Bäuerliche Landwirtschaft, naturnahes Wirtschaften, Fleischerzeugung in Kleinmengen und immer häufiger auch in Bio-Qualität – das alles verträgt sich meist nicht mit langen Transportwegen und standardisierten Abläufen in riesigen Schlachthöfen. Der im April ins Leben gerufene Verein „Bäuerliche Schlachtgemeinschaft Biosphärengebiet Schwäbische Alb“ in Westerheim will diesen Widerspruch ausräumen. Das kommunale Schlachthaus in der knapp 3000 Einwohner zählenden Albgemeinde soll ab 1. Oktober an den Verein übergehen und dessen Mitgliedern auch die Möglichkeit der Hofschlachtung und damit einen unkomplizierten Einstieg in die Direktvermarktung bieten. Der Pachtvertrag über zunächst fünf Jahre wird am Montag unterzeichnet. Damit nimmt die Initiative, die vom Land unterstützt wird und bisher 30 Mitstreiter hat – darunter auch Betriebe aus der Teckregion – die wichtigste Hürde, um wie geplant starten zu können. Die Vertragsunterzeichnung soll gleichzeitig der Beginn einer Werbeoffensive gemeinsam mit Projektbegleitern des Biosphärengebiets sein, um in den kommenden Monaten an neue Mitglieder zu kommen.
Die werden nötig sein, denn „wir brauchen Startkapital“, sagt der erste Vorsitzende Georg Baumeister, der trotz aller Risiken „guter Dinge“ ist, dass das Projekt gut aus den Startlöchern kommt. Der Landwirt aus Westerheim schlachtet sein Vieh seit jeher im kleinen Schlachthaus der Gemeinde. Doch dessen Betrieb rechnet sich schon lange nicht mehr. Im vergangenen Jahr lag das Defizit im kommunalen Haushalt bei fast 9000 Euro. In den vergangenen beiden Jahren haben sich die Schlachtzahlen noch einmal annähernd halbiert. Im ersten Halbjahr 2024 wurden nur noch elf Rinder und drei Schweine dort geschlachtet.
Dass der Betrieb im kommenden Jahr Fahrt aufnimmt und irgendwann auch positivere Zahlen schreibt, ist Hauptaufgabe von Paul Russ. Der erst 22-jährige Metzgermeister aus Bissingen ist in Westerheim als Geschäftsführer beauftragt und muss schauen, dass die Voraussetzungen für den Start stimmen. Rund 20.000 Euro kostet allein die Erneuerung der EU-Zulassung und die damit verbundenen Renovierungsarbeiten. Die Anschaffung eines Schlachtanhängers für die mobile Hofschlachtung und die Erweiterung der Kühlkapazitäten schlagen mit weiteren rund 40.000 Euro zu Buche. Für beides gibt es Geld aus unterschiedlichen Fördertöpfen. Um an diese Zuschüsse zu kommen, ist der Pachtvertrag, der am Montag unterzeichnet werden soll, die Grundvoraussetzung.
Bis dahin war es allerdings ein steiniger Weg. Streitpunkt bis zuletzt war die Höhe des Pachtzinses, den die Gemeinde in Rechnung stellt. Die ersten drei Jahre sollte der Verein pachtfrei arbeiten können. Danach, so der ursprüngliche Plan, sollte die Pacht sukzessive bis auf monatlich 610 Euro im vorerst letzten Vertragsjahr 2029 steigen. Erst Dienstag dieser Woche fand sich im Gemeinderat eine Mehrheit für verbesserte Konditionen: ein zusätzliches pachtfreies Jahr und deutlich reduzierte monatliche Raten.
Ein wesentlicher Beitrag zum erhofften Erfolg, der stark davon abhängen wird, wie viele Landwirte sich künftig für die Idee begeistern lassen. Viele liegen in Lauerstellung. Mit dem Vertrag herrscht bald Klarheit, die zahlreiche Interessenten zum Aufspringen bewegen könnte, so die Hoffnung. Klar ist: Mit den Gebühren industrieller Schlachthöfe kann der Verein nicht konkurrieren. „Das Schlachtgewerbe zählt zum Niedriglohnsektor“, sagt Paul Russ, der Abitur hat und sich statt eines Studiums ganz bewusst für den Beruf des Schlachters entschieden hat. Ein Beruf, von dem er sagt, dass sich nach den Gesetzen des Marktes eine Familie kaum davon ernähren lasse. Deshalb will er, dass sich Dinge ändern. Sowohl in der Wertschätzung eines Berufs, der Menschen ernährt, wie auch im Konsumverhalten der Verbraucher. Die, so meint er, erwarten Billigfleisch, wo ein verantwortungsvoller Umgang mit Tier und Natur das längst ausschließt. Den Schluss, den er daraus zieht: „Wir brauchen auch Mitglieder, die nicht nur aufs Geld schauen, sondern Idealismus mitbringen.“