginn der Spielzeit 2022/23 Teil des Ensembles der WLB. Foto: Patrick Pfeiffer

Ein neues Kapitel

Obwohl es ihr in Münster gut gefällt, verabschiedet sich Eva Dorlaß nach drei Jahren. Der Anstoß hierfür kommt von zwei alten Freunden, die sie noch aus der Zeit vor ihrem Studium kennt. Beide sind dem Ensemble der WLB beigetreten und schlagen ihr vor, sich doch auch zu bewerben. „Wir haben uns gedacht: Das wäre doch witzig, wenn wir alle zusammen spielen würden“, erzählt Eva Dorlaß. Was als Wunschdenken beginnt, wird Realität. Mit ihren Freunden gemeinsam auf der Bühne zu stehen, beschreibt sie als „sehr, sehr schön“. Der Wechsel zur WLB sei auf jeden Fall die richtige Entscheidung gewesen.

Auf der Bühne kann die Schauspielerin ihrer Leidenschaft nachgehen. „Wenn man spielen darf, ist das wie Schwimmen, wenn man lange nicht geschwommen ist, und einfach nur noch ins Wasser springen will“, schildert sie das Gefühl. „Man ist sehr da, sehr wach und sehr lebendig.“ Die Aufführungen sind jedoch nur ein kleiner Teil des Joballtags. Vorstellungen gebe es meist ein oder zwei in der Woche; vorbereitet und geprobt werde jeden Tag. Die Proben, so Dorlaß, machen aber nicht zwangsläufig weniger Spaß: „Es hat etwas sehr Schöpferisches. Die Vorstellung ist das Endresultat, aber bei den Proben kann man erschaffen und entwerfen.“

Kein simples Handwerk  

In ihrem Beruf schlüpft Eva Dorlaß in die verschiedensten Rollen. „Man versucht immer, die Welt einer Figur nachzuvollziehen und zu verstehen, wieso sie so handelt, wie sie handelt“, äußert die Schauspielerin. „Wenn die Figur sehr nah an mir ist, kann das toll sein. Gleichzeitig kann es sehr spannend sein, eine Figur zu spielen, die mir überhaupt nicht ähnlich ist.“

Dabei kann es durchaus vorkommen, dass die Vorstellungen von Regie und Schauspielern aneinanderstoßen. Wenn die Regie eine bestimmte Vision für eine Rolle habe und sie das nicht in sich finden könne, sei das manchmal schwierig, erklärt Eva Dorlaß. Scheitern, Ablehnung und Frustration seien genauso Teil des Jobs wie die Belohnungsmomente. Als Schauspielerin, so Dorlaß, liefert man sich schließlich immer ein Stück weit aus: „Ich stehe da mit meiner Stimme, meinem Körper, meinen Gedanken und manchmal stecke ich auch meine Seele mit rein. Das ist schon nicht einfach, wenn von Publikum oder Kritikern zurückkommt: Das ist scheiße.“ Wobei viele Schauspieler nicht unbedingt kritikfähig seien, setzt sie lachend hinzu.

„Unser Job ist, zu kommunizieren. Von Sekunde Null an.

Eva Dorlaß, Schauspielerin

 

Die Karriereleiter zu erklimmen und Star der Szene zu werden, steht auf der Prioritätenliste der jungen Schauspielerin am unteren Ende. Für sie zählt in erster Linie das Miteinander: das gemeinsame Spielen im Ensemble. „In unserem Beruf kann man seinen Kolleginnen und Kollegen nur schwer nicht begegnen“, bemerkt Eva Dorlaß. „Unser Job ist, zu kommunizieren. Von Sekunde Null an.“ Um so schöner sei es, mit Menschen zu arbeiten, bei denen man sich angenommen und respektiert fühle. Theater, in dem der Konkurrenzkampf ums Rampenlicht zum Alltag gehört, ist nicht ihr Steckenpferd. „Mein Wunsch für die Zukunft, ist, da zu sein, wo es mir gut geht“, meint sie lächelnd.

Am Samstag, 21. September, wird Eva Dorlaß erstmals in der Rolle des Dienstmädchens Toinette in Molières Komödie „Der eingebildete Kranke“ zu sehen sein. Im Zentrum des satirischen Theaterstücks steht der Privatier Argan, der von seinen Krankheiten regelrecht besessen ist. Doch eigentlich ist Argan kerngesund – zumindest körperlich. Er terrorisiert seine Mitmenschen und wirft sein Geld für wirkungslose Medikamente aus dem Haus. Es ist einzig und allein Toinette, die dem egozentrischen Hypochonder Kontra gibt und ihm die Wahrheit durch einen Rollenwechsel vor Augen führt.

„Ich finde es etwas schade, dass die Probezeit vorbei ist, aber ich freue mich schon auf die Premiere“, verkündet Eva Dorlaß. „Es gibt sehr viele schräge Figuren, und die Sprache ist wirklich toll. Das Stück macht einfach Spaß.“

„Der eingebildete Kranke“ feiert am Samstag, 21. September, um 19.30 Uhr im Schauspielhaus Esslingen Premiere.