Lenningen. Alles fing mit einem Kindergeburtstag an, zu dem Peter Wolfs Tochter eingeladen war – eine Feier, umrahmt von einem Lagerfeuer und der Möglichkeit, mit Pfeil und Bogen auf 3D-Tiere zu schießen, die aus einem widerstandsfähigen Spezialschaum bestanden. Überwältigt erzählte sie ihrem Vater von diesem Erlebnis. Wenige Tage später zielte Wolf selbst auf eine Scheibe und unterschrieb sofort die Vereinsmitgliedschaft. Bei der bloßen Ausübung des Sports blieb es nicht.
Der 50-Jährige, der in Lenningen einen kleinen Laden betreibt, in dem er Artikel für Bogenschützen verkauft, besorgte sich einen Baumstamm und fertigte aus ihm seinen ersten selbst gebauten Bogen. Stämme von Ulme, Esche, Ahorn, Osage Orange, Birke und Eibe lagern im Keller von Peter Wolf. Dort trocknen sie teilweise mehrere Monate, bis sie für den Bogenbau Verwendung finden. Damit die Stamm-Enden nicht zu schnell austrocknen, werden sie mit Leim versiegelt, um die Bildung von Rissen zu unterbinden. „Holz, das im Frühsommer oder Sommer geschlagen wurde, ist für den Bogenbau wegen seines hohen Wassergehalts weniger geeignet“so Peter Wolf. Anders sieht es bei Stämmen aus, die im Herbst oder Winter gefällt werden. Ihr Holz ist hart und verfügt dem Experten zufolge über die notwendige Stärke für einen perfekten Bogenrücken.
Vom trocknen Stamm, den er zuvor geviertelt hat, zieht Peter Wolf mit einem Zugmesser die Rinde und das Splintholz ab. „Anschließend wird der Rohling auf Risse, Wurmlöcher, Knoten und Ähnliches untersucht“, berichtet der Bogenbauer. „Es kommt durchaus vor, dass sich Maden bis zu weiter innen liegenden Ringen vorarbeiten.“ Ist das der Fall, werden die betroffenen Ringe nacheinander einzeln entfernt und der Bogen auf einem unversehrten Jahresring gefertigt. „Wichtig ist dabei, dass der Ring bei der Bearbeitung nicht beschädigt wird“, erzählt Peter Wolf. „Ansonsten bilden sich Schwachstellen, an denen der Bogen beim Schießen bricht.“
Auch aus Rohlingen mit Löchern lassen sich laut Wolf hervorragende Sportgeräte herstellen. Weniger sei in solchen Fällen mehr. „Sprich: An den betreffenden Punkten wird zugunsten der Stabilität einfach mehr Holz belassen“, erklärt er. „Das zusätzliche Material ist ein Schutz. Es verhindert, dass sich das Holz im Bereich des Lochs beim Schießen weniger biegt und nicht die gesamte Belastung des Zuggewichts trägt.“
Ist der Bogenrücken fertiggestellt, wird der Bauch des künftigen Sportgeräts mit einer Raspel verschlankt und die Wurfarme, die seine Enden bilden, von der Bogenmitte aus nach oben verjüngt. Dann beginnt die eigentliche Kunst des Bogenbaus, das Tillern. „Beide Wurfarme müssen sich gleich biegen und der Bogen muss zum richtigen Zuggewicht gebracht werden“, berichtet Peter Wolf. „An Stellen, an denen sich der Wurfarm nicht ausreichend biegt, muss Holz weggenommen werden und in Bereichen, in denen er sich zu stark biegt, rührt man ihn nicht an.“
Um festzustellen, wie sich die Wurfarme biegen, fixiert Wolf den Bogen am Griff auf seiner selbst gefertigten Tillerwand. Anschließend zieht er mit einer Vorrichtung die Sehne nach unten. Auf diese Weise kann er aus einigen Metern Distanz beurteilen, wo sich die Wurfarme biegen und wo sie noch steif sind. An den starren Punkten wird‟ dem 50-Jährigen zufolge so lange Material entfernt, bis sich der Bogen auf beiden Seiten des Griffs symmetrisch biegt. „Dazu muss er mehrfach an der Tillerwand begutachtet werden“, sagt der Fachmann.‟ Das ist ein aufwendiger Prozess, an dessen Ende der perfekte Bogen steht, der nur noch mit Schleifpapier bearbeitet und mit Leinöl eingerieben wird.
Traditionelle Bogen und Holzpfeile sind für Peter Wolf ein Stück Kulturgeschichte. „Ihre Bauweise orientiert sich an historischen Vorbildern“, erzählt er. „Ob Alamannen, Friesen, Wikinger, Indianer oder Steinzeitmenschen – sie alle haben leistungsstarke Bogen entwickelt, die die Basis für den traditionellen Bogenbau bilden.“ Noch heute werden sie von vielen Naturvölker für die Jagd genutzt. „Die Freizeitindustrie liefert effiziente, ausgefeilte und komplexe Produkte für jeden Sportbereich“, sagt Wolf. „Aber ein traditioneller Bogen, den man selbst gebaut hat und den unsere Vorfahren perfektioniert haben, ist einfach etwas ganz Besonderes.“