Umwelt
Schlampige Erdarbeiten: Kabelreste im Ackerboden bei Aichelberg

Die Rekultivierungsarbeiten an der ICE-Strecke wurden unsachgemäß ausgeführt. Das Vorgehen entspricht nicht den fachlichen Standards. Das falsche Material wird wieder ausgegraben.

Wo einst die Tübbinge für den Boßlertunnel gestapelt und die Baustelleneinrichtungen für das riesige Bauwerk standen, ist die Fläche rekultiviert worden. Dabei sind Fehler gemacht worden. Foto: Arnim Kilgus

Was ist Bestandteil eines Acker- oder Wiesenbodens? Man muss kein Landwirt sein, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass Plastik und anderer, nicht verrottbarer Müll definitiv nicht dazu gehört. Bei Aichelberg sind Kabel entdeckt worden, die nun entfernt werden müssen. „Es finden Arbeiten an der renaturierten Fläche am Weg ,Am Seebach’ auf Gemarkung Aichelberg statt. Diese Angelegenheit ist der Unteren Bodenschutzbehörde beim Landratsamt Göppingen bekannt“, erklärt Simon Gottowik von der Pressestelle des Landratsamts Göppingen. Ursache dafür war der Neubau der ICE-Schnellbahntrasse mit dem Boßlertunnel.

Im Zuge der Wiederbewirtschaftung der Fläche wurde festgestellt, dass die Rekultivierungsmaßnahmen nicht gemäß den fachlichen Standards ausgeführt wurde. Unterhalb der aufgebrachten Schichten von Unterboden und Oberboden wurden Steine, mineralische Bauschutt­reste und untergeordnet auch Schwarzdeckenreste – dabei handelt es sich um bituminöse Fahrbahnoberflächen – sowie nichtmineralischer Abfall wie Kabel eingebracht, ist von Seiten des Landratsamts zu hören. „Der Einbau dieser Lagen hatte eine kapillarbrechende Wirkung, so dass sich der überlagernde Boden in seiner Beschaffenheit und Wertigkeit veränderte“, so Simon Gottowik. Als kapillarbrechende Schicht bezeichnet der Fachmann eine Lage, beispielsweise aus Schotter, die verhindert, dass Bodenfeuchtigkeit oder Grundwasser weitergeleitet wird. Nicht nur bei Gebäuden ist dies erwünscht, sondern auch bei Straßen, hier wird sie auch als auch Frostschutzschicht bezeichnet. Auf Ackerböden ist eine solch künstlich eingebrachte Schicht naturgemäß nicht erwünscht.

 

Um das Ausmaß der unsachgemäßen Auffüllung zu erkunden, wurde das Material untersucht.

Simon Gottowik, Pressesprecher des Landratsamts Göppingen

Bereits im Herbst 2023 wurde diese kapillarbrechende Wirkung auf der Fläche in Aichelberg festgestellt. „Weitere Untersuchungen mittels Schürfgruben wurden deshalb durchgeführt, um das gesamte Ausmaß der unsachgemäß ausgeführten Auffüllungen zu erkunden“, erläutert Simon Gottowik und sagt weiter: „Schwarzdeckenreste sind recyclebare Baustoffe, sofern sie nicht Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, auch als PAKs bekannt, enthalten. Da die Schwarzdeckenreste wohl Bestandteile der ehemaligen Baustelleneinrichtungsfläche waren, sind PAKs nicht enthalten.“

Nachdem das Tübbingwerk nach der Fertigstellung des Boßlertunnels nicht mehr benötigt wurde, war dieses fachgerecht zurückzubauen und das Gelände in seinen Ursprungszustand zurückzuversetzen. Der Bodenaufbau sollte wieder dem ursprünglichen Aufbau entsprechen. Aufgrund fehlender Lagerkapazitäten wurde bei der Einrichtung der Baustelle Material aus den untersten Bodenhorizonten – die einzelnen Schichten eines Bodens werden Bodenhorizont genannt – abgefahren. „Deshalb musste dieses fehlende Material im Zuge der Rekultivierungsmaßnahmen durch anderes Material ersetzt werden – dabei wurde dann teilweise Material verwendet, das augenscheinlich nur bedingt für den Wiedereinbau geeignet war. Nichtmineralische Bestandteile sind äußerst untergeordnet enthalten. Auch von ihnen gehen keine stoffspezifischen Gefahren aus“, so Simon Gottowik.

Ein Einbau von Gefahrstoffen, Altlasten und Müll erfolgte nicht, konnte er Entwarnung geben. Dies hätten die Untersuchungen bestätigt. Gefährdungen für Mensch, Boden, Grundwasser und Nutzpflanze hätten zu keiner Zeit bestanden. Nach enger Abstimmungen zwischen der unteren Bodenschutzbehörde, der Bauüberwachung (BÜ) Boden und der Bauherrin wurde entschieden, das unterhalb des Unterbodens unsachgemäß eingebrachte Material wieder auszubauen. Vor einigen Wochen wurde damit begonnen, den „guten“ Ober- und Unterboden abzuschieben und für den Wiedereinbau bereitzuhalten. „Im Anschluss daran wird das unterlagernde Material rasterförmig ausgebaut und durch die beauftragte Erdbaufirma separiert werden. Dieses Material wird durch die BÜ Boden fachgerecht beprobt und analysiert. Material, das für den Wiedereinbau geeignet ist, bleibt auf der Baustelle. Alles andere wird einer fachgerechten Verwertung beziehungsweise Beseitigung zugeführt“, erklärt Simon Gottowik. Dabei handelt es sich um eine Fläche von etwa 20.000 Quadratmeter.

Im Kreis Esslingen nichts bekannt

Dem Landratsamt Esslingen ist auf Seiten des Landkreises Esslingen kein vergleichbarer Fall bekannt, ebenso ist der Behörde auch nicht bekannt, ob es entsprechende Bodenproben gab beziehungsweise geben wird. Zuständig für die Kontrolle von Umweltauflagen in Zusammenhang mit der ICE-Neubaustrecke ist das Eisenbahn-Bundesamt.

„Aktuell läuft der Rückbau der ehemaligen Baustelleneinrichtungsflächen in Aichelberg. Da diese Flächen nicht mehr benötigt werden, werden sie rekultiviert“, erklärt dazu ein Bahnsprecher und sagt weiter: „Für den Bau des Boßlertunnels standen auf der Baustelleneinrichtungsfläche über mehrere Jahre neben Bürocontainern unter anderem eine Betonmischanlage und eine Feldfabrik zur Herstellung von Tübbingen.“ Zudem seien große Flächen für die Tübbinglagerung benötigt worden. Um auf ebenen Flächen arbeiten zu können, wurde das Gelände teils abgegraben, teils an anderen Stellen aufgefüllt. Als Füllmaterial wurde ein Kies-Sand-Gemisch mit verschiedenen Korngrößen verwendet. „Dieses Material wird nun wieder abgetragen und durch standorttypisches Erdmaterial zur Wiederherstellung der ursprünglichen Topografie ersetzt. Anschließend werden Unter- und Oberboden wieder aufgetragen“, so der Bahnsprecher.

In einigen bereits wiederhergestellten Bereichen fiel bei stichprobenhaften Untersuchungen auf, dass der ursprüngliche Bodenaufbau nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Nach Abstimmung mit der zuständigen Behörde wird der Boden in diesen Bereichen ausgetauscht. „Mit den nun notwendigen Nacharbeiten werden Mängel beseitigt. Die hierfür anfallenden Kosten hat – wie üblich – der Auftragnehmer zu tragen. Weder der Steuerzahler noch die Bahn muss dafür aufkommen“, stellt der Bahnsprecher klar.