Geld für die Forschung fließt schon länger in Projekte auf dem Lenninger Scheufelen-Areal. Am Mittwoch hat sich Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz selbst ein Bild davon gemacht, was sich rund um die Kantine der ehemaligen Papierfabrik tut. „Wir müssen raus aus der fossilen Wirtschaft“, betonte der Minister bei seinem Rundgang. Stattdessen soll auf nachwachsende regionale Rohstoffe gesetzt werden. Genau das macht etwa das Unternehmen „Fibers365“, das sich auf dem Gelände angesiedelt hat und dessen Fokus auf der Fasergewinnung von Ernteresten aller Art liegt. Dessen „Steam-Explosion-Anlage“, die ähnlich wie ein Dampfdrucktopf funktioniert, weihte der Minister nun ebenso ein wie andere Highthech-Maschinen. Die "Steam-Explosion-Anlage" zerlegt unter hohem Druck und großer Hitze beispielsweise Stroh in seine Bestandteile. Pflanzen, die innerhalb eines Jahres nachwachsen, haben laut Hauk den Vorteil, dass sie Kohlenstoffkreisläufe in kurzer Zeit schließen. „Verpackungen aus Naturfasern sind auch nicht durch Erdöl und Schwermetalle belastet“, betonte der Minister. Fasern etwa aus Hanf, Flachs oder Silphie könnten den steigenden Importbedarf an Holzzellstoff mindern beziehungsweise als Verbundwerkstoffe im Leichtbau eingesetzt werden.
Der Kirchheimer Landtagsabgeordnete und Fraktionschef der Grünen im Landtag, Andreas Schwarz, sieht in der Ansiedlung „exzellenter Forschungseinrichtungen“ eine große Chance. „Das ist mehr als ein reines Start-up.“ Es müsse darum gehen, eine verlässliche Grundlage für alle Beteiligten zu schaffen. Kreative Unternehmen, Hochschulen und Ideen sollten zusammengebracht werden. „Aus ökologischen und ökonomischen Gründen müssen wir die guten Ideen groß machen.“ Schon jetzt arbeiten die Hochschule der Medien in Stuttgart (HdM) und die Hochschule Reutlingen mit Firmen auf dem „Bio2Value-Campus“ in Lenningen Hand in Hand bei der Entwicklung von Produkten, die auf erneuerbaren Rohstoffen basieren. Mit einer Fasergussanlage erforscht die HdM etwa, wie sich Schalen aus „grünen Fasern“ für den Lebensmittelbereich möglichst effizient herstellen lassen. Auf einer anderen Maschine entstehen Öko-Vliese, die in der Landwirtschaft oder auch in der Automobilindustrie eingesetzt werden könnten.
Stefan Radlmayr, geschäftsführender Gesellschafter von „Fibers365“, bezeichnete das, was in Lenningen teils mit begrenzten Mitteln auf den Weg gebracht wird, als weltweit einzigartig. In anderen Bundesländern werde jedoch massiv investiert. Zum Netzwerk aus Industrie und Hochschulen gehörten fast 40 Partner. Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz fördert am Standort Lenningen im Rahmen der „Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie“ acht Einzel- und Verbundvorhaben. Wie Peter Hauk sagte, fließen in die Projekte 4,3 Millionen Euro an Zuschüssen. Darunter sind auch Projekte der Hochschulen an ihren angestammten Standorten.
Das Technikum Laubholz ist vom Tisch
Vom Tisch ist indes die Ansiedlung des Technikums Laubholz in Lenningen. Weil am Interimsstandort in Blaubeuren der Platz ausgeht, zieht das Forschungsinstitut in freiwerdende Gebäude des Schuler-Geländes in Göppingen. Die ersten Pilotanlagen sollen dort bereits im zweiten Quartal 2023 in Betrieb gehen. Die gemieteten Labore in Blaubeuren werden weiter genutzt. Im Herbst 2019 hatte Peter Hauk verkündet, dass sich das Technikum Laubholz auf dem Scheufelen-Areal in Lenningen ansiedelt. Daraus wurde jedoch nichts, nachdem die langwierigen Kaufverhandlungen im Februar vergangenen Jahres geplatzt waren.